Die häufigste Form einer Demenz ist die vom Alzheimertyp. In unserer aufgeklärten und gut informierten Gesellschaft führt die Angst vor kognitiven Defiziten verständlicherweise zu Verunsicherung und Ängsten. Betroffene und Angehörige stellen detaillierte Fragen nach Therapieansätzen, aber auch nach Möglichkeiten zur Prophylaxe. In diesem Beitrag sollen Vorschläge zur Vorbeugung einer demenziellen Entwicklung dargestellt werden mit besonderem Augenmerk auf die Ernährung.
Demenz stellt die häufigste Ursache für eine Einweisung in ein Alten- oder Pflegeheim dar und betraf im Jahr 2010 ca. 35,6 Millionen Menschen [27]. Dabei steigt die Prävalenz einer kognitiven Beeinträchtigung mit dem Alter.
Beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren
In der Pathogenese der verschiedenen Demenzformen werden nicht beeinflussbare und beeinflussbare Risikofaktoren unterschieden. Risikofaktoren sind u. a. die genetische Disposition (z. B. Polymorphismen für Apolipoprotein E), Inflammation, gesundheitliche Einflüsse in der Kindheit, vaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Dyslipidämien, Rauchen, Adipositas, Diabetes, oxidativer Stress und eine inadäquate Ernährung [3, 12, 16, 21, 8]. Weder der Alterungsprozess noch unsere Erbanlagen lassen sich beeinflussen. Allgemeine Herz-Kreislauf-Risiken wie z. B. Rauchen, Bluthochdruck und Dyslipidämien, Mangelzustände an Vitaminen, Spurenelementen oder nutritiv bedingter oxidativer Stress könnten beeinflussbare Ansätze sein.
Ernährungsstörungen und Demenz
Im Allgemeinen steigt die Zahl der Ernährungsprobleme mit der Versorgungsbedürftigkeit von Senioren. Sind nur 40 % der in Privathaushalten lebenden Senioren betroffen, so sind es im Pflegeheim bereits 60 %, in Akutkliniken und Rehabilitationseinrichtungen bereits 80 bzw. 90 % [28]. Zudem ist Mangelernährung eine Komorbidität der Demenz [32, 39]. Dabei geht der Gewichtsverlust der Diagnosestellung um Jahre voraus. Bei Diagnosestellung "Demenz" ist bereits knapp ein Drittel der Betroffenen mangelernährt. Nach Diagnosestellung verliert ein Drittel dieser Patienten weiter an Gewicht [24, 39]. Hierbei zeigt sich, dass der Body-Mass-Index (BMI) insbesondere für den Nachweis einer Sarkopenie nicht geeignet ist [28, 38]. Bessere Hinweise bietet die Messung der Handkraft und Gehgeschwindigkeit [28]. Ernährung kann somit ein wichtiges und zugleich beeinflussbares Bindeglied in der Prophylaxe, Therapie und Risikoreduktion einer demenziellen Entwicklung sein. Die Maßnahmen sollten für jeden leicht umsetzbar, präventiv und effizient sein [3]. Hierbei beschränkt sich die Forschung auf der Suche nach diätetischen Maßnahmen nicht auf die Ernährung im engeren Sinne. Sie folgt der Bedeutung des griechischen Wortes "diaita". Dieses würden wir mit Lebensweise, Lebensführung bzw. "Lifestyle" umschreiben [25].
