Die Gefahr einer Thrombophlebitis (oberflächliche Entzündung der Venen) wird immer noch unterschätzt. Mal ist sie nur eine lokal begrenzte Entzündung und verschwindet so wie sie aufgetreten ist, mal wird sie von einer tiefen Beinvenenthrombose begleitet und ist damit potenziell lebensbedrohlich. Solange wir nicht das Gegenteil beweisen können, sollten wir immer von einer bedrohlichen Erkrankung ausgehen.

Im Allgemeinen fällt bei der Thrombophlebitis ein derber, schmerzhafter, geröteter und erwärmter Strang auf, meist liegt eine varikös veränderte Vene zugrunde (Abb. 1). Die Vena saphena magna ist häufiger betroffen als die Vena saphena parva und diese häufiger als isolierte Venenseitenäste. Die Thrombusausdehnung wird bei der klinischen Untersuchung oft unterschätzt (Abb. 2). Erst seit Einführung der Farbduplexsonographie ist es möglich, bei einer Thrombophlebitis die Ausdehnung der Entzündung, einen frei flottierenden Thrombus sowie einen Reflux oder eine Stase zu erkennen.

Die Ursachen der Thrombophlebitis ähneln denen der tiefen Beinvenenthrombose. Stase, Reflux, Krampfadern, Bettruhe, Gefäßverletzungen, Schwangerschaft und Geburt, Hormonbehandlung, frühere Thrombosen und vor allem orthopädische Operationen an Knie und Hüfte begünstigen das Auftreten der Thrombophlebitis [10, 11, 22].

Venenentzündungen treten zudem bei bestimmten Erkrankungen wie M. Behcet, M. Buerger und Mondor-Erkrankungen auf. Zudem können Infusionen und Infektionen Venenentzündungen verursachen [27].

Lokalisationen und Vorkommen

Die oberflächliche Venenentzündung wird in vorher nicht veränderten Venen (Thrombophlebitis) und in varikös veränderten Venen (Varikophlebitis) beobachtet. Eine Sonderform der Varikophlebitis ist die aszendierende Varikophlebitis (Abb. 3 und 4) der Vena saphena magna/parva. Dabei kann die Entzündung respektive der Thrombus noch nicht die Mündungsklappe erreicht haben (Stadium I), die Mündungsklappe erreicht haben (Stadium II), die tiefen Venen erreicht haben (Stadium III) bzw. über insuffiziente Perforansvenen bis in das tiefe Venensystem reichen (Stadium IV) [33].

Rezidive der Thrombophlebitis treten häufiger bei Gerinnungsdefekten (Protein S, Faktor VIII, u. a.) auf [6, 13, 14, 28].

Es gibt jahreszeitliche Schwankungen im Vorkommen der Thrombophlebitis – im Sommer hat sie Hochkonjunktur. Bei 8,6 – 24 % der Patienten besteht eine nicht von außen erkennbare tiefe Beinvenenthrombose, davon können etwa bis zu 28 % der Betroffenen an einer Lungenembolie erkranken [22, 30].

Patienten mit einer Erstmanifestation einer Thrombophlebitis und einer Thromboembolie erkranken leichter erneut [28]. Ausgangspunkt ist oft die Vena saphena magna [32], die Thrombophlebitis erscheint seltener in nicht varikös veränderten Venen [15]. Patienten mit Krampfadern sollten vor laparoskopischen bzw. orthopädischen Operationen an Knie und Hüfte vor dem Eingriff untersucht werden. Laparoskopische Operationen mit erhöhtem Druck im Bauchraum und spezieller Lagerung können Ursache aufsteigender Thrombophlebitiden sein [16].

Schließlich sind die Differenzialdiagnosen zu beachten [26, 27]:

  • Tropenerkrankung (Filariasis)
  • Drogenmissbrauch
  • Erysipel
  • Erythema nodosum
  • Cellulitis
  • Lymphangitis
  • Sarkoidose
  • Kutane Polyarthritis nodosa
  • Pseudothrombophlebitis bei HIV

Diagnostik

Anamnese und klinische Befunderhebung gehen Hand in Hand. Laboruntersuchungen wie Blutbild, Gerinnungsstatus und ggf. D-Dimer-Test sind Standard. Farbduplexsonographie (Reflux, Stase) und Kompressionssonographie sind führend in der Diagnostik und wichtig für die Entscheidung, welche Therapie erfolgen soll. Die Phlebographie sollte nur bei speziellen Fragestellungen erfolgen [5, 18, 24, 25]. Die Thrombophlebitis oberhalb des Knies und/oder nach operativen Eingriffen muss besonders engmaschig überwacht werden (TVT, aszendierende Thrombophlebitis) [29].

