Schlafbezogene Atmungsstörungen galten bis vor einigen Jahren vielfach noch als Kavaliersdelikte. Starkes Schnarchen, Upper-Airway-Resistance-Syndrom und Obstruktive Schlafapnoe beeinträchtigen die Gesundheit aber oft massiv, verursachen und aggravieren bestehende Krankheiten in hohem Maß.

Erholsamer Nachtschlaf ist die einzige nachhaltige Regenerationsphase des Organismus und insofern mit der Batterie-Aufladung des Handys vergleichbar: Hängt das Handy (Organismus) zu kurz am Ladegerät (Schlaf), entspricht dies einer Ein- und Durchschlafstörung (quantitative Schlafstörung), ist aber das Ladekabel defekt ,entspricht dies einer qualitativen Schlafstörung (z. B. Obstruktive Schlafapnoe), bei der es trotz ausreichender Schlafdauer nicht zur Erholung kommt mit teils ausgeprägter Tagesmüdigkeit, Sekundenschlaf und Leistungsverlust.

Insomnien und schlafbezogene Atmungsstörungen machen den Großteil der in der hausärztlichen Praxis relevanten Schlafstörungen aus und treten nicht selten komorbid auf. Männer leiden häufiger unter Schnarchen und Schlafapnoe, Frauen häufiger unter Insomnien. Etwa 40 % aller Insomnien lassen sich bei genauem Hinsehen (Polysomnographie) als sekundäre oder komorbide Insomnien enttarnen. Nach der Menopause leiden auch Frauen deutlich häufiger unter Schnarchen und Schlafapnoe, da die Gewebespannung im Pharynx u. a. auf die Relation von Östrogenen und Gestagenen zu Testosteron reagiert.

Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS)

Jeder zweite Mann ab 40 schnarcht, jede zweite Frau ab Mitte 50 und jeder dritte unbehandelte starke Schnarcher bekommt im Laufe des Lebens eine Obstruktive Schlafapnoe, die erhebliche Implikationen auf Herz, Gefäße, Stoffwechsel, Kognition und Psyche hat. 70 % der Schlafapnoiker sind übergewichtig, 30 % nicht. Bei Akkumulation von Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen kommt es in über 80 % der Fälle zu einem OSAS im Rahmen der anatomisch-funktionell-metabolischen Problematik. Sämtliche Faktoren verstärken sich gegenseitig.

Durch viele polysomnographische Daten (Abb. 1 und 2) aus der niedergelassenen Schlafpraxis wissen wir, dass es eine große Menge an unerkannten Upper-Airway-Resistance-Syndromen (UARS) gibt, die weder einen pathologischen Apnoe-Hypopnoe-Index aufweisen (AHI = Anzahl der Apnoen und Hypopnoen von mind. 10 sec Dauer pro Stunde) noch nennenswert in der Pulsoxymetrie entsättigen. Die Patienten klagen aber trotzdem über teils ausgeprägte Tagesmüdigkeit und entwickeln fast ebenso häufig eine arterielle Hypertonie.

Sind AHI und SaO2 nicht pathologisch, werden die Patienten aber so gut wie nie in ein Schlaflabor überwiesen und laufen so teilweise jahrelang unbehandelt von Arzt zu Arzt. Es führen nämlich bereits moderate Atemflussverminderungen, die beim starken Schnarcher aufgrund der pharyngealen Engstellen entstehen, zu ständigen Mikroarousals und Fragmentationen des Schlafprofils, zu erheblichen Schwankungen der nächtlichen Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Erholsamkeit.

Es gibt inzwischen preisgünstige Zweikanalscreener (vgl. Kasten), die neben Atemfluss und Pulsoxymetrie auch Herzfrequenzveränderungen und/oder Schwankungen der Pulswellenlaufzeitgeschwindigkeit messen. Diese Parameter können als indirekte Arousalmarker herangezogen werden, da sie die bei fast allen Mikroweckreaktionen auftretenden vegetativen Arousals anzeigen. Bislang können die einfach zu handhabenden Geräte nur als GOÄ- und Selbstzahlerleistung abgerechnet werden, sie bieten aber eine relativ hohe Trefferwahrscheinlichkeit, um die Patienten danach einer Polysomnographie zuzuführen. Neben automatischen CPAP-Geräten (APAP) (Abb. 3) setzen sich bei starkem Schnarchen, UARS und leichter bis moderater Schlafapnoe auch immer mehr individuell angefertigte Unterkieferprotrusionsschienen (Abb. 4) durch. Gerade schlankere Patienten und solche mit vornehmlich rückenlagebetonten Befunden profitieren von den Schienen. Bei CPAP-Unverträglichkeit kann eine Schiene aber auch in schweren Fällen als Alternative eingesetzt werden.

Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien)

Temporäre Ein- und Durchschlafstörungen kommen in vielen beruflichen, privaten und krankheitsbedingten Stressphasen vor und sind häufig selbstlimitierend, wenn der Stressor abebbt. Für mildere Formen eignen sich pflanzliche Schlafhilfen wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Lavendel oder die abendliche Gabe von 500 mg L-Tryptophan. Kombinationspräparate wirken oft besser als die Einzelsubstanzen. Spezielle Mikronährstoffkombinationen in abendlicher Darreichung wirken ebenfalls oftmals gut.

Ab einer kontinuierlichen Dauer einer Insomnie von drei bis vier Wochen sollte ärztlich behandelt werden, da sich sonst die Gefahr einer Maladaptation des Schlafverhaltens und einer Chronifizierung erhöht. Ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) sollte immer ausgeschlossen werden, bei unruhigen Beinen am Abend und bei Nacht sollte eine Kontrolle des Ferritinspiegels erfolgen. Liegt dieser unter 50 mg/dl, sollte eine orale Eisensubstitution erfolgen, bis der Zielwert von 50 mg/dl erreicht ist. Ferritin und zerebrales Eisen spielen eine wichtige Rolle bezüglich der Nervenerregbarkeit.

Schilddrüsenstörungen oder ein unzureichend eingestellter Hypertonus und Diabetes beeinflussen den Nachtschlaf und vice versa. Primäre (= psychophysiologische = nichtorganische) Insomnien sprechen in der Regel gut auf die kurzzeitige Gabe von Z-Substanzen (Zolpidem 10 mg, Zopiclon 7,5 mg) an, die Behandlungsdauer sollte aber zunächst 14 Tage am Stück nicht überschreiten, bei hohem Leidensdruck sind vier Wochen möglich. Schlafhygienische Beratung gehört immer dazu.

Ab einer Behandlungsnotwendigkeit länger als zwei bis vier Wochen sollte auf niedrig dosierte Trizyklika wie Amitriptylin (5 bis 20 Tropfen oder 25 – 75 mg), Trimipramin (20 bis 40 Tropfen) oder Doxepin (5 bis 20 Tropfen) umgestellt werden, um die Gewöhnungs- und Absetzprobleme der Z-Substanzen nicht zu forcieren. Die Tropfen sollten bei Einschlafstörungen eine Stunde, bei Durchschlafstörungen 30 min vor dem Zubettgehen in ein Glas Wasser eingeträufelt eingenommen werden.

Trizyklika führen zu Beginn der Behandlung oft zu einem morgendlichen Overhang, der aber meist nach ein bis zwei Wochen abflacht. Opipramol (50 – 100 mg), Mirtazapin (3,75 – 15 mg) oder Circadin (2 mg retardiertes Melatonin) sind mögliche Alternativen bei Unverträglichkeit von Trizyklika.

Alle Insomnien, die nicht binnen sechs Monaten wieder verschwinden, sollten zum Schlafmediziner überwiesen und polysomnographiert werden, da man bei bis zu 40 % aller länger bestehenden Insomnien bei genauem Hinsehen (Polysomnographie) organische Komorbiditäten (meist SBAS oder Restless Legs) findet, die die Insomnie triggern und/oder unterhalten. Stellt sich in der Polysomnographie eine nichtorganische Insomnie heraus, sollten psychotherapeutische Maßnahmen in Kombination mit längerfristiger Medikation erfolgen, bis diese ggf. nicht mehr nötig ist.


Schlafapnoe-Screening für die Hausarztpraxis

Zweikanalgeräte als Screeninginstrumente für die Praxis messen neben Atemfluss und Pulsoxymetrie auch Herzfrequenzveränderungen und/oder Schwankungen der Pulswellenlaufzeitgeschwindigkeit. Beispiele:

Beide Geräte kosten ca. 1.400 Euro

Abrechenbar bei Privatpatienten nach GOÄ: ca. 80 – 100 Euro pro Messung, bei Selbstzahlern nach GOÄ evtl. 40 Euro ansetzen.



Autor:

Dr. med. Michael Feld

Allgemeinarzt, Somnologe (DGSM), Schlafmediziner
50678 Köln

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (5) Seite 44-47