Der Zustrom von Asylbewerbern stellt das Gesundheitswesen vor große Probleme. Die Versorgung und Erstuntersuchung so vieler Menschen in kurzer Zeit fordert die Kräfte von Ärzten und Mitarbeitern. Und die Abrechnung von Leistungen folgt ihren eigenen Gesetzen.

Versicherungsschutz für die ärztliche Betreuung von Flüchtlingen

Die Deutsche Ärzteversicherung hat aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation beschlossen, Ärzten, die ambulante Behandlungen von Flüchtlingen vornehmen, Versicherungsschutz in der Berufshaftpflichtversicherung zu garantieren. Dies gilt für alle laufenden Berufshaftpflichtverträge. Auf Wunsch wird eine entsprechende Versicherungsbestätigung ausgestellt, wobei diese Regelung auch ohne explizite Bestätigung für alle versicherten Ärzte gilt.

Der Versicherungsschutz gilt sowohl für privatrechtliche Ansprüche als auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche des jeweiligen Bundeslandes bei grob fahrlässigem Verhalten des Behandelnden. Nach derzeitigen Überlegungen der Bundesländer sollen Ärzte und Zahnärzte, die sich bereits in Rente befinden, für die ambulante Behandlung auf ehrenamtlicher Basis eingesetzt werden. Nordrhein-Westfalen hat hierzu festgestellt, dass hier das Staatshaftungsrecht anzuwenden ist und Ansprüche somit gegen das Land zu richten sind. Bei grober Fahrlässigkeit kann das Land Rückgriff auf den Arzt und Zahnarzt nehmen. Die Berufshaftpflicht-Versicherungsverträge der Deutschen Ärzteversicherung bieten auch in diesen Fällen Versicherungsschutz. Weitere Informationen unter Tel. 0221/14822700 bei der Deutschen Ärzteversicherung.

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen und der Versorgung von Asylbewerbern, die bereits in den Kommunen untergebracht sind. Bei der Erstuntersuchung nach § 62 Asylverfahrensgesetz geht es darum, die anderen Bewohner der Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft und die Allgemeinheit vor übertragbaren Krankheiten zu schützen. Die Erstuntersuchungen sollten vom zuständigen Gesundheitsamt bei jedem Asylbewerber innerhalb der ersten drei Tage nach dessen Ankunft durchgeführt werden. Aufgrund der hohen Anzahl täglich eintreffender Asylbewerber hat z. B. das Bayerische Gesundheitsministerium die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns um Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gebeten; die Vergütung erfolgt über Honorarverträge. Auch in anderen Bundesländern werden für diese Aufgaben Ärzte gesucht. Die anschließende Versorgung von Asylbewerbern, die in den Kommunen untergebracht sind, obliegt den niedergelassenen Ärzten.

Auf welche Leistungen haben Asylbewerber Anspruch?

Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben im Vergleich zu gesetzlich Krankenversicherten einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Versorgung. Der Behandlungsanspruch wurde vom Gesetzgeber in § 4 AsylbLG auf folgende Sachverhalte begrenzt:
  • Ärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie Gewährung sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen.
  • Gewährung von ärztlicher und pflegerischer Hilfe und Betreuung, von Hebammenhilfe sowie von Arznei-, Verbandmitteln für Schwangere und Wöchnerinnen.
  • Verabreichung aller amtlich empfohlenen Schutzimpfungen.
  • Vorsorgeleistungen nach den einschlägigen Früherkennungsrichtlinien sind im Einzelfall zulässig, wenn dies für den jeweiligen Patienten individuell medizinisch begründet wird (bitte in Praxisdokumentation hinterlegen).

Das Robert Koch-Institut
hat eine Übersicht von akut behandlungsbedürftigen, ungewöhnlichen Infektionskrankheiten veröffentlicht, die bei Asylsuchenden auftreten können ("Medizinische Sonderfälle bei der Behandlung von Asylbewerbern"). Diese Übersicht ist im Internet zu finden unter www.rki.de ( http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2015/Ausgaben/38_15_Artikel_Asylsuchende.pdf?__blob=publicationFile ).

