Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) kommen in einem immer größeren Anwendungsbereich zur Prophylaxe und Therapie von Thromboembolien zum Einsatz. Vorteile und Nachteile gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten oder Heparin werden sehr kontrovers diskutiert. Aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit sind die NOAK leichter zu steuern. Daher ist ein Drug-Monitoring meist nicht nötig. Es gibt allerdings Ausnahmen und man sollte wissen, wie man in diesen Fällen vorgehen muss.

Für die Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon (Marcumar®) oder Warfarin spricht die lange Erfahrung mit diesen Medikamenten, die einfache Möglichkeit der Therapiesteuerung und -überwachung mittels INR und Quick-Wert, der sehr günstige Preis für Laborwert und Substanz sowie die Möglichkeit, bei einer Überdosierung mit PPSB zu antagonisieren. Dagegen stand für die NOAK lange Zeit kein Antidot zur Verfügung. Seit November 2015 ist nun allerdings mit Idarucizumab (Praxbind®) das erste spezifische Antidot für Dabigatran auf dem Markt. Die Therapiekosten mit den NOAK sind 10- bis 20-mal höher als mit den Vitamin-K-Antagonisten.

Der Vorteil der NOAK (vgl. Kästen 1 bis 3) ist in ihrer kurzen Halbwertszeit zu sehen, womit diese Substanzen leichter zu steuern sind und signifikant weniger schwere Blutungen gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten verursachen, wie auch viele Studien gezeigt haben. Dies kann zum Teil durch mangelnde Compliance bei der Einnahme bedingt sein. Präoperativ ist ein Absetzen der NOAK wesentlich einfacher, ein bis zwei Tage vor dem Eingriff wird die Einnahme unterbrochen. Nach erneuter Gabe wird innerhalb von drei Stunden der volle Wirkspiegel wieder erreicht. Ein Therapeutic-Drug-Monitoring (TDM) ist daher meist nicht notwendig.

Wann und womit wird ein Monitoring der NOAK durchgeführt?

Bei einem potenziell erhöhten Blutungsrisiko, wie z. B. bei eingeschränkter Nierenfunktion, Hepatopathie, Thrombozytopenie oder -pathie, bei gastrointestinalen Blutungen, dringend erforderlichen gastrointestinalen Eingriffen oder Operationen, bei gleichzeitig verabreichten Medikamenten wie ASS, nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), Azol-Antimykotika wie Ketoconazol, bei Ciclosporin oder Tacrolimus, aber auch bei massiver Adipositas oder Kachexie, bei multimorbiden Patienten sowie zur Überprüfung der Compliance kann ein Monitoring der NOAK jedoch erforderlich werden.

Wechselwirkungen bestehen außerdem mit Medikamenten wie den CYP3A4-Induktoren Carbamazepin, Rifampicin, Phenytoin und Phenobarbital. Zusätzlich sollten als Laborwerte das Blutbild mit Thrombozytenzahl sowie das Kreatinin mit GFR (insbesondere bei Dabigatran) und Leberwerte wie die Transaminasen bestimmt werden.

Ein geeigneter Gerinnungstest für die FXa-Inhibitoren (Rivaroxaban, Apixaban) ist die Messung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität. Dabei wird der im Test im Überschuss vorhandene aktivierte FXa durch das zugegebene verdünnte Patientenplasma in Abhängigkeit von der darin enthaltenen Inhibitor-Konzentration teilweise gehemmt. Die verbleibende FXa-Aktivität spaltet ein chromogenes Substrat, wobei das Spaltprodukt, meist p-Nitrophenol, photometrisch gemessen wird und sich zu der Inhibitorkonzentration umgekehrt proportional verhält. Da die Tests auf die jeweiligen Inhibitoren kalibriert sind, muss die Medikation angegeben werden. Die erwarteten Anti-F Xa-Spiegel sind vom Testhersteller und der jeweiligen Indikation abhängig. Die Blutentnahme erfolgt i. d. R. zur Kontrolle vor der nächsten Einnahme des Präparates. Das gewonnene Citratplasma sollte bei Versand gefroren verschickt werden. Letzteres gilt auch für das Monitoring des FIIa- oder Thrombin-Inhibitors Dabigatranetexilat. Hierfür eignet sich eine spezifisch kalibrierte Thrombinzeit (Hemoclot). Orientierend kann die aPTT-Verlängerung gemessen werden.

