Unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit versteht man ein Krankheitsbild, das im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auftritt. Die Symptomatik ist vielgestaltig und es gibt unterschiedliche Ursachen. Wie geht man als Hausarzt mit dem Thema Nahrungsmittelunverträglichkeit um? Was kann man selbst diagnostizieren, wann ist die Einbindung eines spezialisierteren Kollegen bzw. die stationäre Abklärung erforderlich?

Fallbericht
Die 48-jährige Patientin stellte sich mit Blähungen, Durchfällen und Müdigkeit vor. Ultraschall und Darmspiegelung sowie die bisherige Labordiagnostik waren unauffällig. Die Patientin gab an, unter einer Histaminintoleranz zu leiden, das hätte ein Test gezeigt.

Hierbei handelte es sich um einen Prick-Test, bei dem verschiedene Allergene, zumeist inhalative wie Birke, Gräser, Pollen usw., in Tropfenform auf den Unterarm aufgetragen und mit einer Nadel bzw. Lanzette in die Haut eingestochen werden.

Das Ergebnis, im positiven Fall eine Quaddelbildung, wird mit Histamin und einer wässrigen Lösung verglichen, die als Kontrolle ebenfalls aufgetragen werden. Histamin wird hierbei immer positiv sein, die wässrige Lösung nicht.

Die Diagnose einer Histaminintoleranz beruhte in dem Fall also auf einem Irrtum. Die Patientin hatte sich den Befund nicht vom Hautarzt erklären lassen, sondern war mit der vermeintlichen Diagnose zufrieden. Die weitere Abklärung ergab als Ursache der geklagten Beschwerden eine Fruktosemalabsorption.

Unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit (NMU) leiden in westlichen Industrieländern bis zu 20 % der Bevölkerung. Entsprechend sind die NMU auch ein zunehmendes Problem in der Praxis. Die Symptomatik ist oftmals diffus und die Diagnostik nicht selten zeitaufwendig. Während sich Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption, die klassische Zöliakie oder eine Nahrungsmittelallergie noch gut abgrenzen lassen, so handelt es sich bei der Histaminintoleranz oder Glutensensitivität um Krankheitsbilder, die sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten für Verwirrung sorgen. Wichtig ist, sich zunächst die Systematik der NMU vor Augen zu führen (Abb. 1.)

Besteht überhaupt ein Zusammenhang mit der Ernährung ?

Zunächst die wichtigste Frage: Stehen die vom Patienten angeführten Beschwerden tatsächlich im Zusammenhang mit der Ernährung? Die Verdachtsdiagnose einer Laktoseintoleranz dürfte aufgrund der leicht erkennbaren abdominellen Symptomatik (Blähbauch, Bauchschmerzen, Durchfall) nach Aufnahme von Milch und Milchprodukten keine Schwierigkeiten bereiten. Sie ist von einer Milcheiweißallergie abzugrenzen, bei der die Beschwerden häufig stärker ausgeprägt sind. Im Gegensatz hierzu können die Symptome bei der Zöliakie sehr unterschiedlich sein, nicht umsonst wird die Diagnose spät oder gar nicht gestellt [2]. Ergibt die Befragung keine verwertbaren Hinweise, lässt man den Patienten ein Ernährungstagebuch oder -protokoll führen.

Handelt es sich um Verdauungsprobleme wie Blähungen, Bauchkrämpfe oder Durchfall, wie sie bei einer NMU erwartbar wären? Oder treten Hauterscheinungen auf, Gesichtsrötung, Kopfschmerzen, Kratzen im Hals, was auf eine allergische Ursache hindeuten könnte? Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, leichte Erschöpfbarkeit werden nicht selten geklagt und können ein Hinweis auf eine Depression oder somatoforme Störung sein [15].

Viele Patienten interpretieren den Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und Beschwerden als eine "Allergie". Nahrungsmittelallergien machen jedoch nur 2 bis 5 % der NMU aus. Viel eher sollte der Arzt neben der bereits erwähnten Laktoseintoleranz an die sehr häufige Fruktosemalabsorption denken, die neben einer gastrointestinalen Symptomatik besonders zu unspezifischen Beschwerden führt [6].

Was kann der Hausarzt tun?

In einer Hausarztpraxis wird das Fundament für alle weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen errichtet. Eine fachübergreifende Kooperation (Gastroenterologie, Dermatologie, Allergologie, HNO) ist dabei in der Regel notwendig.

