Im Alter nimmt sowohl die Erkrankungshäufigkeit (Inzidenz) als auch die Sterblichkeit (Letalität) von Infektionen zu. Grund hierfür ist die altersbedingte Beeinträchtigung des Immunsystems. Infektionserkrankungen nehmen im Alter oft einen atypischen Verlauf, der die frühzeitige Diagnose und Therapie erschwert. Aufgrund der altersassoziierten Schwäche des Immunsystems sind septische Verläufe häufig. Der alte Mensch ist ähnlich infektanfällig wie therapeutisch oder aufgrund ihrer Grunderkrankung immunsupprimierte Patienten.

Der menschliche Organismus ist von Mikroorganismen besiedelt und umgeben. Das Verhältnis von Bakterien zu körpereigenen Zellen beträgt etwa 10:1 (Abb. 1). Unsere physiologische Bakterienflora, insbesondere die Darmflora, ist essenziell für die Entwicklung unseres Immunsystems und schützt uns vor der Besiedlung durch pathogene Mikroorganismen [5]. Manche physiologische Bewohner können jedoch bei geschwächtem Immunsystem pathogen werden.

Im Alter verliert das Immunsystem an Effizienz sowohl im Hinblick auf die Kontrolle eindringender Pathogene als auch in Bezug auf die Elimination maligne transformierter körpereigener Zellen. Das Immunsystem büßt auch zunehmend die Fähigkeit ein, zwischen "selbst" und "fremd" zu unterscheiden. Aus diesem Grunde nimmt nicht nur die Prävalenz von Infektionen und Malignomen, sondern auch von Autoimmunerkrankungen im Alter zu.

Außerdem tragen im Alter die Abnahme verschiedener Körperfunktionen (z. B. verminderter Hustenstoß), Begleiterkrankungen (z. B. beeinträchtigte Schluckfunktion nach Hirninfarkt, Polyneuropathie bei Diabetes mellitus) und Medikamentennebenwirkungen zur erhöhten Infektanfälligkeit bei (Tabelle 1).

Probleme bei der Diagnostik

Im Alter verlaufen Infektionen oft atypisch: Die Infektion äußert sich in einer unspezifischen Funktionsstörung, der Harnwegsinfekt manifestiert sich z. B. als Inkontinenz, die Pneumonie als Verwirrtheit. Bei alten Patienten mit einem ungeklärten raschen Funktionsverlust (motorisch oder kognitiv) muss der behandelnde Arzt an die Möglichkeit einer schweren Infektion denken (vgl. auch Tabelle 2). Infektionen im Alter haben zudem nicht selten einen stillen Verlauf: Die Infektion bleibt lange asymptomatisch/symptomarm, wird spät diagnostiziert und verläuft schwer und komplikationsreich. Klassisches Beispiel hierfür ist die Appendizitis im Alter, deren Letalität 15- bis 20 mal höher ist als bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Darüber hinaus muss im Alter auch an den "pseudostillen" Verlauf gedacht werden: Insbesondere bei klagsamen oder/und multimorbiden alten Patienten wird eine Symptomatik fälschlicherweise dem normalen Alternsprozess zugeschrieben und nicht einer Infektion ("die Krankheit schreit, nur der Arzt ist taub dafür") [10].

Die Diagnose einer Infektion im Alter wird weiter erschwert, weil Fieber im Alter seltener auftritt bzw. ältere Patienten eine weniger ausgeprägte Temperaturerhöhung entwickeln als junge Erwachsene. Selbst bei der Sepsis kann Fieber fehlen [10]. Eine Leukozytose sowie eine Linksverschiebung im peripheren Blut fehlen nicht selten als Ausdruck der geringen Knochenmarksreserve. Demgegenüber ist das C-reaktive Protein ein sensitiver Indikator für eine systemische Infektion mit Bakterien und Pilzen. Da das C-reaktive Protein auch bei Autoimmunprozessen ansteigt, ist es allerdings wenig spezifisch. Jedoch schließt ein normales C-reaktives Protein eine systemische Infektion weitgehend aus (Ausnahme: in den ersten 12 – 24 Stunden). Ein erhöhtes Procalcitonin ist spezifischer als das C-reaktive Protein bei der Diagnose systemischer Infektionen durch Bakterien und Pilze und steigt etwas früher an.

Neben der Entnahme von Körperflüssigkeit und Sekret des betroffenen Organs zur mikrobiologischen Diagnostik (Abb. 2) soll Blut zum Anlegen von Kulturen entnommen werden, um bakteriämische (septische) Verläufe zu identifizieren. Die Anzucht eines Erregers aus lege artis angelegten Blutkulturen ist von hoher diagnostischer Spezifität.

