Die erfolgreiche Erstversorgung von Schlaganfallpatienten bedarf einer optimalen Zusammenarbeit der prähospitalen mit den innerklinischen Behandlungsteams. Dabei ist die Zeit bis zum Beginn der Therapie entscheidend für die Prognose nach dem Grundsatz „Time is brain“. Wichtig für die prähospitale Versorgung ist das zügige Erkennen des Schlaganfalls, die rasche Erstversorgung und der priorisierte Transport der Patienten nach Vorankündigung in die nächste geeignete Klinik mit Stroke Unit.


Optimierte prähospitale Schlaganfallversorgung

Schritt 1: Alarmierung des Rettungsdienstes

Eines der Hauptprobleme ist, dass zwischen 24 und 54 % der Patienten den Rettungsdienst nicht innerhalb einer Stunde alarmieren, sondern ein privates Fahrzeug nutzen, irgendwann den Hausarzt aufsuchen oder überhaupt nicht auf die Symptomatik reagieren [17]. Aufklärungskampagnen zeigen hier nur transiente Wirkung [2]. Durch eingespielte prähospitale und innerklinische Abläufe kann jedoch durch eine direkte Alarmierung des Rettungsdienstes eine frühere Therapie nach Symptombeginn nachgewiesen werden [15].

Schritt 2: Einsatz von Skalen zur Symptomerkennung

Die richtige Identifizierung von Schlaganfällen ist eine entscheidende Voraussetzung zur optimalen Versorgung. Für die medizinischen nicht-ärztlichen Kräfte im Erstkontakt mit den Patienten empfehlen die Schlaganfallleitlinien den Einsatz einfacher Skalen zur Symptomerkennung. Die "Face-Arms-Speech-Time"(FAST)-Skala (vgl. Kasten nächste Seite) ist in Europa am weitesten verbreitet. Sie prüft das Vorliegen einer Gesichtslähmung, einer Parese des Arms und einer Sprachstörung [8]. Eine systematische Anwendung und Dokumentation ist entscheidend.

Schritt 3: Prähospital notwendige Erstversorgung

Die prähospitale Diagnostik und Therapie ist beschränkt (Übersicht 1; [10]). Die neurologische Untersuchung kann sich auf das Wesentliche wie Vigilanzstadium, Blickwendung, Sprach-/Sprechstörung, faziale Parese, Visusstörung, sensible und motorische Ausfälle sowie ggf. Pyramidenbahnzeichen beschränken (Übersicht 1). Ärztlichen Kollegen wird dabei die Abgrenzung von Differenzialdiagnosen besser möglich sein als nicht-ärztlichem Personal.

Schritt 4: Priorisierter Transport zu Krankenhäusern mit Schlaganfallexpertise

Entsprechend deutschen, europäischen oder nordamerikanischen Leitlinien sollten Patienten priorisiert in Krankenhäuser mit Schlaganfallexpertise auch unter Inkaufnahme weiterer Distanzen transportiert werden. Hierdurch wird die Zeit bis zur Therapie verkürzt und die Thrombolyserate erhöht [3, 11].

Schritt 5: Vorabinformation des Zielkrankenhauses

Entscheidend ist jedoch auch die Vorabinformation des aufnehmenden Krankenhauses über den eintreffenden Patienten (Übersicht 1). Die hierdurch frühzeitig ermöglichte Aktivierung des Schlaganfallteams im Krankenhaus sowie insbesondere die rechtzeitige Verfügbarmachung des Computertomographen kann die kritische Zeit bis zur Therapie erheblich reduzieren und hierdurch die Thrombolyseraten erhöhen [13].


Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Todesursachen und die häufigste Ursache von bleibender Behinderung im Erwachsenenalter. In Deutschland sind jährlich ca. 262 000 Patienten betroffen [9]. Die Thrombolyse mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) innerhalb von 4,5 Stunden stellt in Deutschland die einzige zugelassene kausale Therapie des ischämischen Schlaganfalles dar [7]. Der Benefit der Therapie ist jedoch vollständig zeitabhängig ("Zeit-ist-Hirn"-Konzept; [12]). Derzeit werden nicht mehr als 2 bis 12 % aller Patienten mit rt-PA behandelt [1]. Das Problem der Unterversorgung mit Thrombolyse liegt in einem großen Maße bereits vor der Krankenhaustür. Für Deutschland konnten mediane Prähospitalzeiten (Symptombeginn bis Klinik) von 151 min berichtet werden [14].

Prähospitale Behandlung – Zukunftsmusik?

Damit in der Zukunft mehr als nur eine Minderheit der Patienten von rekanalisierenden Therapien profitieren kann, wurde im letzten Jahrzehnt das Konzept der Behandlung des Schlaganfalles bereits am Notfallort erarbeitet [5]. Dieses Konzept basiert auf einem speziellen Rettungsfahrzeug (Mobile Stroke Unit, Abb. 1), welches mit allem ausgestattet ist, was für die Diagnostik und Therapie des Schlaganfalles unentbehrlich ist: Computertomograph, "Point-of-Care"-Labor und Telemedizinausstattung zur Interaktion mit dem Krankenhaus. In einer randomisierten Studie halbierte die Prähospitalbehandlung mit der Mobilen Stroke Unit die Zeit vom Alarm bis zur Therapieentscheidung im Vergleich zur Behandlung im Krankenhaus (35 Minuten versus 76 Minuten [16]).

