Auch die sogenannte "leichte Herzschwäche", wie das NYHA-Stadium II oft genannt wird, ist eine ernsthafte Erkrankung. Auf der Jahrestagung der Heart Failure Association (HFA) of the ESC erläuterten Experten neue Daten zu Prognose und Risikofaktoren der chronischen Herzinsuffizienz.

Die Prognose von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist noch immer schlecht. Die Mortalität ist weiterhin hoch – jeder zweite Patient stirbt innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Dies gilt nicht nur für Patienten in fortgeschrittenen Stadien (NYHA III/IV), sondern auch für Patienten im NYHA-Stadium II, in dem sich die meisten bei der Diagnosestellung befinden. Fälschlicherweise wird dieses Stadium vielfach als "leichte" Herzschwäche bezeichnet. Ein fataler Irrtum, der dazu beitragen kann, die Diagnose hinauszuzögern, denn: "Nur die Symptomatik ist leicht – nicht aber die Erkrankung", betonte Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich und wissenschaftlicher Leiter der "Heart Failure 2015".

"Die chronische Herzinsuffizienz in Kombination mit einer reduzierten linksventrikulären Auswurffraktion ist eine schwerwiegende, progrediente Erkrankung, die mit häufigen Hospitalisierungen aufgrund akuter Dekompensationen und einer deutlich verkürzten Lebenserwartung einhergeht", erinnerte Prof. Dr. med. John McMurray, Glasgow. "Jede stationäre Behandlung ist ein Indiz dafür, dass die Erkrankung weiter fortschreitet und sich die Prognose weiter verschlechtert. Denn mit jeder Klinikaufnahme aufgrund einer akuten Dekompensation kommt es zwar zunächst zu einer Kurzzeitverbesserung der kardialen Funktion unter der stationären Behandlung. Zum Zeitpunkt der Klinikentlassung hat sich die kardiale Funktion dann aber auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert (Abb. 1). Die Lebensqualität des Patienten nimmt rapide ab. "Unser Ziel muss es sein, diese Abwärtsspirale zu stoppen", so McMurray.

Kritisches erstes Jahr

"Das erste Jahr nach der Diagnose ist erfahrungsgemäß besonders kritisch", erinnerte Dr. med. Marisa Crespo Leiro, La Coruña, Spanien. Crespo Leiro stellte eine Auswertung der Daten von 12.440 Patienten vor, die aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz stationär (40 %) oder ambulant (50 %) in einem der 29 Teilnehmerländer in einem Herzzentrum behandelt wurden. Von den hospitalisierten Patienten verstarben 24 innerhalb von zwölf Monaten mit einer besonders hohen Sterberate in den ersten drei Monaten, 19 % mussten erneut stationär behandelt werden. Das Risiko, innerhalb eines Jahres zu versterben oder erneut hospitalisiert zu werden, betrug 36 %. Bei den ambulanten Patienten betrug die 1-Jahres-Mortalität 7 % und die 1-Jahres-Hospitalisierungsrate 10 %.

Hohes Lebensalter und niedriger systolischer Blutdruck erhöhten in beiden Gruppen die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten zwölf Monaten zu versterben.

Risikofaktor Depression

Besteht bei Herzinsuffizienz auch eine Depression, verschlechtert dies dramatisch die Prognose: "Das Sterberisiko steigt auf das Fünffache", betonte Prof. Dr. med. John Cleland, London. Zu diesem Ergebnis kam eine erste Auswertung der OPERA-HF-Studie (Observational Study to Predict Readmission for Heart Failure Patients). In der noch laufenden, retrospektiven, nicht-interventionellen Studie werden zurzeit mehr als 300 Patienten beobachtet, die wegen einer Herzinsuffizienz stationär behandelt worden waren.

Als starker Prädiktor einer schlechten Prognose erwies sich eine Depression. Nur jeder zweite moderat bis schwer depressive Patient mit Herzinsuffizienz überlebte den 12-Monats-Follow-up. Von den Herzinsuffizienzpatienten mit leichter Depression verstarb während des Nachbeobachtungszeitraums etwa jeder fünfte (22,2 %), von den Patienten ohne Depression 8,7 %.

Der Griff zu Antidepressiva kann die Prognose dieser Patienten nicht verbessern, so das Ergebnis der MOOD-HF-Studie. Die doppelblinde, plazebokontrollierte Multicenterstudie schloss 385 Studienteilnehmer mit Herzinsuffizienz und Depression ein, die einmal täglich entweder den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) Escitalopram (n = 185) oder Plazebo (n = 187) erhielten. Escitalopram hatte keinen Effekt auf Tod oder Hospitalisierung (63 vs. 64 % unter Plazebo). Die depressive Symptomatik wurde durch Escitalopram im Vergleich zu Plazebo ebenfalls nicht beeinflusst. Interessanterweise hatten sich jedoch nach zwölf Wochen Therapie in beiden Studienarmen sowohl die kardiale Situation als auch die Depressivität der Patienten verbessert. Diese Befunde sprechen dafür, dass einer "üblichen" Depression und einer Depression bei Herzinsuffizienz unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen, so Studienleiterin Prof. Dr. med. Christiane Angermann, Würzburg. Ihr Fazit: "Eine antidepressive Therapie kann nach diesen Ergebnissen nicht empfohlen werden; stattdessen sollte die kardiale Therapie optimiert werden. Dies bessert dann auch die Depression."

Hoffnung am Horizont

Als neuer Hoffnungsträger für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz gilt LCZ696 – ein Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), der sich aus Valsartan und Sacubitril zusammensetzt und Ende letzten Jahres in Deutschland unter dem Namen Entresto® zugelassen wurde.

Die Substanz stellte in der PARADIGM-HF-Studie bei 8.442 Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Funktion seine Wirksamkeit im Vergleich zum Standard Enalapril unter Beweis: Sie reduzierte die kardiovaskuläre Sterberate um 20 % und das Risiko einer herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierung um 21 %. Auch die Gesamtmortalität wurde um 16 % reduziert gegenüber einer aktiven Behandlung, für die eine Mortalitätsreduktion bei Herzinsuffizienz belegt ist", erinnerte Studienleiter McMurray.

Kirsten Westphal


Quelle:
Poster und Vorträge im Rahmen der "Heart Failure 2015", Sevilla (Spanien), 23. bis 26. Mai 2015.

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars Medici 22/2015


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (10) Seite 24-25