Die häufigsten Infektionen in der allgemeinärztlichen Praxis

Die häufigsten Infektionen im Alter sind die Harnwegsinfekte, gefolgt von respiratorischen Infekten und Haut-, Weichteil- und Wundinfektionen. Die häufigsten lebensbedrohlichen Infekte sind Pneumonien, während Harnwegsinfektionen einschließlich der Urosepsis im Durchschnitt eine bessere Prognose aufweisen. Die Letalität fast aller Infektionen ist im Alter erhöht. Ursachen dafür sind neben einer eventuellen Verzögerung der Diagnose und der Neigung zu septischen Verläufen die verminderten Funktionsreserven zahlreicher Körperfunktionen, insbesondere von Atmung und Nierenausscheidung, die hohe Zahl multiresistenter Erreger, die Multimorbidität im Alter sowie die Nebenwirkungen der Behandlung einschließlich des Auftretens von C.-difficile-Infektionen.

Pneumonie

Die Inzidenz von außerhalb des Krankenhauses erworbenen Pneumonien ist bei über 75-Jährigen etwa 50-mal höher als bei jungen Erwachsenen. Sie liegt bei Männern etwas höher als bei Frauen [3].

Während Fieber, Schüttelfrost, Thorax-, Glieder- und Kopfschmerzen bei alten Menschen seltener sind als bei jungen, kommt es bei alten Menschen aufgrund der eingeschränkten Funktionsreserve der Lunge frühzeitiger und häufiger zu einer Tachypnoe [9].

Zur Vorbeugung von Pneumonien im Alter gehört die jährliche Grippe-Schutzimpfung, die einmalige Impfung gegen Pneumokokken jenseits des 60. Lebensjahres (beide Impfungen sind von der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts empfohlen), die frühzeitige Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen, eine adäquate, Unter- und Mangelernährung vermeidende Nahrungsaufnahme sowie physikalische Maßnahmen (z. B. Atemgymnastik, konsequente Mobilisierung, Inhalationen, Vibrationsmassage).

Auch die Inzidenz der Tuberkulose steigt jenseits des 65. Lebensjahres deutlich an. Es handelt sich vorwiegend um Reaktivierungen nach Erstinfektion im Kindes- und Jugendalter v. a. während und nach dem 2. Weltkrieg. Deshalb sind die Erreger der meisten Tuberkulose-Erkrankungen bei alten Menschen gegen die üblichen Tuberkulostatika der 1. Wahl empfindlich.

Harnwegsinfektionen

Über 15 % der Frauen und ca. 10 % der Männer über 70 Jahre, die zu Hause wohnen, leiden an einer Bakteriurie (> 10 000 Bakterien/ml Urin). In Pflegeheimen sind diese Zahlen erheblich höher (Frauen 25 – 50 %, Männer 15 – 40 %).

Die asymptomatische Bakteriurie wird nicht antibiotisch behandelt. Bei etwa 2/3 aller alten Patienten mit einem Blasenkatheter ist Fieber auf einen Harnwegsinfekt zurückzuführen. Ein Harnwegsinfekt verursacht oft unspezifische Symptome. Ein symptomatischer Harnwegsinfekt muss antibiotisch behandelt werden.

Endokarditis und Meningitis

Seltenere Infektionen sind die bakterielle Endokarditis und Meningitis. Die Endokarditis geht oft mit unspezifischen Symptomen wie Schwäche, Gewichtsverlust, Gelenkbeschwerden und Thrombosen einher. Sie ist im Alter besonders schwer zu diagnostizieren, weil Herzgeräusche aus anderen Ursachen, insbesondere bei Klappenverkalkungen, im Alter nicht selten sind. Umgekehrt kann bei Endokarditiden, insbesondere zu Erkrankungsbeginn, das Herzgeräusch fehlen. Entscheidend für die Diagnose sind der Erregernachweis in der Blutkultur sowie die transösophageale Echokardiographie.

Bei der bakteriellen Meningitis, die am häufigsten durch Pneumokokken verursacht wird, fehlen im Alter nicht selten Fieber und Nackensteifigkeit. Umgekehrt wird eine Nackensteifigkeit manchmal durch ein Parkinson-Syndrom oder degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vorgetäuscht. Oft treten frühzeitig unspezifische Symptome wie Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübung auf. Für die definitive Diagnose (bzw. den Ausschluss) einer Meningitis ist die Liquorentnahme erforderlich [7]. Die lumbale Liquorentnahme ist bei Beachtung der Kontraindikationen (v. a. Störungen der Blutgerinnung) im Alter ein komplikationsarmer Eingriff [2].

Herpes zoster

In der Regel findet die Primärinfektion mit dem Windpocken-Virus (Varicella-zoster-Virus, VZV) bereits im Kindesalter statt, und das Virus persistiert in sensiblen Spinal- und Hirnnerven-Ganglien. Die Häufigkeit der Reaktivierung in Form eines Herpes zoster steigt mit dem Alter an. VZV kann (als Reaktivierung und als Primärinfektion) Myelitiden, Enzephalitiden (insbesondere Zerebellitiden), zerebrale Vaskulitiden (mit Hirninfarkten) und Meningitiden verursachen, die manchmal ohne VZV-typische Hautveränderungen einhergehen.

