Welche Diagnostik sollte der Hausarzt vornehmen, bevor er einen Patienten zur Physiotherapie überweist? Welche Informationen braucht der Physiotherapeut, welche Rückmeldung sollte der Hausarzt von diesem erhalten?

Die Verordnung einer physiotherapeutischen Maßnahme durch den Hausarzt basiert auf einer eingehenden Untersuchung mit Erfassung funktionaler Störungen und Defizite seitens des gesamten Bewegungsapparates mit dem Schmerz als wichtigstes Leitsymptom.

Zwei Beispiele sollen die Bandbreite der Fälle in der hausärztlichen Praxis illustrieren. Ein 50-jähriger Werkarbeiter mit unklarem Thoraxschmerz und wiederholter Krankenhauseinweisung zum Infarktausschluss erlebte rasche und anhaltende Beschwerdebesserung nach der verordneten mobilisierenden Therapie der blockierten 3. Rippe links. Ein 65-jähriger Patient mit relativ kurzer, aber heftiger Schmerzanamnese, Lumboischialgie links, umschriebenem, nicht eindeutig segmentalem sensiblen Ausfall an der unteren Extremität dagegen wurde nach Sofortdiagnostik und MRT-Nachweis einer großen LWK-II-Metastase operativ versorgt. Bei ihm erfolgten keine physikalischen Maßnahmen.

Verordnung kann eine Herausforderung sein

In der täglichen Zusammenarbeit von Hausarzt und Physiotherapeut sind neben solchen Akutfällen eher bereits schon länger bestehende Funktionsstörungen und Schmerzzustände Gegenstand ärztlicher Verordnung und physiotherapeutischer Behandlung. Dabei gibt es immer noch, ausgehend von unterschiedlichen Arbeits- und Betrachtungsweisen, erhebliche Kommunikationsdefizite.

Der richtige Weg von zielgerichteter Verordnung bis zur effektiven Behandlung ist für den Hausarzt keine einfache Pflichtübung, sondern oftmals eine besondere Herausforderung, die umfassendes allgemeinärztliches Wissen, versierte Untersuchungstechnik und die korrekte Anwendung von Heilmittelrichtlinien und des seit 2011 gültigen Heilmittelkatalogs voraussetzt. Dafür sind grundlegende Kenntnisse der Verordnungsmöglichkeiten, des Umfangs und der Frequenz der physikalischen Therapiemaßnahmen notwendig und wichtig, aber auch Ausschlusskriterien und Kontraindikationen sind zu beachten.

Eingebettet in die tägliche allgemeinärztliche Sprechstunde basiert die Verordnung einer physikalischen Behandlung gemäß Heilmittelkatalog auf sorgfältiger Untersuchung, möglichst Funktionsuntersuchung, sowie ergänzender Diagnostik (Röntgen, Labor etc.). Die spezifische Befunderhebung und Diagnosestellung mit ICD-Angabe führt zu der indizierten Verordnung gemäß Diagnosegruppe unter Angabe der Leitsymptomatik sowie funktioneller/struktureller Schädigung, zur Festlegung der Therapieziele und vorrangiger bzw. ergänzender Heilmittel (selten standardisierte Heilmittelkombinationen) sowie der Verordnungsmenge (Erstverordnung, Folgeverordnungen und Verordnungen außerhalb des Regelfalls).

Das Therapieziel und die Rückmeldung

Bei Nichterreichen des individuell angestrebten Therapiezieles ist die Rückmeldung des Therapeuten keinesfalls eine lästige Pflichtübung, sondern Anlass für die Überprüfung von Diagnose und Indikation, ggf. Einleitung weiterführender Untersuchungen sowie auch Änderung der Therapieziele.

