Die echte Kamille (Matricaria recutita) ist die weltweit beliebteste Heilpflanze. Sie wird als Arzneipflanze in den Arzneibüchern aller Länder beschrieben und hat bis heute nichts von ihrer therapeutischen Bedeutung verloren.

Die echte Kamille ist weit verbreitet, wird bis 0,5 m hoch, besitzt gefiederte Blätter und einen charakteristischen Geruch. Die Blüten bestehen aus einem Blütenköpfchen mit gelben Röhrenblüten, die von einem Kranz weißer Zungenblüten umgeben sind. Als Arzneipflanze wird sie in großen Kulturen in Ägypten, Argentinien und Europa angebaut. Die echte Kamille unterscheidet sich von anderen Kamillenarten dadurch, dass das gelbe Blütenköpfchen beim Aufschneiden hohl ist. Als Droge finden die getrockneten Blütenköpfchen Verwendung.

Wichtige Inhaltsstoffe fehlen im Tee

Die Blüten der echten Kamille enthalten 0,3 bis 1,4 % etherisches Öl, das Kamillenöl. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die fett- und wasserlöslichen Inhaltsstoffe und ihre pharmakologischen Eigenschaften. Dabei wird deutlich, dass wichtige wirksamkeitsbestimmende fettlösliche Inhaltsstoffe im etherischen Öl enthalten sind. Das erklärt auch die Berichte über den oft ungenügenden antiphlogistischen Effekt des Kamillentees bei entzündlichen Magen-Darm-Erkrankungen, z. B. bei Gastritis: Denn im trinkfertigen Tee (Aufguss) fehlen wirksamkeitsrelevante fettlösliche Kamilleninhaltsstoffe oder sind nur in Spuren enthalten.

Bei der Teezubereitung verdunstet das wirkstoffreiche etherische Öl oder verbleibt im Teerückstand. Untersuchungen ergaben, dass im Tee nur noch maximal 0,02 % Kamillenöl vorhanden ist. So sind im Aufguss (Tee) vor allem spasmolytisch wirkende Flavonoide und Schleimstoffe enthalten [1].

Nebenwirkungen (mit der Ausnahme einer seltenen Allergie gegen Korbblütler), Wechselwirkungen und Gegenanzeigen sind bei dieser Heilpflanze nicht bekannt.

Positiv-Monografie Kamillenblüten

Die Positiv-Monografie Matricariae flos nennt als Wirkungen: antiphlogistisch (experimentell und klinisch gut belegt), spasmolytisch, wundheilungsfördernd, desodorierend, antibakteriell (vorwiegend gegenüber grampositiven Keimen wie Staphylococcus aureus und Streptokokken), bakterientoxinhemmend und Anregung des Hautstoffwechsels. In neueren Forschungen konnten noch ulkusprotektive, karminative, immunstimulierende, antivirale und antioxidative Eigenschaften nachgewiesen werden. Der antiphlogistische Effekt der echten Kamille basiert vor allem auf Alpha-Bisabolol und Matricin (Chamazulen). Sie hemmen die Cyclooxygenase und Lipoxygenase der Arachidonsäurekaskade. Alpha-Bisabolol wirkt außerdem ulkusprotektiv. Es reduziert konzentrationsabhängig die proteolytische Aktivität von Pepsin im Magen, hemmt die Pepsinsekretion im Magen und verhindert so dosisabhängig die Entstehung eines Ulkus bzw. beschleunigt die Ulkusheilung.

Als Indikationen nennt die Monografie:


Äußerlich:

  • Haut- und Schleimhautentzündungen
  • Bakterielle Hauterkrankungen einschließlich der Mundhöhle und des Zahnfleisches
  • Entzündliche Erkrankungen und Reizzustände der Luftwege (Inhalationen)
  • Erkrankungen im Anal- und Genitalbereich (Bäder, Spülungen)


Innerlich:

  • Gastrointestinale Spasmen
  • Entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

Zusammen sind sie stark!