Die Häufigkeit der sehr schmerzhaften und schwer zu behandelnden Post-Zoster-Neuralgie steigt ebenfalls mit dem Alter an [4]. Zur Reduktion der Häufigkeit der Post-Zoster-Neuralgie und Verhütung anderer Komplikationen soll der Herpes zoster frühzeitig systemisch mit Aciclovir oder einem anderen wirksamen Virustatikum behandelt werden. Bei Immunsupprimierten, Beteiligung von Gesicht oder zentralem Nervensystem ist die intravenöse Behandlung mit Aciclovir erforderlich.

Intestinale Infektionen durch Clostridium difficile

In den vergangenen Jahren kam es zu einem starken Anstieg der potenziell lebensbedrohlichen, durch C. difficile verursachten intestinalen Infektionen. Alte Menschen sind besonders gefährdet: Etwa die Hälfte der Patienten mit symptomatischer C.-difficile-Infektion sind 75 Jahre und älter [8]. In der überwiegenden Mehrzahl geht der Erkrankung eine Therapie mit Antibiotika voraus, die die normale Darmflora schädigt, so dass sich C. difficile im Darm ausbreiten kann. C.-difficile-Infektionen werfen besondere Hygiene-Probleme auf, weil die Sporen mehrere Jahre lang lebensfähig bleiben und durch gebräuchliche Desinfektionsmittel nicht abgetötet werden.

Die klassische Therapie besteht in der oralen Gabe von Vancomycin. Oral verabreichtes Fidaxomicin reduziert im Vergleich zu Vancomycin die Häufigkeit eines Rezidivs [6]. Die orale Gabe von Metronidazol empfehlen wir aufgrund zahlreicher Medikamenteninteraktionen und Nebenwirkungen bei alten Menschen nicht. Als Ultima Ratio kommt die Transplantation von Stuhl gesunder, nicht antibiotisch vorbehandelter Spender infrage.

Fazit: Infektionen im Alter sind häufig

Der alte Mensch ist ähnlich infektanfällig wie therapeutisch oder auf dem Boden ihrer Grunderkrankung immunsupprimierte Patienten.

Bakterielle Infektionen beim alten Menschen müssen frühzeitig antibiotisch, in Abhängigkeit von der Lokalisation auch chirurgisch, behandelt werden.

Eine prophylaktische Gabe von Antibiotika beim alten Menschen ist abzulehnen (Selektion resistenter Erreger, erhöhtes Risiko für C.-difficile-Infektionen).

Zur Verhütung von Infektionen nötig sind:
  • Adäquate Ernährung
  • Vermeidung von Immobilität bzw. frühzeitige Mobilisierung
  • Diagnose und Behandlung von Schluckstörungen
  • Frühzeitige Entfernung von Blasenkathetern und venösen Zugängen
  • Impfungen (Influenza, Pneumokokken)


Literatur
1. Colgan R, Nicolle LE, McGlone A, Hooton TM (2006) Asymptomatic bacteriuria in adults. Am Fam Physician 74: 985-990
2. Djukic M, Schulz D, Schmidt H, Lange P, Nau R (2013) Cerebrospinal fluid findings in geriatric patients from 2008 to 2011. Z Gerontol Geriatr 46: 353-357
3. Ewig S, Birkner N, Strauss R, Schaefer E, Pauletzki J, Bischoff H, Schraeder P, Welte T, Hoeffken G (2009) New perspectives on community-acquired pneumonia in 388 406 patients. Results from a nationwide mandatory performance measurement programme in healthcare quality. Thorax 64: 1062-1069
4. Gialloreti LE, Merito M, Pezzotti P, Naldi L, Gatti A, Beillat M, Serradell L, di Marzo R, Volpi A (2010) Epidemiology and economic burden of herpes zoster and post-herpetic neuralgia in Italy: a retrospective, population-based study. BMC Infect Dis 10: 230
5. Kamada N, Chen GY, Inohara N, Núñez G. Control of pathogens and pathobionts by the gut microbiota. Nat Immunol 2013; 14: 685-690
6. Louie TJ, Miller MA, Mullane KM, Weiss K, Lentnek A, Golan Y, Gorbach S, Sears P, Shue YK; OPT-80-003 Clinical Study Group (2011) Fidaxomicin versus vancomycin for Clostridium difficile infection. N Engl J Med 364: 422-431
7. Miller LG, Choi C (1997) Meningitis in older patients: how to diagnose and treat a deadly infection. Geriatrics 52: 43-4, 47-50, 55
8. Murphy CR, Avery TR, Dubberke ER, Huang SS (2012) Frequent hospital readmissions for Clostridium difficile infection and the impact on estimates of hospital-associated C. difficile burden. Infect Control Hosp Epidemiol 33: 20-28
9. Welte T (2011) Community-acquired pneumonia: a disease of the elderly. Z Gerontol Geriatr 44: 221-228
10. Werner H, Kuntsche J (2000) Infection in the elderly--what is different? Z Gerontol Geriatr 33:350-356



Autor:

Prof. Dr. med. Roland Nau

Geriatrisches Zentrum Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende & Institut für Neuropathologie, Universität Göttingen
37075 Göttingen

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (3) Seite 40-44