Das Auftreten eines Dekubitus bedeutet für den Betroffenen Schmerzen, Immobilität und eine längere Krankheitsdauer. Für die Behandelnden resultiert ein erhöhter Pflegeaufwand. Die Kosten der Behandlung belasten die Allgemeinheit. Infolge der zunehmenden Lebenserwartung und der damit im Zusammenhang stehenden Zunahme der Risikoerkrankungen wird mit einer steigenden Inzidenz gerechnet. Der Erkennung der Dekubitusgefährdung und der Prophylaxe des Dekubitus kommt somit eine wachsende Bedeutung zu.

Ein wichtiger Faktor der Dekubitusentstehung ist die mangelnde Druckentlastung. Ein Dekubitus entsteht jedoch im Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Schon durch geringen äußeren Druck wird die venöse Durchblutung unterbrochen. Der Druck nimmt in der Tiefe des Gewebes zu. Dies ist besonders über konvexen Knochenvorsprüngen der Fall. Ein Dekubitus entsteht also aus der Tiefe heraus und nicht an der Hautoberfläche.

Die Einschätzung des Dekubitusrisikos ist eine notwendige Voraussetzung, um bereits vor der Entstehung einer Gewebeschädigung präventive Schritte einzuleiten. Dies ist sowohl Aufgabe von Pflegepersonal als auch vom Arzt und muss dokumentiert werden. So lassen sich mit hoher Genauigkeit gefährdete und nichtgefährdete Patienten zuverlässig voneinander unterscheiden. Wenn keine Dekubitusgefahr vorliegt, muss auch nicht interveniert werden.

Dekubitusrisiko einschätzen

Das Dekubitusrisiko kann durch klinische Einschätzung oder mit Hilfe standardisierter Assessmentinstrumente ermittelt werden. International existieren über 40 verschiedene Skalen, mit denen das Dekubitusrisiko eingeschätzt werden kann. Die Norton-Skala bewertet fünf Qualitäten, die den körperlichen und geistigen Zustand sowie Aktivität, Beweglichkeit und die Kontinenz des Patienten berücksichtigen. Die Braden-Skala betrachtet sechs Qualitäten: die sensorische Perzeption, Feuchtigkeitsexposition, Aktivität, Mobilität, Ernährung sowie Reibungs- und Scherkräfte anhand von vier Schweregraden.

Keines der Risikoinstrumente misst aber sicher das Dekubitusrisiko! Empfehlenswert ist daher die Einschätzung des Risikos durch eine Kombination von klinischem Urteil und Risiko-Skala.

Eine Dokumentation der Risikoeinschätzung ermöglicht die einheitliche Betrachtung potenzieller Gefährdungsfaktoren und dient zudem der Sicherung der multiprofessionellen Zusammenarbeit.

Für den niedergelassenen Arzt ist es wichtig zu wissen, wer die Einschätzung des Dekubitusrisikos beim Patienten vornimmt. Er ist für diese Einschätzung und für die Umsetzung geeigneter Maßnahmen mitverantwortlich, auch wenn sie primär vom Pflegepersonal durchgeführt werden.

Anspruch auf Beratung

Seit dem 1. Januar 2009, mit der Einführung des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes, hat jeder Pflegebedürftige Anspruch auf eine Pflegeberatung, die über die Pflegekassen finanziert wird. Für die Betroffenen ist diese Beratung folglich kostenlos. Sie dient dazu, den Hilfebedarf systematisch zu erfassen und zu analysieren. Ein individueller Versorgungsplan wird erstellt. U. a. wird dem Betroffenen und den Angehörigen aufgezeigt, welche gesundheitsfördernden, präventiven oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen Hilfen erfolgen können. Hierfür stehen speziell ausgebildete Pflegeberater zur Verfügung, die auf die für die Durchführung des Versorgungsplans erforderlichen Maßnahmen einschließlich ihrer Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger hinwirken.

Sie zeigen einfache Handgriffe, erläutern Risikofaktoren und Lagerungsmöglichkeiten. Hilfsmaterialien werden präsentiert und die Dekubitusprävention in verständlichen Worten erklärt. Oftmals sind Angehörige mit der entstandenen Situation nach Entlassung ihrer Pflegebedürftigen aus der Klinik oder deren plötzlicher Erkrankung überfordert. Wichtig ist hier eine Motivation der Angehörigen und der Pflegebedürftigen bei der anspruchsvollen Aufgabe. Es gilt zudem, ihnen zu vermitteln, dass sie dabei nicht allein dastehen. Ausgebildete Pflegeberater findet man in den Pflegediensten vor Ort oder über die Pflegekassen.

Druckreduzierung

Reichen Maßnahmen zur Förderung der Aktivität und Mobilität nicht aus, müssen geeignete druckreduzierende Hilfsmittel zur Anwendung kommen. Die Beweglichkeit sollte durch diese Hilfsmittel nicht eingeschränkt werden.

