95 % aller Patienten wünschen sich mehr Informationen von ihrem Arzt über Vor- und Nachteile einer Therapie. Das ist ein Ergebnis des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann-Stiftung. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen anscheinend auseinander, zeigt jedenfalls die Analyse. Der Wunsch, in eine Therapieentscheidung mit eingebunden zu werden, wird oft nicht erfüllt. Schuld daran sind aber nicht nur die Ärzte, auch die Patienten tragen dafür eine Mitverantwortung.

Medizinische Behandlungen ohne Einwilligung des Patienten gelten in Deutschland juristisch betrachtet als Körperverletzung – Notfallbehandlungen einmal ausgenommen. Generell sollten sich Arzt und Patient also immer darüber austauschen, ob und welche Therapie im Einzelfall sinnvoll erscheint. Denn oft gibt es ja mehrere Behandlungsalternativen. Dem Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung, für den fast 13 000 Patienten befragt worden waren, ist zu entnehmen, dass 55 % der Patienten die Entscheidung, welche Therapie für sie die richtige ist, nicht allein ihrem Arzt überlassen wollen. Sie wollen mitreden. Doch dieser Wunsch wird wohl nicht immer erfüllt, denn 58 % der Patienten wurden von ihrem Arzt noch nie vor Alternativen gestellt. Für das paternalistische Vorgehen nach dem Motto „das soll der Arzt entscheiden, schließlich hat er Medizin studiert und nicht ich“ spricht sich lediglich ein knappes Viertel (23 %) der Befragten aus. Diese Zahl ist übrigens über die letzten 11 Jahre erstaunlich konstant geblieben. An dieser traditionellen Sicht- und Verhaltensweise im Umgang mit Krankheit hat sich also kaum etwas verändert.

Dass der Arzt alleine entscheiden solle, dafür sprechen sich überwiegend ältere Patienten aus und solche mit niedriger Schulbildung. Demgegenüber präferieren 58 % der Patienten mit Abitur oder Fachhochschulreife eine gemeinsame Entscheidungsfindung. Das sind Ergebnisse, die man so erwartet hätte. Frauen und chronisch Kranke agieren hier oft selbstbewusster und wollen die Regie über die Therapie nicht ganz aus der Hand geben.

Zu wenig Zeit in der Arztpraxis

Die Studie zeigt jedenfalls, dass es eine große Zahl von Patienten gibt, die entweder davon überzeugt sind, dass es bei Erkrankungen überwiegend einen Königsweg der Therapie gibt oder dass die gewählte Behandlungsmethode alternativlos ist. Oder sie akzeptieren stillschweigend die vom Arzt verordnete Therapie. Die Autoren schließen daraus, dass in der Sprechstunde wohl oft nur wenig Raum für ein offenes und ausführliches Gespräch bleibt. Ein Grund dafür sei sicherlich, dass dies Zeit kostet und nur unzureichend finanziell vergütet wird.

Immerhin schneiden die Hausärzte, was die Informationsfreudigkeit anbetrifft, zumindest noch deutlich besser ab als die spezialistischen Kollegen. Während sich 24 % der Patienten vom Facharzt eher unzureichend über Therapien, Nebenwirkungen und Alternativen informiert fühlen, klagen darüber nur 16 % der Hausarzt-Patienten. Das Aufzeigen von Therapiealternativen stärke die Arzt-Patienten-Kommunikation und könne sich positiv auf den Behandlungserfolg auswirken, meinen die Autoren. Ärzte sollten daher mögliche Behandlungsoptionen von sich aus aufzeigen. Darüber hinaus sollten Patienten aber auch lernen, aktiv auf die Ärzte zuzugehen, wenn sie über die Art der Behandlung unsicher sind und weiteren Rat benötigen.


Dr. Ingolf Dürr


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (6) Seite 34