Ein Dekubitus entsteht in erster Linie durch lokale Druckbelastungen. In den meisten Fällen entwickeln sich die typischen Gewebeschäden, weil der Betroffene die eigene Position nicht mehr aktiv ändern kann, manchmal auch aufgrund einer gestörten sensorischen Druckempfindung. Dabei kommt sowohl der Dauer als auch der Stärke der Druckbelastung eine Bedeutung zu.

Die Entstehung eines Dekubitus ist ein komplexes Geschehen. Die einfache Vorstellung, dass jeder Dekubitus mit einer Hautrötung im Sinne eines Grad I beginnt und sich dann bei fortgesetzter Druckbelastung in die Tiefe entwickelt, ist nicht richtig.

Je nach Höhe des Drucks, der Druckverteilung und dem aktuellen Versorgungszustand des Gewebes kann auch primär ein Druckschaden in der tiefen Muskulatur auftreten, in dessen Folge das darüberliegende Fett- und Hautgewebe zugrunde geht (Abb. 1).

Ein solcher Dekubitus entwickelt sich also in genau umgekehrter Richtung aus der Tiefe an die Oberfläche. Das Tückische dabei: Eine solche tiefe Veränderung kann optisch nicht wahrgenommen werden. Sie erfordert die frühzeitige Palpation des Gewebes, um Änderungen der Elastizität festzustellen.

Für die Vermeidung und Behandlung eines Dekubitus ist es wichtig, dessen Entstehung als Prozess zu begreifen. Die Druckbelastung muss erkannt und vermieden bzw. beseitigt werden. Aber die Druckbelastung, die bei dem einen Patienten noch als tolerabel galt und gut vertragen wurde, kann bei dem anderen Patienten schon zu viel sein. Um dies zu erkennen und in der Behandlung und Pflege mit zu berücksichtigen, ist die individuelle Betrachtung jedes einzelnen Patienten notwendig.

Dekubitus versus feuchtigkeitsbedingte Läsion

Sowohl ein Dekubitus Grad I als auch eine feuchtigkeitsbedingte Hautläsion können sich als Rötung der Haut zeigen. Anhaltspunkte dafür, worum es sich bei einer entsprechenden Hautveränderung handelt, liefern die Lokalisation der betroffenen Körperstelle und die klinischen Befunde des Betroffenen.

Eine hundertprozentige Abgrenzung zwischen Dekubitus Grad I als nicht wegdrückbare Hautrötung und feuchtigkeitsbedingter bzw. inkontinenzassoziierter Hautläsion ist nicht in allen Fällen möglich. Ob Druck oder Feuchtigkeit zur Hautschädigung geführt hat, bestimmt aber wiederum die therapeutischen Maßnahmen. Wichtig ist, dass man den Verlauf, also die Entwicklung der betroffenen Körperstelle, eng beobachtet, um die Behandlungs- und Versorgungsstrategie ggf. anpassen zu können.

Mazeration oder Dermatitis

Eine Mazeration oder auch eine beginnende Dermatitis sollte durch ein optimiertes Feuchtigkeitsmanagement innerhalb weniger Tage eine klinische Besserung zeigen. Je ausgeprägter die Dermatitis, desto wichtiger ist die Hinzuziehung eines Dermatologen. So kann eine Verschlechterung des Hautbildes, das entweder einen Dekubitus vortäuscht oder zumindest seine Entwicklung begünstigt, verhindert werden. Weder eine Mazeration noch eine Dermatitis profitieren von einer feuchten Wundbehandlung. Neben der Behandlung der Dermatitis ist aber für eine adäquate Druckverteilung und -entlastung (Einsatz Weichlagerungsmatratze und Positionsunterstützung) zu sorgen, da das erkrankte Gewebe zusätzlich dekubitusgefährdet ist.