Jedwede Art von Hilfsmitteln birgt Vor- und Nachteile des therapeutischen Nutzens. Darum sollte die Verordnung sorgfältig überlegt und auf die individuelle Situation des Patienten abgestimmt sein.

Zurzeit werden mehr als 200 Hilfsmittel zur Dekubitusprophylaxe und -therapie angeboten.

Erst ab Dekubitus-Stadium I der EPUAP können Hilfsmittel gegen Dekubitus verordnet werden, diese ersetzen aber keinesfalls die zusätzliche Lagerung des Patienten.

Antidekubitus-Systeme (z. B. Weichlagerungs- und Wechseldrucksysteme) zielen darauf ab, die lokale mechanische Belastung zu verringern bzw. die externen Risikofaktoren zu minimieren.

Körperorientierte Entlastungsrollen, sogenannte Lagerungsschlangen, können ergänzend, aber auch separat zu den o. g. Systemen verordnet werden. Diese Hilfsmittel zeichnen sich besonders durch ihre einfache Anwendbarkeit aus und sind gerade im ambulanten Bereich eine Unterstützung für pflegende Angehörige. Synthetische Felle in unterschiedlichsten Ausführungen, z. B. Fersenschoner, Gummiringe, Watteverbände, kleinzellige Auflagen und Wasserkissen, reduzieren den Druck nicht ausreichend und sind im Rahmen der Dekubitusprophylaxe ungeeignet.

Beurteilungsmethoden/Klassifikation eines Dekubitus

Bei der Beurteilung, ob ein Dekubitus vorliegt oder nicht, kommt es oftmals zu Fehleinschätzungen durch das Pflegepersonal. Eine Feuchtigkeitsläsion in der Analfalte wird oft als Dekubitus beschrieben. Diese entsteht aber kausal durch dauernde Einwirkung von Feuchtigkeit an der Epidermis, z. B. durch Inkontinenz.

Um einen Dekubitus eindeutig zu identifizieren, hat sich der Fingertest nach Philipps bewährt. Lässt sich ein Erythem nicht wegdrücken, liegt bereits ein Schaden vor und es handelt sich um einen Dekubitus Stadium I des European National Pressure Ulcer Advisory Panels (EPUAP) (vgl. Tabelle).

Pflegemaßnahmen zur Dekubitusprophylaxe sind nicht verordnungsfähig. Im häuslichen Bereich müssen diese im Rahmen der Pflegeversicherung (SBGXI) erbracht werden. In Senio-renheimen sind sie im Pflegesatz enthalten.

Sowohl die Dekubitusprophylaxe als auch die Therapie eines manifesten Dekubitus erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise im interdisziplinären Team. Die vor Ort tätigen Pflege-fachkräfte liefern in diesem Zusammenhang wesentliche Hinweise zu weiteren Risikofaktoren. Sie haben Einfluss auf die Lebensqualität Betroffener und deren Angehöriger.


Literatur:
1. Braden B., Bergström N. (1987): A conceptual schema for the study if the aetiology of pressure sores. Rehabl. Nurs. 12(1), 8-16
2. Cullum N. Deeks J, Sheldon TA, Song F, Fletscher AW: Beds, mattresses and cush-ions for pressure sore prevention and treatment. Cochrane Database Syst. Rev. 2000 2, CD 001735 Update 2004 3
3. Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des deutschen Instituts für Me-dizinische Dokumentation und Information – DAHTA@DIMDI. (2005): Dekubitus-prophylaxe und –therapie. Köln: DIMDI
4. EPUAP (1999): Guidelines on the treatment of pressure ulcers. EPUAP Review 2, 31-33. http:/ www.epuap.org/reviews.html
5. Norton, D., Exton-Smith A.N., Mc Laren R. (1962): An investigation of geriatric nurs-ing problems in hospital. Edinburgh: Churchill Livingstone
6. Weber B, Castrup HJ. Sorgfaltsmangel bei der Dekubitusprophylaxe ? Auswertung der Behandlungsfehlervorwürfe der Begutachtungsverfahren der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2004 – 2007. Wundmanagement 2009; 3:54-58
7. Panfil E., Schröder G. (2009) Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. 1.Aufl., Huber, Hogrefe Ag - Bern



Claudia Hampe, Lamspringe

Pflegetherapeutin Wunde ICW e. V.
Leitung des Wundmanagements DRK Alfeld Ambulante Pflegedienste GmbH
31195 Lamspringe

Professor Dr. med. Knut Kröger
Klinik für Gefäßmedizin – Angiologie
HELIOS Klinikum Krefeld GmbH
47805 Krefeld

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (20) Seite 72-76