Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche vorsorgliche Erklärung einer Person für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr (wirksam) äußern kann. Dies betrifft in erster Linie die Zustimmung zu medizinischen Maßnahmen oder deren Ablehnung. Weitere wichtige Dokumente, die helfen, den Wunsch eines Patienten zu erfüllen, sind Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Über rechtliche Grundlagen, Voraussetzungen und die praktische Bedeutung in der Hausarztpraxis referierte Dr. jur. Constanze Püschel, Fachanwältin für Medizinrecht, Berlin, auf dem 3. MSD-Forum: Die Hausarztpraxis im Fokus.
Gemäß einer Studie der Deutschen Schlaganfallstiftung von 2012 haben 23 % der Deutschen eine Patientenverfügung (PV). Voraussetzungen für eine Patientenverfügung sind die Schriftform, die Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Verfassung der Verfügung, Volljährigkeit, nicht unmittelbar bevorstehende medizinische Maßnahmen und die Bestimmtheit. Dabei gilt die Patientenverfügung unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung. Es ist also kein tödlicher Verlauf der Grunderkrankung nötig, damit eine Patientenverfügung greift.
Eine Patientenverfügung ist ein Mittel, den Willen des Patienten zu ermitteln. Sie ist aber nicht das einzige Mittel (s. u.). Eine Patientenverfügung muss nicht regelmäßig aktualisiert werden. Allerdings könnten bei einer Patientenverfügung, die schon vor etlichen Jahren erstellt wurde, Zweifel aufkommen, ob sie immer noch dem aktuellen Willen des Patienten entspricht, insbesondere, wenn die aktuelle Situation des Patienten damals nicht absehbar war. Eine Patientenverfügung braucht auch nicht notariell beglaubigt zu werden und sie kann jederzeit formlos widerrufen werden.
Vorgehen bei nicht einwilligungsfähigem Patienten
Wie ist nun das korrekte Vorgehen, wenn bei einem nicht einwilligungsfähigen Patienten eine medizinische Maßnahme, z. B. das Legen einer PEG, erwogen wird?
- Schritt 1: Der Arzt prüft, welche medizinische Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Dazu muss er die Einwilligung des Patienten einholen.
- Schritt 2: Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten (Bevollmächtigter oder Betreuer) einzuholen. Dieser Vertreter des Patienten ermittelt den Patientenwillen. Dazu zieht er ggf. Angehörige hinzu sowie die Patientenverfügung und prüft, ob diese dem aktuellen Willen des Patienten entspricht, d. h. ob die Patientenverfügung die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation umschreibt und ob es etwa neuartige Behandlungsmethoden gibt, die damals noch unbekannt waren. Außerdem muss er prüfen, ob die PV zwischenzeitlich widerrufen wurde.
- Schritt 3: Die indizierte Maßnahme wird zwischen behandelndem Arzt und Patientenvertreter diskutiert unter Beachtung des Patientenwillens (sogenanntes Konsultationsverfahren). Ziel ist es, zu einer einvernehmlichen Entscheidung zu kommen.
- Schritt 4: Der Betreuer oder Bevollmächtigte verleiht dem Willen des Betroffenen Ausdruck und verschafft ihm Geltung.
Keine Willensbekundung – was nun?
Was passiert nun, wenn keine wirksame Patientenverfügung und kein aktuell geäußerter Wille des Patienten vorliegen? In diesem Fall muss der Patientenvertreter versuchen, den Patientenwillen anhand von konkreten Anhaltspunkten zu ermitteln. Dazu kann er Angehörige und Vertrauenspersonen miteinbeziehen. Falls der Vertreter dann zu einem anderen Schluss kommt als der Arzt, ist bei einer lebensnotwendigen oder bedrohlichen ärztlichen Maßnahme eine Genehmigung des Betreuungsgerichts notwendig. Hat der Patientenvertreter Zweifel, d. h. lässt sich kein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille ermitteln, greift das Prinzip "In dubio pro vita", d. h. im Zweifel ist die medizinisch indizierte Maßnahme auf die Erhaltung des Lebens zu richten. Achtung: Das heißt nicht, Leben um jeden Preis.