Asylbewerbern können nach § 6 AsylbLG auch Leistungen gewährt werden, die über die Akutversorgung hinausgehen (Überweisung an einen Facharzt), wenn diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Eine solche Behandlung muss allerdings vorab von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Zuständige Behörden sind in der Regel die Sozialämter der Stadt oder Gemeinde, in der der Asylbewerber registriert ist.

Abrechnung

Damit ein Arzt die Behandlung nach § 4 AsylbLG abrechnen kann, muss ein gültiger Behandlungsschein vorliegen. In Unterbringungseinrichtungen sind die Scheine in der Regel bei der Heimleitung erhältlich. Asylbewerber, die im Laufe des Verfahrens auf Städte und Gemeinden verteilt wurden, bekommen den Behandlungsschein beim Sozialamt der jeweiligen Stadt oder Gemeinde.

Auf dem Schein müssen folgende Daten angegeben sein: Name, Vorname und Geburtsdatum des Patienten, seine aktuelle Anschrift sowie die fünfstellige Kassennummer der Sozialhilfeverwaltung. Vor der Behandlung müssen sich Ärzte diesen Schein vorlegen lassen und ihn auf Vollständigkeit überprüfen.

Die KV Hessen gibt folgende praktische Hinweise zur Abrechnung:
  • Grundlage für Leistungserbringung und Abrechnung ist der EBM.
  • Nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) besteht Behandlungsanspruch, wenn eine Erkrankung entweder akut oder schmerzhaft ist. Dies gilt auch für chronische Erkrankungen, wenn die Unterlassung der Behandlung dazu führen könnte, dass die Erkrankung akut wird und der Patient dadurch gefährdet wird (zum Beispiel eine Hypertonie, Diabetes).
  • Schwangere haben den gleichen Anspruch wie gesetzlich Versicherte (alle Vorsorgeuntersuchungen, Entbindung, Hebammenhilfe, etc.).
  • Auch wenn es nach den einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben kein Genehmigungserfordernis für die Durchführung einzelner EBM-Leistungen gibt, empfiehlt es sich dennoch, Zweifelsfälle mit dem Sozialamt zu klären, welches den Behandlungsausweis ausgestellt hat.

Verschreibungen

Alle Arznei- und Verbandmittel, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände benötigt werden, sind verordnungsfähig. Asylbewerber sind grundsätzlich von der Zuzahlung befreit. Impfstoffe müssen auf den Namen des Patienten auf Kassenrezept zu Lasten des Sozialhilfeträgers verordnet werden; die Impfstoffe dürfen nicht dem Sprechstundenbedarf entnommen werden. Wenn Asylbewerber Heilmittel, Brillen, orthopädische oder andere Hilfsmittel benötigen, muss zunächst eine Genehmigung des Sozialhilfeträgers eingeholt werden.

Behandlung im Notfall
Bei einer Behandlung im Notfall wird das Muster 19 (Notfall-/Vertreterschein) verwendet. Wichtig ist, dass eine sofortige Eilanzeige der Notfallbehandlung beim zuständigen Sozialamt (14-Tage-Frist) gestellt wird.

Sprachbarrieren

Bei Verständigungsschwierigkeiten können Ärzte beim zuständigen Sozialhilfeträger formlos einen Dolmetscher anfordern. Die Kosten hierfür übernimmt der Sozialhilfeträger. Als Versichertenstatus gibt der Arzt einheitlich M (Mitglied) an.

Auf der Seite der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ( http://www.kvhessen.de ) stehen verschiedene Anamnesebögen in unterschiedlichen Sprachen zum Download bereit ( http://www.kvhessen.de/fuer-unsere-mitglieder/unternehmen-praxis/versorgung-von-fluechtlingen ).

Werner Enzmann


Quellen:
Bayerischer Hausärzteverband, Deutsche Ärzteversicherung, KV Hessen, Robert Koch-Institut

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (17) Seite 70-71