Dieser massive Zeitgewinn ist angesichts des allgemein akzeptierten "Zeit-ist-Hirn-Konzeptes" mit einem verbesserten klinischen Ergebnis verbunden und kann neben dem individuellen Leid auch erhebliche Kosten für die Schlaganfallspflege und Rehabilitation reduzieren [6]. Diese Zeitvorteile sind in einer Berliner Studie reproduziert worden [4].

Gegenwärtig besteht aber noch erheblicher Forschungsbedarf zum medizinischen Nutzen und den Kosten des Konzeptes.

Klar ist derzeit, dass die Einbeziehung des Rettungsdienstes in die prähospitale Versorgung ein optimiertes Management für die Patienten auch im weiteren innerklinischen Ablauf bewirkt.


Literatur
1. Ahmed N, Wahlgren N, Grond M, et al, for the SITS investigators (2010) Implementation and outcome of thrombolysis with alteplase 3-4.5 h after an acute stroke: an updated analysis from SITS-ISTR. Lancet Neurol 9:866–874
2. Albers MJ (2012) Improving public education about stroke Ann NY Acad Sci 1268: 45-50
3. Berglund A, Svensson L, Sjöstrand C et al (2012) Higher Prehospital Priority Level of Stroke Improves Thrombolysis Frequency and Time to Stroke Unit: The Hyper Acute Stroke Alarm (HASTA) Study. Stroke 43:2666–2670
4. Ebinger M, Winter B, Wendt M, Weber JE, Waldschmidt C, Rozanski M, Kunz A, Koch P, Kellner PA, Gierhake D, Villringer K, Fiebach JB, Grittner U, Hartmann A, Mackert BM, Endres M, Audebert HJ; STEMO Consortium (2014) Effect of the use of ambulance-based thrombolysis on time to thrombolysis in acute ischemic stroke: a randomized clinical trial. JAMA 311(16): 1622-31.
5. Fassbender K, Walter S, Liu Y et al (2003) "Mobile stroke unit" for hyperacute stroke treatment. Stroke 34:e44
6. Fassbender K, Balucani C, Walter S, Levine SR, Haass A, Grotta J. (2013) Streamlining of prehospital stroke management: the golden hour. Lancet Neurol 12(6):585-96.
7. Hacke W, Kaste M, Bluhmki E et al, for the ECASS Investigators (2008) Thrombolysis with alteplase 3 to 4.5 hours after acute ischemic stroke. N Engl J Med 359:1317–1329
8. Harbison J, Massey A, Barnett L, Hodge D, Ford GA (1999) Rapid ambulance protocol for acute stroke. Lancet 353:1935
9. Heuschmann PU, Busse O, Wagner M et al (2010) Schlaganfallhäufigkeit und Versorgung von Schlaganfallpatienten in Deutschland. Akt Neurol 37:333–340
10. Kessler C, Khaw AV, Nabavi DG, Glahn J, Grond M, Busse O (2011) Standardized pre-hospital management of stroke. Dtsch Arztebl Int 108: 585-91
11. Lahr MM, Luijckx GJ, Vroomen PC, van der Zee DJ, Buskens E (2012) Proportion of patients treated with thrombolysis in a centralized versus a decentralized acute stroke care setting. Stroke 43:1336–1340
12. Lees KR, Bluhmki E, von Kummer R et al, for the ECASS, ATLANTIS, NINDS, and EPITHET rt-PA Study Group Investigators (2010) Time to treatment with intravenous alteplase and outcome in stroke: an updated pooled analysis of ECASS, ATLANTIS, NINDS, and EPITHET trials. Lancet 375:1695–1703
13. Lin CB, Peterson ED, Smith EE, et al. (2012) Emergency medical service hospital prenotification is associated with improved evaluation and treatment of acute ischemic stroke. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 5: 514–22.
14. Rossnagel K, Jungehülsing GJ, Nolte CH et al (2004) Out-of-hospital delays in patients with acute stroke. Ann Emerg Med 44:476–483
15. Saver JL, Smith EE, Fonarow GC, et al, on behalf of the GWTG-Stroke Steering Committee and Investigators (2010) The "golden hour" and acute brain ischemia: presenting features and lytic therapy in >30,000 patients arriving within 60 minutes of stroke onset. Stroke 41: 1431–39.
16. Walter S, Kostopoulos P, Haass A et al (2012) Diagnosis and treatment of patients with stroke in a mobile stroke unit versus in hospital: a randomised controlled trial. Lancet Neurol 11:397–404
17. Wester P, Rådberg J, Lundgren B, Peltonen M (1999) Factors associated with delayed admission to hospital and in-hospital delays in acute stroke and TIA: a prospective, multicenter study. Seek-Medical-Attention-in-Time Study Group. Stroke 30:40–48



Autor:

PD Dr. med. Silke Walter

Neurologische Klinik der Universität des Saarlandes
66421 Homburg

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (2) Seite 44-46