Ausdehnung des Dekubitus

In der Wundbehandlung hat sich die Fotodokumentation zunehmend durchgesetzt. Sie erlaubt es, den Befund nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies ist wichtig für die Abrechnung sowohl im stationären als auch im häuslichen Bereich und hält gleichzeitig den Heilungsverlauf fest. Beim Dekubitus liegen im Gegensatz zu vielen anderen Wunden häufig große seitliche Wundhöhlen vor, die durch eine einfache Fotodokumentation nicht erfasst werden können. Auch das einfache Vermessen von Länge, Breite und Tiefe der Wunde spiegelt die Realität nicht ausreichend wider. Es gibt keine allgemein anerkannte Form der Fotodokumentation eines tiefen oder unterminierenden Dekubitus. Wir empfehlen ein vorsichtiges Austasten oder Auslitern der Wundhöhlen, die Einzeichnung auf einer auf der Haut aufgebrachten Folie (Abb. 2) und das Fotografieren der Folie auf der Haut. So kann zumindest die Flächenausdehnung recht zuverlässig erfasst werden. Anhand der Uhrenmethode kann das Ausmaß der Wundhöhle schriftlich dokumentiert werden.

Fehlende Heilung eines Dekubitus

Bei fehlender Heilung eines Dekubitus, deren Ursache nicht sicher erklärbar ist, ist eine schrittweise Intensivierung der Positionsunterstützungsintervalle und der Druckverteilung/-entlastung durchzuführen. Darüber hinaus muss nach anderen möglichen Ursachen für die fehlende Wundheilung gesucht werden. Die Wahl der Wundauflage kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

Wichtig ist auch hier: Dokumentieren Sie die durchgeführten Maßnahmen einschließlich Hautbeobachtung, den Lagerungsplan einschließlich Änderungen, die sich aus der Hautbeobachtung ergeben, und den Hilfsmitteleinsatz. Sprechen Sie mit den Betroffenen bzw. ihren Angehörigen/Bezugspersonen über die von Ihnen durchgeführten Maßnahmen und eingesetzten Hilfsmittel. Wenn von außen betrachtet der Eindruck entsteht, Sie würden nichts tun, und es entwickelt sich dann ein Dekubitus, kann es schnell zu Schuldzuweisungen seitens der Angehörigen/Bezugspersonen und seitens der Krankenkasse kommen.

Wurden alle Möglichkeiten, Maßnahmen und Mittel des Dekubitusmanagements in Prophylaxe und Therapie nach aktuellem Stand medizinisch-pflegerischer Wissenschaft und Technik genutzt bzw. um- und eingesetzt, muss man leider davon ausgehen, dass sich der Dekubitus schicksalhaft entwickelte bzw. seine Heilung schicksalhaft verzögert ist.

Fußdekubitus

Ein noch so kleiner Fußdekubitus endet bei älteren bettlägerigen Patienten manchmal in der Oberschenkelamputation. Die Entwicklung von Fußdekubitus zu verhindern, stellt nicht immer eine einfache Aufgabe dar. Bei immobilen Patienten reicht es aus, mit Hilfe eines Kissens oder einer Positionierungshilfe die Fersen frei zu lagern (Abb. 3 A – C). Es ist dabei darauf zu achten, dass sich das Gewicht auf den gesamten Unterschenkel verteilt, ohne dass dort die Gefahr eines Dekubitus entsteht. Dies lässt sich sehr einfach durch gerollte Handtücher oder Positionierungshilfen aus druckverteilendem/-entlastendem Schaumstoff bewerkstelligen. Es ist aber auch darauf zu achten, dass die Fußsohlen, vor allem der Bereich des Vorfußes, nicht über einen längeren Zeitraum an das Fußbrett stoßen. Dazu muss verhindert werden, dass der Patient im Bett nach unten rutscht. Möglich ist zum Beispiel, dem Patienten ein gerolltes Handtuch oder eine entsprechend flache Positionierungshilfe aus Schaumstoff als sogenannte Rutschbremse vor die Sitzbeinhöcker zu platzieren. Eine solche Rutschbremse kann jedoch nicht über Stunden dort belassen werden, da sich auch hier bei zu langer Nutzung Druckgeschwüre entwickeln könnten.

