ACE-Hemmer sind bislang bei systolischer Herzinsuffizienz (HI) die Basistherapeutika. Darüber hinaus haben sie auch einen hohen Stellenwert in der Sekundärprävention bei Postinfarkt- und KHK-Patienten sowie bei solchen mit Hypertonie, Diabetes oder chronischer Nierenerkrankung. Der tatsächliche Lebenszeitgewinn allein durch ACE-Hemmer ist jedoch bescheiden. Daher erscheinen ergänzende Therapieansätze notwendig.
Bei symptomatischen Patienten mit NYHA II-III und linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) ≤35 % senkt Enalapril (im Mittel 16,6 mg/d) im Vergleich zu Plazebo die Mortalität um 16 %, wenn diese Substanz zusätzlich zum Diuretikum (86 %) und zu Digitalis (66 %) appliziert wird [1].
In einer anderen Studie ist der ACE-Hemmer Enalapril (Ziel-Dosis 20 mg/d) bei Patienten mit LVEF <45 % der Kombination aus 300 mg/d Hydralazin und 160 mg/d ISDN hinsichtlich Mortalitätssenkung um 28 % überlegen [2]. Selbst asymptomatische Patienten mit systolischer LV-Dysfunktion (NYHA I), EF ≤35 % und konventioneller Therapie haben vom ACE-Hemmer vs. Plazebo profitiert [3]. Enalapril reduziert hier die Häufigkeit der Progredienz zur manifesten Herzinsuffizienz (HI) um 37 % und der Ersthospitalisationen wegen HI um 36 %. Somit sollten selbst asymptomatische Patienten mit deutlich eingeschränkter Pumpfunktion (LVEF <35–<40 %) eine ACE-Hemmer-Therapie erhalten.
Die Metaanalyse der Studien bei Postinfarktpatienten mit eingeschränkter LV-Funktion oder mit HI-Zeichen [4] zeigt unter ACE-Hemmern einen Rückgang der Mortalität um 26 %. Damit hat der ACE-Hemmer heute nicht nur einen festen Stellenwert bei HI NYHA I-IV, sondern auch in der Sekundärprävention bei Postinfarkt- und KHK-Patienten mit LVEF ≤40 % sowie bei solchen mit Hypertonie, Diabetes mellitus oder chronisch stabiler Nierenerkrankung [5, 6]. Bei allen diesen Studien ist nicht nur das Ausmaß der reduzierten EF zu berücksichtigen, sondern auch die Dosis des verwendeten ACE-Hemmers.
Die Zieldosis ist in allen diesen HI- und Postinfarkt-Studien hoch (z. B. Enalapril 2 x 10 mg/d oder Captopril 3 x 50 mg/d [8]). Somit sind nur für diese Dosierungen lebensverlängernde Effekte belegt. Die Auftitrierung des ACE-Hemmers sollte simultan zum Betablocker erfolgen, wobei der Betablocker aber deutlich langsamer auftitriert wird [8, 9].
Was bringen nun ACE-Hemmer prognostisch tatsächlich?
Bei leichterer HI NYHA II-III bzw. LVEF ≤35 % senken ACE-Hemmer die 3,5-Jahresmortalität von 39,7 % auf 35,2 % [1] bzw. die 4-Jahresmortalität von 47 % auf 42 % [2]. Die absolute Risikodifferenz in beiden Studien beträgt nur 5 %! Die Prognose war somit maligne und bleibt trotz ACE-Hemmer maligne!
Auch die Nachbeobachtung über 12 Jahre [10] ergab bei Patienten der ehemaligen Enalapril-Gruppe im Vergleich zur Plazebo-Gruppe nur eine leicht reduzierte Mortalität (50,9 % vs. 56,4 %; p<0,001). Der Lebenszeitgewinn betrug im Präventionsarm 9,2 Monate, im Therapiearm 8,6 Monate. Wenngleich die Lebensqualität dieser Patienten passager sicherlich besser war, ist der tatsächliche Lebenszeitgewinn doch bescheiden.
Daher sind weitere Therapieansätze notwendig, wird doch unter ACE-Hemmern weder eine Beta-Sympathikolyse erreicht noch dem Aldosteron-Escape-Phänomen vorgebeugt, d. h. die pathophysiologischen Mechanismen bei Herzinsuffizienz werden unter ACE-Hemmern nur inkomplett beeinflusst, das vom Herzen produzierte BNP (Brain Natriuretic Peptide) gar nicht. Dies ist daher nicht nur die Rationale der simultanen Therapie mit Betablockern und Aldosteron-Antagonisten, sondern zur Verstärkung der humoralen kardialen Kompensationsmechanismen, dem BNP, auch die des Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitors (ARNI), des LCZ696.
Der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI)
Die neue Therapiestrategie bei HI mit ARNI hat in der PARADIGM-HF-Studie zu besseren Resultaten geführt als die bisherige Standardtherapie mit einem ACE-Hemmer.
LCZ696 vereint die Eigenschaften eines AT1-Antagonisten (Valsartan) und eines Neprilysin-Inhibitors (Sacubitril) in einer Substanz. Nach oraler Aufnahme spaltet sich LCZ696 in Valsartan und Sacubitril und hemmt damit sowohl den AT1-Rezeptor als auch das Enzym Neprilysin, eine neutrale Endopeptidase, die für den Abbau natriuretischer Peptide (ANP, BNP) verantwortlich ist.
