Die Situation hat wohl jeder Allgemeinarzt schon einmal erlebt: In der Sprechstunde bringt ein Patient den Wunsch vor, „mal auf Kur zu fahren“. In einem practica-Seminar erläuterten die Referenten Dr. med. Birgit Neuhaus und Dr. med. Michael Penz, beide Mitarbeiter des MDK Bayern, die Inhalte und Umsetzung der wesentlichen Leistungen von Vorsorge und Rehabilitation.

Der Begriff „Kur“ hat heutzutage aus sozialrechtlicher Sicht nur mehr historische Bedeutung. Die „Kur“ als Leistung der Sozialversicherung gibt es nicht mehr, an ihre Stelle traten Vorsorge und Rehabilitation. Man unterscheidet drei Arten von Rehabilitationsleistungen:

1) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit dem Ziel, möglicher Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten.

2) Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die eine (Wieder-)Eingliederung der Patienten in das Arbeitsleben fördern.

3) Leistungen zur sozialen Rehabilitation, welche die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördern. Sie zielen ab auf die Bewältigung der alltäglichen Anforderungen und der Wiedereingliederung in das soziale Umfeld der Patienten.

Grundlage der Rehabilitation ist die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, WHO, 2001) mit ihrer ganzheitlichen bio-psycho-sozialen Sichtweise auf ein Gesundheitsproblem.

Träger der Rehabilitation sind verschiedene Sozialversicherungen mit unterschiedlicher Zielsetzung: Gesetzliche Rentenversicherung, Unfallversicherung und Krankenversicherung.

Im Nachfolgenden sollen Vorsorge und Rehabilitation in der Zuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV: Leistungsfestlegung im Sozialgesetzbuch SGB V) dargestellt werden.

Die gesetzlichen Grundlagen für Vorsorge und Rehabilitation zu Lasten von GKV und SPV fin-den sich in den Sozialgesetzbüchern V (Krankenversicherung), IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) und XI (Soziale Pflegeversicherung).

Vorsorge und Rehabilitation sind in das abgestufte Versorgungssystem der GKV eingebettet, das Abbildung 1 darstellt. Es hängt dabei vom individuellen Einzelfall ab, ob bei Bedarf Stufen übersprungen werden müssen. Vor der Einleitung von Vorsorge- und/oder Rehabilitationsmaßnahmen ist zu prüfen, ob die ambulante Behandlung einschließlich Heil- und gegebenenfalls Hilfsmitteln nicht mehr ausreicht.

Vorsorgemaßnahmen können erforderlich sein, wenn beeinflussbare Risikofaktoren oder Gesundheitsstörungen vorliegen, die voraussichtlich in absehbarer Zeit zu einer Erkrankung führen werden oder wenn die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes/Jugendlichen gefährdet ist (Primärprävention). Sie können auch erforderlich sein, wenn bei manifester, chronischer Erkrankung drohende Beeinträchtigungen von Aktivität verhindert, das Auftreten von Rezidiven und Exazerbationen vermieden bzw. dem Fortschreiten der Erkrankung entgegengewirkt werden sollen (Sekundärprävention). Vorsorgemaßnahmen können ambulant (klassische Badekur; Kompaktkur) oder stationär durchgeführt werden (s. Abbildung 2).

Stationäre Vorsorgemaßnahmen kommen bei Erwachsenen nur in sekundärpräventiver Zielsetzung in Betracht, wenn eine ambulante Durchführung am Kurort z. B. wegen stark eingeschränkter Mobilität nicht möglich, nicht erfolgversprechend oder ausreichend ist, wenn der strukturgebende Rahmen einer stationären Einrichtung unbedingt erforderlich ist bzw. engmaschige ärztliche und medizinische Kontrollen notwendig sind. Vorsorgeleistungen für Mütter/Väter und Mutter/Vater-Kind-Leistungen werden immer stationär erbracht.

Wann Vorsorgemaßnahmen?

Für eine Vorsorgemaßnahme muss ein Vorsorgebedarf vorliegen. Der Patient muss aber auch vorsorgefähig sein, d. h. er muss motiviert und bereit sein, sein Gesundheitsverhalten zu ändern, seine Risikofaktoren zu beeinflussen und gegebenenfalls Coping-Strategien zu erlernen. Er muss dafür die körperlichen und geistigen Voraussetzungen mitbringen. Für die primär- oder sekundärpräventiven Vorsorgeziele muss eine positive Prognose vorliegen.