- Demenz wird für die Bevölkerungsgruppe 65+ immer mehr zum Thema
- Ursachen der Demenz sind teilweise beeinflussbar
- „ Lifestyle“ steht im Fokus der aktuellen medizinischen Forschung
Keine Regel gilt für alle
Trotz einer Vielzahl von Studien und Reviews zur Therapie und Prophylaxe demenzieller Syndrome sind generelle Übersichten und allgemeingültige Regeln schwierig zu formulieren. Gründe sind u. a. geringe Studiengrößen, verschiedene Studiendesigns sowie regional unterschiedliche Lebens- und Ernährungsgewohnheiten und Prädispositionen der Studienteilnehmer. In höheren Dosen schädliche Stoffe wirken evtl. in geringen Dosen durch die Induktion einer Antioxidativa-Bildung protektiv (sog. Hormesistheorie) [29]. Gerade Ältere zeigen abhängig von den Lebensumständen (selbstständig oder in einer Pflegeheimeinrichtung) unterschiedlichste Mangelzustände [37], so dass theoretisch eine Vielzahl an Prophylaxemaßnahmen bzgl. ihrer antidementiven Wirkung getestet werden müssen.
Goldene Regeln für goldene Jahre
Im Rahmen der Literaturrecherche lassen sich die im Folgenden dargestellten Vorschläge für einen gesunden "Lifestyle" finden:
Fette und Fettsäuren
Die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Trans-Fetten (gehärtete Öle und Fette, Snackfood, Fertigprodukte und Frittiertes sowie tierische Fette wie z. B. in Fleisch und Milchprodukten [3]) sollte reduziert werden [3, 21, 4, 16]. Bereits eine inadäquate Ernährung in der Schwangerschaft und Jugend ist mit einem erhöhten Risiko für die kognitive Gesundheit assoziiert. Ob hier bereits eine Grundlage für kognitive Defizite gelegt wird, ist nicht belegt, Assoziationen mit der Fehlernährung Erwachsener werden jedoch beschrieben [16]. Trans-Fette erhöhen die Bildung von amyloidogenem Amyloid-Percursor-Protein und die Aggregation von Amyloid [21].
Wegen des antiinflammatorischen Effekts sollte zudem auf ein ausgewogenes Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren geachtet werden [21, 30]. Omega-3-Fettsäuren reduzieren das Risiko für Alzheimerdemenz und Tau-Proteinbildung, aber nicht den Progress einer bereits bestehenden Erkrankung [30]. Die essenziellen Fettsäuren Alpha-Linolensäure und Linolsäure wirken antiinflammatorisch [21] und sind u. a. in Soja und Fischöl zu finden [30].
Obst, Gemüse und Vitamine
Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst sollten anstelle von Fleisch gegessen werden [3]. Gerade pflegebedürftige Senioren essen zu wenig Obst, Gemüse und Getreideprodukte und zu viel Fleisch- und Wurstprodukte [34, 15]. Somit mangelt es ihnen an Vitaminen der Gruppen B, C, D, Folsäure, Kalzium und Ballaststoffen [15, 34, 3].
Ein Vitamin-D-Mangel betrifft eine Vielzahl der Menschen über 65 Jahre und ist mit einer schlechten kognitiven Leistung verbunden [2, 15, 30, 5]. Vitamin D soll den Abbau von Alzheimerplaques über das Protein Klotho vermitteln [1, 2]. Aus der Nahrung zugeführtes Vitamin E reduziert in einigen Untersuchungen das Risiko für ein kognitives Defizit. Supplemente können diese Wirkungen nicht hervorrufen. Nahrungsquellen für Vitamin E sind z. B. Oliven- und Rapsöl, Nüsse, Körner, Vollkornprodukte und Blattgemüse [3, 23].
Die B-Vitamine 1, 6 und 12 zeigen gute Korrelationen mit der kognitiven Leistung bei Mangelzuständen, die bei Senioren häufig übersehen werden [6, 12, 30, 34, 37]. Entsprechend angereicherte Nahrungsmittel und Spiegelkontrollen könnten als Teil der täglichen Diät diesem Mangelzustand begegnen [3, 5]. Folsäure per se hat keinen Einfluss auf die Kognition, beeinflusst jedoch die Homocysteinhomöostase. Sekundäre kognitive Vorteile werden diskutiert [2]. Der Progress einer demenziellen Entwicklung wird durch Vitamin-B12-, Folsäure- und Vitamin-B6-Substitution über einen Mangel hinaus jedoch nicht aufgehalten [5]. Vitamin-B-Quellen sind z. B. Gemüse, Vollkornprodukte und Nüsse sowie Milchprodukte [3].