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die gute Wirksamkeit und das breite Wirkungsspektrum der Kamille auf der Gesamtheit der fett- und wasserlöslichen Inhaltsstoffe basiert. Beide Wirkstoffgruppen ergänzen sich synergistisch. Deshalb sollte in Zukunft dem Kamillentee nicht mehr so viel Beachtung geschenkt werden! Als Alternative zum Tee sind alkoholisch-wässrige Kamillenextrakte zu empfehlen, denn sie enthalten beide Wirkstoffgruppen [1]. Heute ist eine Vielzahl von Kamillenextrakt-Präparaten zur innerlichen und äußerlichen Anwendung im Handel. Für die innere und äußerliche Anwendung sind besonders standardisierte Kamillenextrakt-Präparate wie z. B. Kamillosan®-Konzentrat zu empfehlen. Sie sind auf die wichtigsten fett- und wasserlöslichen Inhaltsstoffe standardisiert und ermöglichen z. B. eine wirksame Therapie bei Magen- und Darmerkrankungen. Standardisierung bedeutet, dass der Hersteller in seinem pflanzlichen Arzneimittel eine gleichbleibende Konzentration an wichtigen wirksamkeitsrelevanten Inhaltsstoffen garantiert. Nur mit diesen Phytopharmaka ist ein Behandlungserfolg garantiert.

Rollkur nicht vergessen!

In letzter Zeit mehren sich in der Fachliteratur die Stimmen, die auf eine unkritische (rezeptfreie Präparate) und zu lange Anwendung der Protonenpumpenhemmer (PPI) hinweisen, da neue Nebenwirkungen bei dieser Arzneimittelgruppe bekannt geworden sind. Vielleicht ist es möglich, verstärkt die therapeutischen Eigenschaften der echten Kamille zu nutzen, um die Anwendung der PPI zu reduzieren.

Tipps zur echten Kamille

Homöopathie: Das homöopathische Mittel Chamomilla wird bei Regelschmerzen, Gesichtsneuralgien, Konjunktivitis, Bronchitis und Durchfällen eingesetzt. Chamomilla D 12 Globuli haben sich bei Zahnungsbeschwerden der Kinder bewährt. Hier dem Kind mehrmals täglich 3 bis 5 Globuli auf die Zunge geben.

Teezubereitung: Ein Esslöffel Kamillenblüten (ca. 3 g) wird mit siedendem Wasser (150 ml) übergossen, zugedeckt und nach 5 bis 10 Minuten durch ein Teesieb abgegossen.

Qualität: Die überall im Handel in Filterbeuteln erhältliche Kamille ist häufig von minderer Qualität, da sie auch Stängel und Blätter der Kamille enthält. Dagegen besteht die in Apotheken erhältliche Kamille entsprechend dem Arzneibuch nur aus Kamillenblüten.

Das wäre z. B. in Form der altbewährten Rollkur möglich, aber nicht mit Kamillentee, sondern mit 1 – 2 Teelöffel Kamillosan®-Konzentrat in einem Glas (250 bis 300 ml) lauwarmem Wasser. Diese Menge wird früh nüchtern und abends vor dem Schlafengehen getrunken. Dann legt man sich zwei bis drei Minuten auf Bauch, Rücken, linke und rechte Seite. Dies ist notwendig, damit die Kamilleninhaltsstoffe die gesamte Magenschleimhaut benetzen. Von dieser Mischung sollte der Patient auch ein bis zwei Tassen zwischen den Mahlzeiten trinken. Der Vorteil: Diese Trinklösung ist schnell zubereitet, wirksam und gut verträglich. Die klinische Wirksamkeit von Kamillenblüten-Extrakten ist in offenen und kontrollierten Studien bei Patienten mit gastrointestinalen Beschwerden nachgewiesen worden [1].


Literatur
1) Schilcher, H.: Wirkungsweise und Anwendungsformen der Kamillenblüten, BMV Berliner Medizinische Verlagsanstalt, Berlin 2004



Autor:

Ernst-Albert Meyer

Fachapotheker für Offizin-Pharmazie und Medizin-Journalist
31840 Hessisch Oldendorf

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (8) Seite 54-56