Die Basisdiagnostik beinhaltet gängige Parameter, die über eine Blutabnahme erfasst werden, wie z. B. Blutbild, Schilddrüsenwerte, Transaminasen, Lipase usw., und auf Störungen hinweisen, die differenzialdiagnostisch infrage kommen können. Darüber hinaus gibt es wenige richtungsweisende Laborwerte, die in der Diagnostik einer NMU eine Rolle spielen.

Allergietests

Prick-Test und spezifische IgE-Bestimmung (sIgE, mittels RAST) in der Allergiediagnostik sind grundsätzlich gleichwertig [14].

Der Prick-Test ist kostengünstiger, leicht zu handhaben und wird vorwiegend zur Testung inhalativer Allergene eingesetzt. In der Praxis ist die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen häufige Nahrungsmittelallergene gut geeignet, um eine Nahrungsmittelallergie (NMA) nachzuweisen. Einschränkend können laut derzeit geltendem EBM pro Behandlungsfall/Quartal bei Erwachsenen neun Allergene bzw. acht Allergene plus Gesamt-IgE bestimmt werden. Mischungen oder Allergiescreens (z. B. FX5) gelten als ein Allergen.

Ein hohes Gesamt-IgE ist für das Vorliegen einer Allergie nicht beweisend, andererseits schließt ein normales Gesamt-IgE eine Allergie nicht aus [2, 3]. Ist der Zusammenhang der angeführten Beschwerden mit der Nahrungsaufnahme eindeutig und stimmen Hauttest und/oder spezifische IgE-Bestimmung mit diesen überein, so kann die NMA leicht erkannt werden. Aber die Mehrzahl IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter sind Kreuzreaktionen (Tabelle 1), die sich nur in ca. 10 % der Fälle in Symptomen des Verdauungstrakts äußern [1, 7].

Der Goldstandard für die Diagnostik von Nahrungsmittelallergien, insbesondere bei nicht eindeutiger Anamnese, ist die Besserung oder das Verschwinden der Beschwerden unter einer strikten Allergenkarenz und eine positive orale Nahrungsmittelprovokation (doppelblind, plazebokontrolliert), die dem Spezialisten vorbehalten sein dürfte [11, 12].

IgG-Antikörpertests eignen sich nicht zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien. Ihre Bildung ist Ausdruck einer normalen Immunantwort auf einen Kontakt mit einem Fremdstoff (immunologisches Gedächtnis) und ist nicht als eine allergische Reaktion anzusehen [7].

Kohlenhydratmalassimilation

Die Malassimilation einfacher Kohlenhydrate stellt die häufigste nichtimmunologische NMU dar und kommt bei 20 – 30 % der europäischen Bevölkerung vor. Die Kohlenhydratmalassimilation resultiert aus einer Maldigestion der Laktose oder einer Malresorption von Fruktose und/oder Sorbit [13].

Die häufigste Form der Laktoseintoleranz ist die primäre adulte, bei der die Laktaseaktivität im Kindesalter noch normal ist und erst im Jugend- oder Erwachsenenalter abnimmt.

Eine sekundäre Laktoseintoleranz kann durch Schädigung des Darmepithels z. B. infolge einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, einer Zöliakie oder einer Zytostatikatherapie u. v. a. ausgelöst werden.

Mit der genetischen Bestimmung kann nur die primäre, angeborene Form der Laktoseintoleranz nachgewiesen werden [16], so dass sich der Wasserstoffatemtest als Methode der Wahl in der Diagnostik der Laktoseintoleranz anbietet. Ähnliches gilt für die häufige Fruktosemalabsorption, der kein Enzymdefekt zugrunde liegt, sondern ein defekter Transportmechanismus. Auch sie kann problemlos mittels Atemtest diagnostiziert werden.

Bei nachgewiesener Fruktosemalabsorption dürfen Betroffene auch keine sorbithaltigen Lebensmittel zu sich nehmen, denn im Dünndarm konkurrieren Sorbit (E-Nummer 420) und Fruktose um die gleichen Stoffwechselwege, so dass die Aufnahmefähigkeit von Fruktose noch zusätzlich eingeschränkt wird.

Eine Sorbitintoleranz kann auch isoliert auftreten, aus den gleichen Gründen ist dann auch auf die zusätzliche Aufnahme von Fruktose zu verzichten.

