Belastende Alpträume werden von ca. 5 % der Erwachsenen und Kinder berichtet. Häufig sind diese Patienten unterdiagnostiziert und werden nicht adäquat behandelt, obwohl sehr effektive Kurzinterventionen zur Verfügung stehen.

Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel aus der eigenen Praxis soll das Vorgehen veranschaulichen. Der Junge (5 Jahre alt) hatte seit über einem Monat jede Nacht Alpträume. Häufige Themen der Alpträume sind Gespenster, Schatten und schreckliche Monster. Ein spezifischer Auslöser für die Alpträume konnte nicht berichtet werden. Der Junge lag manchmal 1 bis 2 Stunden wach und benötigte Trost von seiner Mutter. Der Junge war etwas ängstlich; eine somatische Erkrankung oder psychopathologische Auffälligkeiten lagen jedoch nicht vor.

Der Junge malte ein eindrückliches Bild mit zwei großen Gespenstern (siehe Abb. 1). Er selbst befindet sich in einer Burg. Nach der Frage, was ihm helfen könnte, weniger Angst zu haben, malte er eine Spinne zwischen sich und die Gespenster, als Helfer. Die Mutter leitete ihren Sohn zu Hause an, weitere Zeichnungen zu diesem Themenbereich zu machen. Innerhalb der nächsten 2 Wochen traten massive Veränderungen auf: Obwohl die Themen der Träume ähnlich waren, waren die Traumbilder nicht mehr bedrohlich. Der Schlaf normalisierte sich. In der Nachbefragung (ein Jahr später) zeigte sich, dass noch ca. einmal pro Monat ein Alptraum auftrat; für einige dieser Träume hat er selbst Lösungen gefunden (z. B. die Anwendung eines Zaubersprays).

Alpträume sind definiert als gut erinnerbare Träume mit stark negativem Inhalt, die in der Regel zum Erwachen führen [1]. Typische Themen sind Fallen, Verfolgtwerden, Gelähmtsein, Zuspätkommen und Tod von nahestehenden Personen [2]. Klinisch werden die Alpträume abgegrenzt vom sogenannten Pavor nocturnus, auch als Nachtangst bezeichnet (siehe Tabelle 1).

Der markanteste Unterschied zwischen den beiden Phänomenen ist das Schlafstadium, in denen sie auftreten. Der Pavor nocturnus tritt im NREM-Schlaf auf, meist im Tiefschlaf ca. 1 Stunde nach dem Einschlafen. Obwohl die Angstreaktion massiv ist, die Person schreit und mit aufgerissenen Augen durch die Wohnung laufen kann, hat sie morgens keine Erinnerung an den nächtlichen Vorfall. Gelegentlich werden einzelne Bilder berichtet, Wände, die einen zerdrücken wollen, eine bedrohliche Figur, jedoch keine ausgeprägten Handlungsabläufe wie bei den Alpträumen. Bei den Alpträumen wird noch eine Differenzierung zwischen idiopathischen Alpträumen und posttraumatischen Alpträumen bzw. posttraumatischen Wiederholungen vorgenommen. Während man früher davon ausging, dass die Alpträume von Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung ein mehr oder weniger genaues Replay des erlebten Traumas sind, weiß man heute, dass die Übergänge fließend sind, d. h. diese Personengruppe, aber auch Personen ohne ein Vollbild der posttraumatischen Belastungsstörung können sowohl Alpträume mit direktem Bezug auf das Trauma haben als auch Alpträume ohne Bezug [3]. Da gelegentliche Alpträume von fast allen Menschen in bestimmten Phasen ihres Lebens berichtet werden [4], stellt sich die Frage, wann eine Diagnostik und Behandlung notwendig ist. Aus diesem Grund ist die Abgrenzung zwischen Alpträumen und Alptraumstörung sehr wichtig. Nach dem ICSD-3 liegt eine Alptraumstörung dann vor, wenn Alpträume so häufig auftreten, dass die Tagesbefindlichkeit und/oder die Schlafqualität beeinträchtigt sind [1]. Typische Symptome sind Beeinträchtigung der Stimmung, der Konzentration an Tagen nach Alpträumen [5], die Angst vor dem Einschlafen und eine subjektiv stark herabgesetzte Schlafqualität – auch in Nächten ohne Alpträume. Als Faustformel gilt, dass eine Alptraumstörung sehr wahrscheinlich ist, wenn Alpträume einmal pro Woche oder häufiger auftreten. Bei Kindern ist die Angst vor dem Zubettgehen (Angst, Alptraum könnte wiederkommen) ein wichtiger Hinweis auf die Belastung durch die Alpträume.