Therapie

Die Behandlung der oberflächlichen Venenentzündung wird meist symptomatisch, d. h. mit antientzündlichen Substanzen und Schmerztherapie, durchgeführt. Früher musste man das Bett hüten, heute ist bei Kompression Bewegung angesagt, allerdings keine sportliche Belastung [4, 7].

Die Kompressionsstrümpfe wirken schmerzlindernd und prophylaktisch gegen die tiefe Beinvenenthrombose [8]. Die Behandlung mit lokalen Externa wird kritisch gesehen [3].Die entscheidenden Therapiemodalitäten sind Operation mit Entfernung der Ursache (Krampfader) bzw. die Behandlung mit NSAR und niedermolekularen Heparinen (NMH).

Dabei kommen flottierende Thromben bei 11 % der operierten Patienten vor, ein Thrombus in der Mündung der Vena saphena magna bei 33 % und der Vena saphena parva bei 43 % [20]. Eine Lungenembolie nach Venenoperationen ist dennoch selten [17]. Zu beachten ist, dass die tiefe Beinvenenthrombose sowohl auf der Seite der Thrombophlebitis als auch im nicht betroffenen Bein auftreten kann [2].

Die Lokalisation der Thrombophlebitis (Oberschenkel, Krossenmündung) spielt eine entscheidende Rolle für die Art der Therapie. Stadium I und IV der aszendierenden Varikophlebitis können zunächst konservativ behandelt werden, bei Stadium II und III sollte auch an eine dringliche Operation bzw. Notfalloperation gedacht werden [33]. Die Thrombophlebitis im Mündungsbereich der Vena saphena bzw. im Oberschenkel sollte immer auch mit NMH behandelt werden [19]. Thromboembolische Komplikationen, auch bei operativen Eingriffen, können so verhindert werden [1, 8, 31, 32].

Ein Varixknoten lässt sich gut in Lokalanästhesie mit einer Inzision und Exprimieren des Thrombus behandeln (Abb. 5). Da die Thrombophlebitis bei Krampfadern erneut auftreten kann, sollte die Entfernung der Ursache (Krampfadern) je nach Befund empfohlen werden [23] (Abb. 6).

Die Frage, wie lange man bei bestehender Thrombose bzw. frei flottierendem Thrombus behandeln soll, ist nicht völlig entschieden. Auch eine Therapieverlängerung kann Risiken beinhalten. Je nach Befund (Seitenast) und Zustand des Patienten kann eine Therapie mit NMH allein versucht werden. Die Antibiotikagabe wird nur bei eitriger Thrombophlebitis bzw. Lymphangitis empfohlen [7, 11, 12].

Die besonderen Erkrankungsformen der Thrombophlebitis wie z. B. die Mondor-Thrombophlebitis, eine Entzündung der oberflächlichen Venen der Brust nach Trauma, Anstrengung, Operation und selten Tumor, erfahren je nach Befund meist symptomatische Behandlung [9]. Die Thrombophlebitis der oberen Extremitäten, meist durch Braunülen oder Drogenabusus verursacht, wird bei Infektion mit Antibiotika und ggf. Wundsanierung beherrscht. Durch tägliche Pflege der Einstichstelle (Braunüle) lassen sich Entzündungen vermeiden [21].

Fazit

Die Thrombophlebitis ist wie ein Chamäleon – sie zeigt sich uns in unterschiedlichen Farben. Wenn sie von einer tiefen Beinvenenthrombose begleitet wird, kann sie lebensbedrohlich werden. Die Untersuchung erfolgt mit Farbduplexsonographie – bei Bedarf engmaschig! Behandelt wird je nach Lokalisation und Ausdehnung konservativ mit Kompression, antientzündlichen und antithrombotischen Substanzen sowie chirurgisch.


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Autor:

Prof. Dr. med. René Holzheimer, Sauerlach

Facharzt für Chirurgie – Sportmedizin
Praxisklinik Sauerlach
82054 Sauerlach

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (19) Seite 40-42