Was passiert, wenn es keinen Patientenvertreter gibt, wohl aber eine wirksame Patientenverfügung? Dann muss der Arzt anhand dieser PV den Willen ermitteln und behandeln oder auch nicht. Das Risiko der (Falsch-)Auslegung liegt dann beim Arzt.
Die Vorsorgevollmacht
Wichtig zu wissen: Angehörige sind nicht automatisch Vertreter des Patienten. Das ist nur dann der Fall, wenn eine entsprechende Vorsorgevollmacht vorliegt. In dieser wird die Wahrnehmung einzelner oder aller Angelegenheiten auf eine andere Person übertragen für den Fall, dass man die Fähigkeit, selbst zu entscheiden, einbüßt. Voraussetzungen für eine solche Vorsorgevollmacht sind:
- Schriftform, wenn die Vollmacht auch lebensbedrohliche Entscheidungen umfassen soll.
- Ärztliche Maßnahmen müssen ausdrücklich genannt werden.
- Der Vollmachtgeber muss geschäftsfähig sein.
- Die Vertrauensperson darf in allen Angelegenheiten der Gesundheitssorge entscheiden, ebenso über alle Einzelheiten einer ambulanten oder (teil-)stationären Pflege. Sie ist befugt, meinen in einer Patientenverfügung festgelegten Willen durchzusetzen.
- Die Vertrauensperson darf insbesondere in sämtliche Maßnahmen zur Untersuchung des Gesundheitszustandes und zur Durchführung einer Heilbehandlung einwilligen, diese ablehnen oder die Einwilligung in diese Maßnahme widerrufen, auch wenn mit der Vornahme, dem Unterlassen oder dem Abbruch dieser Maßnahmen die Gefahr besteht, dass ich sterbe oder einen schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleide (§ 1904 Absatz 1 und 2 BGB).
- Die Vertrauensperson darf Krankenunterlagen einsehen und deren Herausgabe an Dritte bewilligen. Ich entbinde alle mich behandelnden Ärzte und nichtärztliches Personal gegenüber meiner bevollmächtigten Vertrauensperson von der Schweigepflicht.
Nicht zwingend, aber sinnvoll ist eine Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesärztekammer und eine notarielle Beglaubigung, vor allem, wenn zusätzlich eine Vollmacht für z. B. Vermögensvorsorge vorgesehen ist.
Vorteile einer Vorsorgevollmacht:
- Es ist keine zeitintensive Betreuerbestellung über Gericht erforderlich.
- Sie ermöglicht eine schnelle Beratungs- und Handlungsmöglichkeit des Arztes.
- Das Risiko einer vom Patienten u. U. nicht gewünschten, übergangsweisen Lebenserhaltung wird minimiert.
Der Arzt sollte sich von der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung und ggf. Identität des Bevollmächtigten überzeugen. Bei fehlender Vollmacht droht ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht bzw. ist eine (Nicht-)Behandlung gegen den Willen des Patienten zu befürchten. Bleiben Zweifel, sollte man das Betreuungsgericht einschalten.
Die Betreuungsverfügung
Eine Betreuungsverfügung ist eine vorsorgliche Regelung für den Fall einer gerichtlich angeordneten Betreuung und richtet sich an das Betreuungsgericht. Der Verfügende kann darin Vorschläge für die Wahl des Betreuers machen. Die Betreuungsverfügung greift dann, wenn keine Vorsorgevollmacht vorhanden ist. Sie ist zudem häufig als "Notlösung" in einer Vorsorgevollmacht enthalten für den Fall, dass die gewünschte Vertretung durch die Vertrauensperson scheitert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (11) Seite 26-28