Häufigkeit von Alpträumen und Einflussfaktoren

Auch wenn für Kinder wenige Daten zu der Prävalenz der Alptraumstörung vorliegen, kann man auch hier von einem ähnlichen Prozentsatz wie bei Erwachsenen ausgehen [6]. Der Pavor nocturnus tritt gelegentlich bei ca. 20 % aller Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren auf, die Prävalenz einer behandlungsbedürftigen Störung liegt unter 1 %, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen [6].

Erklärungsmodelle für Alpträume

Für die Entstehung von Alpträumen wird ein Veranlagungsstress-Modell angenommen (siehe Tabelle 2). Zwillingsstudien belegen einen genetischen Einfluss [9], spezifische genetische Analysen stehen allerdings noch aus. Der amerikanische Schlafforscher Ernest Hartmann hat die Persönlichkeit von Personen mit Alpträumen untersucht und dabei das Konzept der "Dünnen Grenzen" entwickelt. Im deutschen Sprachraum könnte man "dünnhäutig" dazu sagen, kreative und sensible Personen leiden häufiger unter Alpträumen. Von den großen 5 Persönlichkeitsmaßen ist vor allem der Neurotizismus mit der Alptraumhäufigkeit verbunden, allerdings zeigte sich in einer studentischen Stichprobe, dass das aktuelle Stressniveau von größerer Bedeutung ist, d. h. Personen mit hohen Neurotizismuswerten erleben aktuell mehr Stress und haben deshalb vermehrt Alpträume [10]. Auch bei Kindern sind Stressoren, vor allem im familiären Bereich, von Bedeutung [11]. Neben dem Zusammenspiel von Veranlagungsfaktoren und aktuellen Stressoren spielt auch das Erleben von Traumata bei der Entstehung von Alpträumen eine wichtige Rolle.

Im klinischen Alltag ist wichtig zu beachten, dass es mehrere Medikamentenklassen gibt, z. B. Antidepressiva, vor allem Serotoninwiederaufnahmehemmer, Hypertensiva, L-Dopa-Präparate und Antidementiva, die Alpträume als mögliche Nebenwirkung aufweisen [13].

Ein wichtiger aufrechterhaltender Faktor ist die Vermeidung. In einer repräsentativen Studie gaben 75 % an, dass sie versuchen, die Alpträume möglichst schnell wieder zu vergessen [2]. Auch wenn das zunächst nachvollziehbar ist, zeigen viele Studien, dass das konstruktive Auseinandersetzen eine effektive Möglichkeit zur Bewältigung ist, das gilt nicht nur für Alpträume, sondern auch für andere Angststörungen wie Tierphobien, Flugangst und Agoraphobie [6].

Behandlung von Alpträumen

Gebräuchliche Medikamente wie Benzodiazepine oder trizyklische Antidepressiva stellen keine wirkungsvolle Therapieform dar [16]. Lediglich für die Substanz Prazosin ergab sich ein positiver Effekt bei der Behandlung von posttraumatischen Alpträumen [17]. Demgegenüber zeigt eine stetig wachsende Zahl von Studien, dass psychologische Kurzinterventionen sehr effektiv die Alptraumhäufigkeit senken können [18]. Hier ist vor allem die sogenannte "Imagery Rehearal Therapy", hervorzuheben [19]. Im deutschen Sprachraum existiert ein Manual für eine Kurzzeittherapie [20]. Sowohl idiopathische Alpträume als auch posttraumatische Alpträume sprechen positiv auf die Therapie an [18], auch eine komorbide Alptraumstörung im Rahmen einer depressiven Erkrankung [20]. Ebenso gibt es Hinweise auf die therapeutische Wirksamkeit dieser Intervention bei Kindern [21]. Das Grundprinzip dieser Therapieform ist in Tabelle 3 dargestellt. Das Besondere bei den Alpträumen ist, dass sie komplett in der Vorstellung durchgeführt wird, deshalb die Bezeichnung "Imagery". Im ersten Schritt wird die Person ermuntert, sich der im Alptraum erlebten Angst oder den anderen unangenehmen Gefühlen zu stellen; am einfachsten geschieht das durch Aufschreiben (Erwachsene) oder Zeichnen der wichtigsten Traumszene (Kinder). Der erste Impuls wird gesetzt, der Vorsatz, nicht mehr zu vermeiden, sondern sich aktiv mit den Themen auseinandersetzen zu wollen, wird betont. Im zweiten Schritt wird dann versucht, eine "Lösung" für die Alptraumsituation zu finden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Lösung konstruktiv ist, so ist z. B. weg fliegen, sich verstecken oder auch die Eskalation von Gewalt nicht zu empfehlen. Einige Ansätze sind, sich z. B. dem Verfolger zu stellen, sich Helfer vorzustellen; allerdings wird – gerade in der Arbeit mit Kindern – darauf geachtet, keine Anregungen von außen zu geben, sondern das kreative Potenzial der Person selbst zu wecken. Kinder werden angeleitet, die "Lösung" in die Zeichnung einzufügen. Diese neue Bewältigungsstrategie für den Traum wird dann über 2 Wochen einmal pro Tag ca. 5 bis 10 Minuten eingeübt. Nachfolgestudien zeigten auch, dass nicht nur die bearbeiteten Alpträume abnahmen, sondern auch Alpträume mit anderen Themen, weil dieser Ansatz das Grundprinzip "Angst haben heißt suchen nach Bewältigungsmöglichkeiten" einübt. Eine ungefähre Schätzung ist, dass ca. 70 % aller Patienten von dieser einfachen Behandlungsmethode profitieren können.