Warum sollte ein AT1-Antagonist eingesetzt werden und kein ACE-Hemmer? Da Neprilysin auch Angiotensin II abbaut, steigt unter einem Neprilysin-Inhibitor Angiotensin II an, was mögliche ungünstige Effekte zur Folge haben kann. Ein AT1-Antagonist blockiert dagegen diese möglichen Nebeneffekte durch AT1-Rezeptorblockade. Neprilysin und ACE bauen aber zudem beide Bradykinin ab. Daher treten unter einem Neprilysin-Inhibitor und ACE-Hemmer vermehrt Angioödeme durch erhöhte Bradykininspiegel auf [11, 12], was unter dem ARNI LCZ696 nur selten beobachtet wird.
Unter LCZ696 fallen die NT-proBNP-Spiegel ab, die BNP-Spiegel steigen dagegen mäßiggradig um ca. 20 % an. Diese Dissoziation der Peptide ist einfach erklärbar: Die Myozyten produzieren bei erhöhtem LV-Wandstress proBNP, das im Blut äquimolar aufgespalten wird in das biologisch inaktive NT-proBNP, das kein Substrat für Neprilysin ist, und in das aktive BNP, das durch Neprilysin abgebaut wird. BNP wird somit zum Marker der pharmakologischen Wirkung von LCZ696. NT-proBNP wird zum indirekten Marker für eine Abnahme des Wand-
stresses. Daher sind in der PARADIGM-HF-Studie die BNP-Spiegel bereits nach wenigen Wochen unter LCZ696 höher als unter Enalapril, während umgekehrt dazu die NT-proBNP-Spiegel unter LCZ696 niedriger sind [13].
ARNI verlängern die Überlebenszeit
Die Überlegenheit von LCZ696 macht sich aber nicht nur in günstigeren Laborwerten bemerkbar. Der Nutzen dieser dualen Wirkungsweise, der dem Effekt eines ACE-Hemmers bei Herzinsuffizienz überlegen ist, zeigt sich auch eindrucksvoll in den klinischen Ergebnissen der PARADIGM-HF-Studie, die 8.442 Patienten mit chronischer HI und LVEF ≤40 % einschloss [14]. Verglichen wurde die Gabe von LCZ696 (initial 2 x 100 mg/d über 4–6 Wochen, dann 2 x 200 mg/d, im Mittel 375 mg/d) mit Enalapril 2 x 10 mg/d (im Mittel 18,9 mg/d) additiv zur Basistherapie. Bei 60 % der Patienten lag eine ischämische Kardiomyopathie zugrunde. Betablocker hatten 93 % der Patienten, Aldosteron-Antagonisten 54,2 % (LCZ696-Gruppe), Diuretika 80 %, Digitalis 30 %.
Die Studie wurde nach 27 Monaten vorzeitig beendet, da der primäre Endpunkt, eine Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod und Klinikeinweisung wegen HI, in der LCZ696-Gruppe um 20 % seltener eintrat (21,8 % vs. 26,5 %; NNT = 21). Auch die kardiovaskuläre Mortalität war um 20 % niedriger (13,3 % vs. 16,5 %), die Gesamtmortalität sank um 16 %. Daneben war auch die Zahl der ersten Hospitalisationen wegen Verschlechterung der HI geringer. Diese Ergebnisse lassen für LCZ696 vs. Enalapril immerhin eine Überlebensverlängerung um 1 bis 2 Jahre annehmen [16].
Ein indirekter Vergleich der LCZ696-Effekte vs. Enalapril (beide vs. Plazebo) ergibt unter der neuen, dual angelegten Therapie eine deutlich geringere kardiovaskuläre Mortalität (-17 % vs. -34 %) [1, 17]. Der mutmaßliche Nutzen von LCZ696 vs. Plazebo ist somit doppelt so hoch wie unter dem ACE-Hemmer. Diese Überlegenheit gilt sowohl für die Gesamtmortalität als auch für das Risiko von HI-Hospitalisationen in ähnlicher Relation [17].
ARNI statt ACE-Hemmer?
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint ein Paradigmenwechsel in der Therapie der chronischen systolischen HI möglich bis sehr wahrscheinlich – statt ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist könnten zukünftig ARNI eingesetzt werden. Wenngleich der pathophysiologische Vorteil von LCZ696 mit der dualen Wirkungsweise auf der Hand liegt und die Studiendaten überzeugen, würde eine zweite solche Studie noch mehr Sicherheit für die Überlegenheit dieses neuen Therapieprinzips bringen.
Inzwischen liegt die Zulassung für diese neue Therapiestrategie seitens FDA und EMA vor. Indikation anstelle eines ACE-Hemmers oder AT1-Antagonisten sind die NYHA-Schweregrade II-IV und eine LVEF ≤40 %. Die neue Substanz darf wegen des Risikos der Entwicklung eines Angioödems frühestens 36 h nach Absetzen eines ACE-Hemmers eingesetzt werden. Bei einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2 (estimated Glomerular Filtration Rate) wird eine Initialdosis von 2 x 50 mg/d empfohlen. Ab einer eGFR <10 ml/min/1,73 m2 ist die Substanz kontraindiziert. Beim Einsatz von LCZ696 gelten die gleichen Bedingungen wie für ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten, u. a. Beachtung der Nierenfunktion und des Serumkaliums. Wird LCZ696 statt eines dieser beiden Medikamente eingesetzt, kann es ebenfalls mit Betablockern, Diuretika und Aldosteron-Antagonisten kombiniert werden.
Interessenkonflikte: Beide Autoren haben keine Interessenkonflikte zu erklären.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (10) Seite 16-18