Dabei ist der kurze Dienstweg, also eine umgehende telefonische oder, falls möglich, sogar persönliche Kontaktaufnahme und fachspezifische Kommunikation zwischen Arzt und Therapeut unter Einbeziehung des Patienten zu bevorzugen. Dies erweist sich in aller Regel für alle Beteiligten als vorteilhaft und zielführender. Denn Hausarzt und Physiotherapeut, die oftmals dem gleichen oder ähnlichen Lehrgebäude der Manualmedizin entstammen, kommunizieren über die gleiche medizinische Fachsprache und sind am ehesten in der Lage, Fehler und Störfaktoren zu erkennen und möglichst auszuschalten. Bei jahrelanger Zusammenarbeit von (Haus-)Arzt und Therapeut entwickelt sich ein besonderes Vertrauensverhältnis mit gegenseitiger Wertschätzung, welches dem einzelnen Patienten nicht verborgen bleiben und als ausgezeichnete Therapiemotivation dienen kann. Im Folgenden sollen einzelne Fallbeispiele aus dem Indikationskatalog physikalischer Therapiemaßnahmen bei Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane und des Nervensystems kurz dargestellt werden.

Typische Indikationen und deren physikalische Therapie

1) Lumbago, der Hexenschuss, als häufiger, alltäglicher (cave!) Routinefall: zumeist untere LWS-, IS-Blockierung, beim Bücken oder falschen Heben („verhoben“) aufgetreten, mit paralumbalem Muskelhartspann, pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung, variabler Beinlänge.

Lumbago ist mit Wärmeanwendungen und Mobilisationsbehandlung (entsprechend Verordnung nach dem Indikationsschlüssel WS1a) gut und rasch behandelbar. Zur Sicherung eines Behandlungserfolges und Vermeidung von Wiederholungen oder Rückfällen mit gleicher Beschwerdesymptomatik sind (wie auch in den folgenden Fallbeispielen) spezielle Dehnübungen einzelner Muskelgruppen, wie sie dem einzelnen Patienten vom Therapeuten als Hausaufgabe vermittelt und empfohlen werden (und über deren korrekte Anwendung und Durchführung auch der geschulte Hausarzt Bescheid wissen sollte), aufgeführt: Dehnung Waden-Muskulatur, ischiocrurale M., m. piriformis, mm. glutei, Lendenstrecker, Bauchmuskulatur.

2) Unteres HWS-Syndrom, Blockierung CTÜ, steifes Genick, muskulärer Schiefhals. Folgende Dehnübungen sind quasi zur Rezidivprophylaxe besonders zu empfehlen: m. trapezius, m. lev. scapulae, vordere Halsmuskulatur zur (Engpass-)Dehnung.

3) Coxarthrose ein- und beidseitig, Hüftbeugekontraktur. Folgende Dehnübungen lindern die zumeist hartnäckigen und mitunter beträchtlichen Beschwerden, zudem verbessern sie oft auch relevante Alltagsfertigkeiten wie das An- und Ausziehen von Schuhen und Strümpfen, das Ein- und Aussteigen aus PKW etc.: Iliopsoasdehnung, Tractus-iliotibialis-Dehnung, Dehnung mm. glutei.

4) Parkinson-Patient mit Gangstörung, On/Off-Phänomenen. Folgende den Muskeltonus regulierende Übung wird für die Heimarbeit empfohlen: Rotationsübungen nach PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation).

5) Halbseitensymptomatik, Restparese. Bei einem Hausbesuch des Physiotherapeuten erhält der Patient z. B. folgende Eigenübung als fortlaufende Hausaufgabe: Gleichgewichtsübung im Sitzen und Stand, Eigenübung am Türrahmen und anderen Wohnungsgegenständen.

6) Fascitis plantaris, Achillodynie, Hoffitis: Dehnübungen von Fußsohlen und Unterschenkelmuskulatur sind zu empfehlen, Faszientechnik (Black Roll) zur Beseitigung von Verklebungen.

Die Hoffnung und der Wunsch, dass Fortbildungsveranstaltungen ähnlichen Zuschnitts öfter, vielleicht auch regelmäßig während der practica oder auch anderswo zu einer verbesserten Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Hausarzt und Physiotherapeut beitragen können, ist verbunden mit der (Selbst-)Erfahrung und der Gewissheit, dass eine intensivere und gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit zwischen Arzt und Physiotherapeut die Arbeitsfreude und -motivation stärkt und verbessert und damit vor allem unseren Patienten hilft.



Autor:

Dr. med. Lothar Wildmoser

Allgemeinarzt
67707 Schopp

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (1) Seite 54-57