Eine Hyposensibilisierung stellt bei allergischen Erkrankungen vom Typ I die einzige kausale Behandlungsoption dar und ist durch viele Studien gut belegt. Was der Hausarzt über die subkutane (SCIT)und diesublinguale (SLIT) Immuntherapie wissen sollte, wird im folgenden Beitrag erörtert.

Die hier genannten Empfehlungen beziehen sich auf die aktuelle Leitlinie Hyposensibilisierung der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie, die bis 2015 erneut aktualisiert werden soll.

Nutzen der Hyposensibilisierung

Bei der allergischen Rhinokonjunktivitis ist die Wirksamkeit der subkutanen Immuntherapie (SCIT) sehr gut belegt. Es existieren zahlreiche kontrollierte Studien für Pollenallergien und Hausstaubmilbenallergien, weniger Studien dagegen bei Katzenhaarallergie und Schimmelpilzallergie.

In einer groß angelegten Kinderstudie zeigte sich bei Allergien gegen Gräserpollen und Baumpollen zudem eine Halbierung des Etagenwechsels von der allergischen Rhinokonjunktivitis zum Asthma durch eine rechtzeitig eingeleitete SCIT.

Auch beim Asthma kann laut Nationaler Versorgungsleitlinie eine SCIT bei stabilem allergischen Asthma (FEV1-Wert > 70 % beim Erwachsenen) erwogen werden, wenn eine allergische Ursache der Asthmaerkrankung deutlich festzustellen ist und eine Allergenkarenz nicht zur Asthmakon-
trolle führt. Durch die Hyposensibilisierung wird die bronchiale Hyperreagibilität und der Symptomenscore deutlich vermindert. In einer aktuellen Metaanalyse von 2010 zeigte sich gerade bei Asthmatikern eine Reduktion der Symptomenscores sowie auch der Medikamentenscores.

Wenn gleichzeitig zum allergischen Asthma auch eine allergische Rhinokonjunktivitis vorliegt, was bei 80 % der Patienten der Fall ist, kann man mit der Hyposensibilisierung "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen". Man vermindert außerdem durch eine Hyposensibilisierung auch eine Neusensibilisierung.

Indikationen

Eine SCIT kann bei Pollen mit nachgewiesener IgE-vermittelter Allergie uneingeschränkt empfohlen werden, bei Milben, falls Maßnahmen zur Karenz nicht ausreichend sind (vgl. auch Tabelle 1). Einschränkungen bestehen bei Tierepithelen, vor allem von Katzen, und Schimmelpilzen, die einer Hyposensibilisierung eher schlecht zugänglich sind. Die Indikation selbst sollte durch einen Allergologen gestellt werden, eine weitere Therapie, wie z. B. Nachinjektionen, kann jederzeit in der Hausarztpraxis erfolgen.

Wichtige Kontraindikationen sind vor allem ein unkontrolliertes Asthma, bestimmte kardiovaskuläre Erkrankungen, eine Behandlung mit Betablockern, daneben schwere Autoimmunerkrankungen oder eine aktuelle Karzinomerkrankung und natürlich auch unzureichende Compliance.

Allergenextrakte und SLIT

Es gibt sehr viele verschiedene Allergenextrakte am Markt. Man unterscheidet zwischen den nativen Allergenen und modifizierten Allergoiden. Jede Firma hat ihr eigenes Anfangs- und Fortsetzungsschema (vgl. Abbildung), die auch übernommen werden sollten. Zunehmende Bedeutung gewinnt die sublinguale Immuntherapie (SLIT, vgl. Tabelle 2), für die es früher nur wenige Empfehlungen gab. Im französischen Sprachraum hat diese jedoch die subkutane Immuntherapie jetzt schon zahlenmäßig deutlich überholt. Es existieren hier sehr gute Studien bezüglich der allergischen Rhinokonjunktivitis, vor allem zu Gräserpollen, in letzter Zeit auch zu Baumpollen und Milben.

Das Problem bei der sublingualen Immuntherapie ist oft die Compliance des Patienten. Die sublingual gegebenen Tabletten oder Tropfen erzeugen meist ein Brenngefühl im Mundbereich, über das die Patienten aufgeklärt werden sollten. In aktuellen Vergleichsstudien zeigt vor allem die sublinguale Immuntherapie, wohl wegen dieser Nebenwirkung, eine deutlich schlechtere Compliance.

Praktische Durchführung

Nur allergologisch weitergebildete Allgemeinärzte sollten eine Hyposensibilisierung durchführen. Der Patient darf keinen akuten Infekt haben. Der Abstand zu Impfungen sollte mindestens eine Woche betragen, Notfallimpfungen sind aber jederzeit möglich. Wichtig ist auch das Einhalten einer Wartezeit von mindestens 30 Minuten nach der Hyposensibilisierung, um auf etwaige anaphylaktische Reaktionen noch in der Praxis reagieren zu können.

Eine Hyposensibilisierung wird meist über drei Jahre durchgeführt und sollte abgebrochen werden, falls nach zwei Jahren kein Erfolg sichtbar ist. Typische Nebenwirkungen sind sehr selten und betreffen meist Asthmaanfälle, die Inzidenz beträgt ca. 1:50 000 bis 1:10 000. Besondere Risikofaktoren sind aktuelle allergische Symptome, ein instabiles Asthma, eine hohe Sensibilisierungsrate, Co-Medikation mit Betablockern und ACE-Hemmern sowie eine Kreislaufbelastung nach Injektion oder eine versehentliche intravasale Injektion.

Insgesamt ist die Hyposensibilisierung eine gut überprüfte Therapie bei allergischen Erkrankungen, die jederzeit auch in der hausärztlichen Praxis durchgeführt werden kann. Entsprechendes Notfallequipment inklusive Defibrillator müssen jedoch vorgehalten werden.



Autor:

Dr. med. W. Sieber

Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie/Allergologie/Umwelt-, Sport-, Notfallmedizin
Innere Abteilung
Kreisklinik Wörth
93086 Wörth a. d. Donau

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (SH practica) Seite 20-25