Tipps für die Praxis

Da die "Imagery Rehearsal"-Methode sehr einfach ist und von den Betroffenen oder den El-tern selbst angewendet werden kann, soll hier das praktische Vorgehen kurz dargestellt wer-den. Was ist zu tun, wenn nachts ein Alptraum auftritt: Erwachsenen ist zu empfehlen, Licht anzumachen, wenn möglich den Alptraum jemanden zu erzählen und erst nach ca. 10–15 Minuten sich wieder zum Schlafen hinzulegen. Das hat den Grund, dass bei sofortigem Weiterschlafen (wenn es möglich ist) die REM-Phase fortgesetzt wird und der Alptraum weitergehen kann. Kinder sollten so lange getröstet werden, bis sich die Angst gelegt hat und das Kind wieder einschlafen kann. Manchmal ist es sinnvoll, eine "Realitätsprüfung" zu machen, besonders wenn der Traum sehr real erlebt wurde, z. B. ein Krokodil unter dem Bett. Das Trösten kann am Bett des Kindes geschehen oder auch im Bett der Eltern.

Erst am nächsten Tag wird die "Imagery Rehearsal"-Methode (siehe Tabelle 3) angewendet. Welcher Alptraum ausgewählt wird, spielt keine Rolle, da es um das Erlernen der Einstellung (Konfrontation, Bewältigung, Einüben) geht und sich positive Effekte auch auf andere Themen übertragen. Das Einüben sollte 2 Wochen lang mit einer Traumlösung durchgeführt werden. Danach kann ein neuer Traum ausgewählt werden, falls dies notwendig ist. Nach zwei- bis dreimaliger erfolgloser Anwendung des Ansatzes ist es sinnvoll, professionelle Hilfe (Psychologische PsychotherapeutInnen der Fachrichtung Verhaltenstherapie) in Anspruch zu nehmen.


Literatur:
1. American Academy of Sleep Medicine. The international classification of sleep disorders. (ICSD-3). Darien, IL: AASM; 2014.
2. Schredl M. Nightmare frequency and nightmare topics in a representative German sample. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2010;260:565-70.
3. Wittmann L, Schredl M, Kramer M. The role of dreaming in posttraumatic stress disorder. Psychother Psychosom. 2007;76:25-39.
4. Schredl M, Berres S, Klingauf A, Schellhaas S, Göritz AS. The Mannheim Dream questionnaire (MADRE): Retest reliability, age and gender effects. Int J Dream Res. 2014;7:141-7.
5. Köthe M, Lahl O, Pietrowsky R. Habituelle Stressverarbeitung, Befindlichkeit und Verhalten nach Alpträumen. Z Klin Psychol Psychother. 2006;35:306-13.
6. Stuck BA, Maurer JT, Schredl M, Weeß H-G. Praxis der Schlafmedizin. 2. Auflage ed. Heidelberg: Springer; 2013.
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10. Schredl M. Effects of state and trait factors on nightmare frequency. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2003;253:241-7.
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16. Spoormaker VI, Schredl M, Van den Bout J. Nightmares: from Anxiety Symptom to Sleep Disorder. Sleep Med Rev. 2006;10:19-31.
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18. Hansen K, Höfling V, Kröner-Borowik T, Stangier U, Steil R. Efficacy of psychological interventions aiming to reduce chronic nightmares: A meta-analysis. Clin Psychol Rev. 2013;33(1):146-55.
19. Krakow B, Zadra A. Clinical management of chronic nightmares: Imagery Rehearsal Therapy. Behav Sleep Med. 2006;4:45-70.
20. Thünker J, Pietrowsky R. Alpträume - Ein Therapiemanual. Göttingen: Hogrefe; 2011.
21. St-Onge M, Mercier P, De Koninck J. Imagery rehearsal therapy for frequent nightmares in children. Behav Sleep Med. 2009;7:81-98.


Autor:

Prof (apl.), Dr. phil., Dipl. Psych., Dipl. Ing. Michael Schredl

Schlaflabor, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Postfach 12 21 20, 68072 Mannheim

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (19) Seite 36-40