Zöliakie

Besteht der Verdacht auf eine klassische Zöliakie (Glutensensitive Enteropathie), eine genetisch determinierte und immunologisch vermittelte chronisch entzündliche Darmerkrankung bedingt durch eine fehlgerichtete Immunantwort auf Gluten (in Weizen, Roggen, Gerste u. a. Getreidesorten), hat sich die Bestimmung der Gewebstransglutaminase-Antikörper vom IgA-Typ bewährt. Sie weist eine hohe Spezifität und Sensitivität auf.

Parallel sollte eine Bestimmung des Gesamt-IgA erfolgen, da Patienten mit einer Zöliakie in 2 – 3 % einen selektiven IgA-Mangel aufweisen [5, 17].

Zur endgültigen Diagnosesicherung ist eine Gastroskopie mit Probenentnahme aus dem oberen Dünndarm indiziert [5].

Die Prävalenz der Zöliakie beträgt in Deutschland ca. 0,3 %, auch im höheren Erwachsenenalter sollte eine Zöliakie in Betracht gezogen werden [5, 10].

Differenzialdiagnostisch muss eine Weizenallergie ausgeschlossen werden. Ein fehlender Nachweis der Gewebstransglutaminase ist nicht beweisend für eine Glutensensitivität oder besser Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität, weil nicht das Gluten, sondern andere Bestandteile des Weizens und anderer glutenhaltiger Getreide für die klinischen Beschwerden verantwortlich sein sollen [8]. Zurzeit ist die Weizensensitivität eine Ausschlussdiagnose, da es noch keinen diagnostischen Test gibt [4].

Histaminintoleranz

Das Enzym Diaminoxidase (DAO) spielt eine Rolle im Abbau von Histamin, welches mit der Nahrung aufgenommen wird. Eine eingeschränkte Aktivität dieses Enzyms soll den Abbau des Histamins verhindern und so histamintypische Symptome hervorrufen, die denen einer allergischen Reaktion ähneln. Da hier aber kein immunologischer Mechanismus zugrunde liegt, handelt es sich um eine Pseudoallergie.

Dieses Histaminintoleranz genannte Krankheitsbild (besser: Histaminunverträglichkeit) wird kontrovers beurteilt. Eine erniedrigte Diaminoxidaseaktivität bedeutet nicht automatisch, dass eine Histaminintoleranz vorliegt. Ein solcher Befund korreliert auch nicht mit klinischer Symptomatik und auch nicht mit einem positiven oralen Histaminprovokationstest. Andererseits schließt eine normale Diaminoxidase eine Histaminintoleranz nicht aus. Die DAO ist schlichtweg nicht aussagekräftig [9], genauso wenig wie die Bestimmung von Histamin im Stuhl.

Eine Histaminintoleranz erscheint wahrscheinlich, wenn histamintypische Symptome durch histaminhaltige Nahrungsmittel bzw. sogenannte Histaminliberatoren (z. B. Ananas, Kiwi, Erdbeeren) ausgelöst werden und eine entsprechende histaminarme Ernährung und/oder medikamentöse Therapie (Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren, Daosin) zu einer Besserung der Beschwerden führt.

Woran sollte man noch denken ?

Bei begründetem Verdacht kann z. B. eine Stuhluntersuchung zum Nachweis von Lamblien oder der Nachweis einer erhöhten Elastase im Stuhl bei exokriner Pankreasinsuffizienz hilfreich sein.

Die Bestimmung Antinukleärer Antikörper, des CRP u. a. ist unter Umständen zur Abklärung einer Autoimmunerkrankung oder Erkrankung des rheumatischen Formenkreises sinnvoll, die ein breites Symptomenspektrum umfasst.

Pseudoallergien durch Nahrungs- und Zusatzstoffe, bei denen keine allergiespezifischen Antikörper nachzuweisen sind, stellen eine besondere Herausforderung dar. Da es zurzeit keine wirklichen Haut- oder Labortests zum Nachweis von Pseudoallergien gibt, wird die Diagnose auf Basis von Anamnese und Provokation gestellt.

Bildgebende Verfahren

Ein Ultraschall zur Abklärung abdominell betonter Beschwerden und zum Ausschluss einer strukturellen Ursache (Pankreatitis, Cholezystolithiasis u. v. m.) sollte in der Basisdiagnostik nicht fehlen. Ein Computertomogramm des Abdomens kann die Diagnostik ergänzen, in manchen Fällen kann ein MR nach Sellink indiziert sein, mit dem Entzündungen, Engstellen oder Tumoren im Dünndarm sichtbar gemacht werden, die durch die Endoskopie nicht erfasst werden können.