Antioxidantien wie Vitamin C könnten den oxidativen Stress auf neuronale Zellen reduzieren. Zudem wird vermutet, dass Vitamin C die Umwandlung von Tocopherol alpha in Tocopherol gamma positiv beeinflusst. Über den Tagesbedarf hinaus zeigt Vitamin C keine Effekte auf die kogn. Leistungsfähigkeit [3, 5]. Vitamin-C-reiche Lebensmittel sind Kiwi, Broccoli, Paprika, Rosenkohl und frischer Orangensaft [3].
Metalle und Spurenelemente
Metalle wie Eisen und Kupfer, aber auch einige Spurenelemente sollten nur auf ärztliche Anordnung eingenommen werden, da diese die Bildung von Amyloidplaques beeinflussen und zu kogn. Defiziten führen können [3]. Kupfer, Eisen und Zink interagieren mit den Amyloidplaques und potenzieren deren Neurotoxizität [22]. Ein Mangel an Selen soll mit kognitivem Leistungsverlust einhergehen, die Studienergebnisse sind uneinheitlich [2, 30]. Empfohlene Tagesdosen von Vitaminen und Spurenelementen zeigt Tabelle 1.
Flavonoide
Flavonoide in roten Säften und Saftprodukten (Himbeer- oder Traubensäfte, Rotwein) zeigen antioxidative, neuroprotektive und antiinflammatorische Wirkungen [7, 14, 33, 35]. Polyphenole in Orangensaft bzw. Kakaoprodukten sollen ebenfalls eine antidementive Wirkung zeigen [13, 19].
Ginkgo
Spezielle Ginkgo-Biloba-Extrakte können laut Leitlinie für die symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen bei demenziellem Syndrom verwendet werden. Bei leichter bis mittelschwerer Demenz zeigen sich dosisabhängige Effekte bzgl. neuropsychiatrischer Symptome und bei den Aktivitäten des täglichen Lebens [11, 13, 17, 31, 36, 40].
Lifestyle
Aerobe Bewegung (drei- bis fünfmal pro Woche 40 Minuten) senkt das Demenzrisiko [3, 14, 15, 18, 20, 27]. Neben jeder Bewegung über dem Grundumsatz (Demenzrisiko sinkt um 28 %) zeigen Kombinationen aus kognitiver und körperlicher Aktivierung i. S. v. rhythmischen, musikunterstützten Trainingsverfahren (Dalcroze-Bewegung, Tanzen) eine Reduktion des Demenzrisikos um bis zu 76 % [18].
Stressvermeidung, regelmäßiger Schlaf (7 – 8 Stunden), Interesse für Neues und vielfältige soziale Kontakte unterstützen die Kognition positiv [3, 14].
- Essen Sie ausgewogen und meiden Sie Trans-Fette.
- Reduzieren Sie Fleisch zugunsten von Obst und Gemüse.
- Bewegen Sie sich drei- bis viermal pro Woche.
- Behandeln Sie kardiovaskuläre Risikofaktoren.
- Nehmen Sie sich bewusst Auszeiten.
- Bleiben Sie geistig und sozial aktiv.
Insgesamt bleibt zu sagen, dass durch ausgewogene Ernährung und Sonnenlichtexposition eine ausreichende Versorgung an Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen erreicht werden kann [10]. Dies ist jedoch häufig nicht gegeben [15, 37], so dass weitere Anstrengungen und Studien notwendig sind, um die Versorgung von Senioren zu verbessern und Mangelzustände, Komorbiditäten und Medikamenteninteraktionen in geeigneter Weise zu überwachen.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (20) Seite 18-21