Für die Dosierung, Indikationen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen der NOAK mit anderen Medikamenten sind die jeweiligen aktuellen Fachinformationen der Arzneimittelhersteller sowie die Informationen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu beachten!

Dabigatran(etexilat) (Pradaxa® 75/110/150 mg)
  • Direkter reversibler oraler Faktor IIa-(Thrombin)Hemmer, HWZ 12-17 h bei normaler Nierenfunktion, zur Prophylaxe venöser Thrombosen und Embolien, Apoplex bei Vorhofflimmern, bei Hüft- und Kniegelenksersatz, zur Akut- und Langzeitbehandlung von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Therapiedauer je nach Indikation
  • Max. Wirkung nach 0,5 – 2 h
  • Kontraindikation: Niereninsuffizienz, da Dabigatran zu 80 – 85 % renal eliminiert wird, sowie gleichzeitig verabreichtes Itraconazol, Ketoconazol, Ciclosporin oder Tacrolimus
  • Monitoring durch die spezifisch kalibrierte Thrombinzeit (Hemoclot Fa. Hyphen Biomed, Frankreich), orientierend mit der aPTT

Rivaroxaban (Xarelto® 20 mg)
  • Direkter oraler Inhibitor von Faktor Xa, HWZ 5 – 9 h bei Jüngeren, 11 – 13 h bei Älteren, zur Prophylaxe venöser Thrombosen und Embolien, Apoplex, bei Hüft- und Kniegelenksersatz, zur Akut- und Langzeitbehandlung von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Therapiedauer je nach Indikation
  • Max. Wirkung nach 1 – 4 h
  • Kontraindikation: Lebererkrankungen, Zirrhose
  • Renale Elimination zu 66 %, bei GFR < 30 ml/min Dosisanpassung; präop. 24 Std. vor Eingriff absetzen
  • Monitoring möglich durch spezifische Messung der Anti-Faktor Xa-Aktivität von Rivaroxaban

Apixaban (Eliquis® 2,5 oder 5 mg)
  • Direkter oraler Inhibitor von Faktor Xa, mittlere HWZ 13,4 h, zur Prophylaxe venöser Thrombosen und Embolien, Apoplex, bei Hüft- und Kniegelenksersatz, zur Akut- und Langzeitbehandlung von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien; Behandlungsdauer 32 – 38 d
  • Max. Wirkung nach 1 – 4 h
  • Kontraindikation: Lebererkrankungen, Zirrhose
  • Bei GFR < 30 ml/min Dosisanpassung; gleichzeitige Gabe von Antimykotika wie Ketoconazol hemmt den Abbau von Apixaban; präop. 24 Std. vor Eingriff absetzen
  • Monitoring durch spezifische Messung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität von Apixaban


practica 2015 Bad Orb
Kurs Nr. 160
Dr. med. Dr. rer. nat. Ebbo Michael Schnaith: Aktuelles aus der Labormedizin für die hausärztliche Praxis


Literatur:
1. Kramer J (2012) Monitoring der antithrombotischen Therapie. In: Tomas L (Hrsg.) Labor und Diagnose, 8. Aufl., TH-Books Verlagsgesellschaft, Ffm.
2. Zotz RB, Stucker C, Scholz U (2014) Neue orale Antikoagulanzien – Pro und Kontra aus Sicht der Praxis. Hämostaseologie 2/2014:179-181
3. Gessner C (2014) Was Gerinnungstests unter NOAK-Therapie besagen. www.medical-tribune.de
4. Osterspey A, Zylka-Menhorn V (2011)Neue Orale Antikoagulantien: Sehr potent, aber kostspielig. Dtsch Ärztebl 2011; 108(47) A-2544 / B-2129 / C-2101
5. Lindhoff-Last E, Peetz D (2012) Die Einflüsse von Antikoagulanzien auf Routine- und Spezialdiagnostik im Gerinnungslabor. Roche Diagnostics 2012
6. Spannagl M et al (2012) Therapie mit Dabigatran. Hämostaseologie 4/2012:294-305


Autor:

Dr. med. Dr. rer. nat. Ebbo Michael Schnaith

MVZ Dr. Engelschalk, Dr. Schubach, Dr. Wiegel und Kollegen
94034 Passau

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (1) Seite 22-25