Das Ulcus cruris ist eine häufige chronische Wunde, die im Gegensatz zum Diabetischen Fußsyndrom (DFS) und dem Dekubitus von den Patienten und Ärzten eher als weniger gefährliche chronische Alterserscheinung wahrgenommen wird. Dabei lässt sich das Ulcus cruris durchaus gut behandeln, wenn man einige einfache Grundsätze beherzigt. Sowohl was die Kompressionstherapie als auch die Wundauflage angeht, sollte man sich an der Wundphase orientieren. Häufige Fehler sind eine zu trockene als auch eine zu feuchte Therapie.

Das Ulcus cruris venosum ist Folge einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Die Diagnose der CVI ist häufig eine Blickdiagnose und basiert auf sichtbaren Hautveränderungen (Hämosiderose, Atrophie blanche, Abb. 1) und einem Ödem. Wichtig ist die Abklärung der häufig zusätzlich vorliegenden peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen (Ulcus cruris mixtum), da dies für die weitere Behandlung von Bedeutung ist. Darüber hinaus gibt es viele Ulcera am Unterschenkel anderer Genese (Vaskulitis, Livedovaskulopathie oder Pyoderma), deren Diagnose man ohne eine weitere spezifische Diagnostik einschließlich der histologischen Untersuchung nicht stellen kann. Alle Ulcera am Unterschenkel ohne die typischen Hautveränderungen der CVI, die nicht primär am medialen distalen Unterschenkel auftreten, multiple Ulcera oder nekrotisch veränderte Ulcera sollten an diese seltenen Ursachen denken lassen. Auch eine fehlende Verbesserung der Wundsituation in den ersten drei bis vier Wochen unter einer adäquaten Wundversorgung und Kompression sollte zur weiteren Abklärung seltener Ursachen führen.

Lokale Therapie

Die Grundsätze der phasengerechten feuchten Wundversorgung gelten auch für die lokale Therapie des Ulcus cruris venosum. Dabei steht bei dieser Wunde das Exsudatmanagement ganz im Vordergrund. Hierbei gilt es, den Zellen ein optimales feuchtes Milieu zu bieten, das sie zum Wachstum brauchen, und gleichzeitig die Wundumgebung vor dem autoaggressiven Exsudat zu schützen. Die Mazeration der Ulkusumgebung durch austretendes Exsudat ist die wichtigste Ursache für eine schleichende Zunahme der Ulkusgröße. Diese Aufgabe können Alginate, Schaumverbände, Hydrofaser- und Superabsorber-haltige Wundauflagen übernehmen. Wichtig ist dabei die Erfahrung der Pflege und des Arztes. Bei jedem Verbandwechsel muss die Wundsituation bzgl. des Exsudatmanagements beurteilt werden. Ein Ulcus cruris, das zu trocken ist, heilt ebenso wenig wie ein Ulcus cruris, das zu feucht ist (Abb. 2 und 3).

Kompressionstherapie

Die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung des Ulcus cruris venosum ist eine adäquate Kompressionstherapie. Durch den konsequenten Druck auf die Venen wird der Durchmesser der epifaszialen Gefäße verengt und dadurch die Fließgeschwindigkeit des Blutes gesteigert. Des Weiteren bildet die Kompression ein stabiles Widerlager, so dass bei Aktivierung der Beinmuskulatur der venöse Rückfluss in die tieferen Gefäße gesteigert wird. Durch diesen verbesserten Abfluss werden Ödeme reduziert und ausgetretene Makromoleküle wieder aus dem Interstitium abtransportiert. Bei richtiger Anwendung führt die Kompression kurzfristig zu einer besseren Gewebeversorgung und langfristig zur Vermeidung des trophischen Gewebeumbaus bzw. zur Abheilung von venösen Ulzerationen.

Im deutschsprachigen Raum hat bei floridem Ulcus cruris venosum die Kompressionstherapie mit Kurzzugbandagen eine lange Tradition. In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten der Kompression durch Mehrkomponenten-Verbände, Ulkus-Strümpfe oder sogenannte Wrap-Bandagen-Systeme, die auch bei einem längerfristigen Einsatz wesentlich besser steuerbare Kompressionsdruckwerte erzielen, deutlich verbessert. Als weitere unterstützende Maßnahme kann zudem auch oft eine intermittierende pneumatische Kompressionstherapie (IPK) mit ein- oder mehrkammerigen Manschetten und einem Steuergerät genutzt werden.

Optimale Therapie des Ulcus cruris venosum

Nationale und internationale Studien zeigen, dass die Anwendung der Kompression bei der Therapie des Ulcus cruris stark vernachlässigt wird und dass der Nutzen der hydroaktiven Wundverbände nicht allen betroffenen Patienten zugutekommt. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig und reichen von Unkenntnis aufseiten der Ärzteschaft über die Budgetangst bis hin zu individuellen Erfahrungen, die einzelne Ärzte in ihrem Patientengut gemacht haben. Bei Patienten mit einem Ulcus cruris venosum ist es wichtig, dass sich die Kompressionstherapie an der jeweiligen Wundsituation orientiert (Abb. 4).

Die Stärke der anzulegenden Kompressionstherapie muss dem Behandlungsziel entsprechen und dem Behandlungsstadium angepasst sein. So unterscheidet man die Therapiephase der Behandlung mit Diagnostik der chronisch venösen Insuffizienz, Ödemreduktion und Ulkusheilung von der Erhaltungsphase mit der Ödemprävention und Ulkusheilung sowie Vermeidung eines Ulkusrezidivs. In der Therapiephase müssen Kompressionsverbände häufiger angelegt werden als in der Erhaltungsphase. Bei ausgeprägten Ödemen und zügiger Entstauung kann der Verband rutschen und muss im Einzelfall auch mehrfach täglich erneuert werden. In der Erhaltungsphase sollte das Ödem beseitigt sein. Bei fehlendem Ödem kann das Gewebe dem Verband weniger nachgeben und die Druckwirkung im Gewebe und an den Knochenkanten wie Tibia und oberes Sprunggelenk ist größer. Daher sollte in der Erhaltungsphase die Kompressionstherapie nur so stark sein, dass sich kein erneutes Ödem entwickeln kann. Bei einem floriden Ulcus cruris stellen Verbandstrümpfe bestehend aus einem Unterziehstrumpf, der den Wundverband fixiert, und einem klassischen Kompressionsstrumpf, der den Druck aufbringt, für viele Patienten eine sinnvolle und kostengünstige Übergangslösung dar. Sie haben auch den Vorteil, dass die Kompression nicht mit der Erfahrung des betreuenden Arztes bzw. der Pflegekraft jeden Tag schwankt, sondern gleichmäßiger wirken kann.

Diesem Heilungsprozess muss auch die Wundauflage folgen. Zu Beginn der Therapie muss sie viel Exsudat aufnehmen können, später weniger. Hier braucht der erfahrene Arzt nur wenige Wundauflagen, mit denen er sich auskennt. Von diesen wenigen Wundauflagen sollte er wissen, wie viel Exsudat sie aufnehmen können, in welchen Größen es sie gibt, ob es sie mit und ohne Kleberand gibt und wie man sie zeitweise auch kombiniert anwendet.


practica 2015 Bad Orb
Kurs Nr. 368
Prof. Dr. Knut Kröger: Abschied vom Ulkus in drei Schritten



Autor:

Prof. Dr. med. Knut Kröger

Initiative Chronische Wunden e. V.
Klinik für Gefäßmedizin
Helios Klinikum Krefeld
47805 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (1) Seite 26-28