Endoskopische Untersuchungen

Sie ergänzen oder bestätigen die Diagnose, wie etwa den Nachweis einer Zottenatrophie im oberen Dünndarm bei Zöliakie, können aber auch von der NMU weg zu einer vollkommenen Neubewertung der Situation führen, wenn z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Karzinome, Divertikel, eine Gastritis, Refluxösophagitis usw. nachgewiesen werden.


Literatur:
1. Bartra J et al.. From Pollinosis to Digestive Allergy. J Investig Allergol Clin Immunol 2009;19 (Suppl 1):3-10
2. Boyce, J. et al.: Guidelines for the Diagnosis and Management of Food Allergy in the United States: Summary of the NIAID-Sponsored Expert Panel Report. The Journal of allergy and clinical immunology (2010) 126:1105 – 1118
3. Burney P, Malmberg E, Chinn S et al. (1997): The distribution of total and specific serum IgE in the European Community Respiratory Health Survey. J Allergy Clin Immunol 1997;99:314-322.
4. Carroccio, A.et al.: Non-celiac wheat sensitivity diagnosed by double-blind placebo-controlled challenge: exploring a new clinical entity.The American journal of gastroenterology (2012) 107:1898 – 1906
5. Felber J, Aust D, Baas S, BischoffS, Bläker H, Daum S, Fischbach W, Koletzko S, Laaß M, Nothacker M, Roeb E, Schuppan D, Stallmach A: s2k-Leitlinie: Zöliakie (aktueller Stand: 04/2014)
6. Goebel-Stengel M, Mönnikes H: Kohlenhydratmalabsorption: Unverträglichkeit fermentierbarer Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole (FODMAP) als häufige Ursache unklarer abdomineller Beschwerden Dtsch Med Wochenschr 2014; 139:1310 – 1314
7. Henzgen M, Vieths S, Reese I, Erdmann S, Fuchs T, Jäger L, Kleine-Tebbe J, Lepps U, Niggemann B, Saloga J, Vieluf I: Nahrungsmittelallergien durch immunologische Kreuzreaktionen. Leitlinie der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) und des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA) Allergo J 2005; 14: 48–59
8. Junker, Y.et al.: Wheat amylase trypsin inhibitors drive intestinal inflammation via activation of toll-like receptor 4. The Journal of experimental medicine (2012) 209: 2395-2408
9. Kofler H et al.: Diamin¬oxidase keine diagnostische Hilfe bei Histaminintoleranz, Allergologie (2009)32, 3:105–109
10. Kratzer, W.et al.: Prevalence of celiac disease in Germany: a prospective follow-up study. World journal of gastroenterology : WJG19 (2013): 2612-2620
11. Lange, L.: Praxis der oralen Nahrungsmittelprovokation im deutschsprachigen Raum. Pädiatrische Allergologie in Forschung und Praxis (2008) 11/1, 17-19.
12. Niggemann, B., Beyer, K., Erdmann, S., Fuchs, T., Kleine-Tebbe, J., Lepp, U., et al.: Standardisierung von oralen Provokationstests bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie. Allergo Journal 2011 (20), 149-160.
13. Raithel M et al.: Kohlenhydratmalassimilation häufig vorkommender Mono- und Disaccharide: Abgestuftes diagnostisches Vorgehen und Differenzialdiagnose, Dtsch Arztebl (2013); 110(46): 775-82
14. Rueff F, Bergmann KC et al.: Hauttests zur Diagnostik von allergischen Soforttypreaktionen. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) Allergo J (2010); 19: 402–15
15. Vatn MH et al.: Adverse reaction to food: assessment by double-blind placebo-controlled food challenge and clinical, psychosomatic and immunologic analysis .Digestion (1995); 56: 421 - 8
16. Vogelreuter A: Nahrungsmittelunverträglichkeiten (2012) Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft
17. Zopf Y et al.: Differenzialdiagnose von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Dtsch Ärztebl (2009); 106(21): 359 - 70


Autor:

Dr. med. Matthias Robert

Internist / Ernährungsmediziner DAEM/DGEM
10711 Berlin

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (16) Seite 38-42