Mutter/Vater-(Kind)-Vorsorgemaßnahmen verfolgen das Ziel, den spezifischen Gesundheitsrisiken und gegebenenfalls bestehenden Erkrankungen unter Berücksichtigung der allgemeinen und Mütter/Väter-spezifischen Kontextfaktoren (z. B. Mehrfachbelastung, mangelnde elterliche Grundkompetenz, alleinerziehend u. a.) bei aktueller Erziehungsverantwortung durch eine ganzheitliche Therapie unter Einbeziehung psychologischer, psychosozialer und gesundheitsfördernder Hilfen entgegenzuwirken.

Wann Rehabilitation?

Medizinische Rehabilitation ist eine komplexe Maßnahme, die als interdisziplinäre und multimodale Behandlung durch ein Rehabilitationsteam erbracht wird und darauf abzielt, manifeste alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität und Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, deren Verschlimmerung zu verhüten oder deren Folgen zu mildern.

Mit anderen Worten: Rehabilitationsmaßnahmen werden nicht wegen einer bestimmten Krankheit mit Diagnoseschlüssel nach ICD durchgeführt, sondern wegen der nicht nur vorübergehenden Auswirkungen der Erkrankung auf die üblichen und alltagsrelevanten Aktivitäten des Patienten gemäß ICF. Diese ist auch Grundlage des Rehabilitationsantrags der GKV (Formular 61). Dies spiegelt sich wider in Antragsfragen wie: Welche Schädigungen liegen vor? Welche Beein-trächtigungen gibt es? Welche Behandlung wurde bisher durchgeführt?

Eine Indikation zur Rehabilitation liegt vor, wenn bei bestehendem Rehabilitationsbedarf auch die Rehabilitationsfähigkeit gegeben ist und für das formulierte, realistische, individuelle und alltagsrelevante Rehabilitationsziel eine positive Rehabilitationsprognose besteht.

Rehabilitationsbedarf besteht, wenn eine nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung von Ak-tivität und/oder Teilhabe vorliegt und über die Möglichkeiten der Krankenbehandlung hinaus die interdisziplinäre und mehrdimensionale Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung erforderlich ist. Das heißt: Eine Krankenbehandlung muss zuvor stattgefunden und sich als nicht ausreichend erwiesen haben, und für das Erreichen des Rehabilitationsziels muss das Zusammenwirken der unterschiedlichen therapeutischen Professionen im Rahmen eines Behandlungsplanes notwendig sein.

Rehabilitationsfähigkeit liegt vor, wenn der Patient bei ausreichender Motivation eine psychische und physische Belastbarkeit aufweist, die ihn zu einer mehrmals täglichen Teilnahme an Therapiemaßnahmen befähigt.

Rehabilitationsmaßnahmen können ambulant oder stationär durchgeführt werden. Für eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme ist die ausreichende Mobilität des Patienten, seine ausreichende physische und psychische Belastbarkeit, eine ausreichende häusliche Versorgung und eine Erreichbarkeit der ambulanten Rehabilitationseinrichtung in zumutbarer Fahrzeit Voraussetzung.

Die Träger der medizinischen Rehabilitation sind verschiedene Sozialversicherungsträger. Ihre Zuständigkeit ist gemäß dem Subsidiaritätsprinzip geregelt. Es gibt aber auch Überschneidungen; so erklärt sich z. B. für onkologische Rehabilitationsmaßnahme auch bei Rentnern die gesetzliche Rentenversicherung für zuständig, wenn gewisse versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sind.

Fazit

Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sind wichtige Teile der Behandlungskette. Voraussetzung ist immer eine medizinische Rehabilitationsindikation (Rehabilitationsbedarf, -fähigkeit, -prognose, -ziel; basierend auf der ICF) auf dem Boden einer Erkrankung (ICD).



Autoren:
Dr. med. Birgit Neuhaus
Dr. med. Michael Penz
MDK Bayern, 81667 München


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (SH practica) Seite 30-32