Dekubitus-Stadien
Stadium I: Bei Fingerdruck nicht abblassende, umschriebene Hautrötung bei intakter Haut, evtl. verbunden mit Ödembildung, Verhärtung und lokaler Überwärmung.

Stadium II: Schädigung der Haut bis hin zu Anteilen der Dermis, klinisch als Blase, Hautabschürfung oder flaches Geschwür imponierend.

Stadium III: Schädigung der Haut bis in das subkutane Gewebe, die bis auf den darunterliegenden Muskel reichen kann.

Stadium IV: Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder unterstützenden Sehnen und Gelenk­kapsel.

Nestelnde demente oder delirante Patienten lassen ihre Füße nicht auf einem Kissen oder gerollten Handtuch liegen. Mit ihnen sollte zunächst körperbildorientierend gearbeitet werden, um dem Patienten die notwendige, sensorische Stimulation zu bieten. Wird der Patient ruhiger, kann nachfolgend eine Fersenfreilagerung erfolgen. Nestelt der Patient trotz der stimulierenden Pflege weiterhin, kann der Einsatz von hochwertigen Fersenschonern sinnvoll sein.

Lagerung und was noch?

Sowohl die Dekubitusprophylaxe als auch die Therapie eines manifesten Dekubitus erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise. So banal wie es klingt, aber dekubitusgefährdete Patienten sollten regelmäßig gewogen werden, um eine schleichende Gewichtsabnahme als Hinweis auf eine Mangelernährung zu erkennen. Eine solche Mangelernährung leistet durch Abbau von Polsterfett einer Dekubitusentwicklung Vorschub und stört die Heilung eines bereits vorhandenen Dekubitus. Da es zu Hause keine Bettwaagen gibt, kann auch die Bestimmung der Hautfaltendicke hilfreich sein.

Die nationalen und europäischen Dekubitus-Leitlinien empfehlen bei chronischen Wunden eine Energiezufuhr von 30 bis 35 kcal/kg Körpergewicht täglich. Untergewichtige Personen brauchen zusätzliche Kalorien, um weiteren Gewichtsverlust zu verhindern bzw. um verlorenes Gewicht wiederzuerlangen. Hier wird ein Energiebedarf von 35 bis 40 kcal/kg Körpergewicht angegeben. Bei bestehendem Dekubitus erhöht sich der absolute Energiebedarf des betroffenen Menschen.

Analysen der Ernährungsgewohnheiten sind wichtig, um festzustellen, im Bereich welcher Makro- bzw. Mikronährstoffe Defizite bestehen. Nur so kann die Ernährung passend auf die Wundheilung abgestimmt werden. Es gelten die Regeln für gesunde Ernährung. Eine stark exsudierende Wunde hat einen zusätzlichen Proteinbedarf zur Substitution des Verlusts. Der Bedarf lässt sich berechnen. Ernährungsbedürfnisse müssen nicht immer zu diesen Berechnungen passen. Verzehrmengen zu berechnen und zu planen ist relativ einfach. Die angebotenen Mengen zu wirklichen Verzehrmengen zu machen, ist oft weitaus schwieriger. Hier ist viel Empathie notwendig.


Literatur:
Möller-Woltemade N, Schilbach M, Gerber M, Kröger K.: Dekubitusmanagement – Umfassende und praxisorientierte Arbeitshilfe, Verlag Mensch und Medien GmbH 2015, ISBN 978-3-86283-021-3


Autor:

Prof. Dr. med. Knut Kröger

Initiative Chronische Wunden e.V.
Klinik für Gefäßmedizin
Helios Klinikum Krefeld
47805 Krefeld

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (16) Seite 26-30