Wo lauern die Fallstricke, wenn es um die Beurteilung von Beschwerden des Bewegungsapparats durch den Hausarzt geht? Was sind häufige Untersuchungsbefunde bei schmerzenden Füßen? Welche Einlagen machen Sinn, welche nicht? Und was steckt eigentlich hinter dem sogenannten "unspezifischen Kreuzschmerz"?

Die Spiraldynamik Med Center in Basel, Bern und Zürich beurteilen jedes Jahr konsiliarisch Patienten von mehreren Hundert verschiedenen zuweisenden Ärzten – was einen vertieften Einblick in die diagnostischen, therapeutischen, prognostischen und pathomechanischen Herausforderungen der täglichen Grundversorgung gibt. Die wichtigsten Stolpersteine bezüglich Fuß und Rücken sind hier zusammengetragen.

Fallstricke beim Fuß

Vorfußschmerzen lassen sich anhand typischer Symptome differenzieren. Beim Morton-Neuromschmerz treten die Schmerzen beim Gehen oft unverhofft und heftig auf. Typisch ist auch der Nachtschmerz, teilweise mit elektrischen Sensationen in den Zehen. Patienten zeigen mit dem Finger meist von oben auf den Vorfuß. Bei der Untersuchung imponiert eine isolierte Schmerzauslösung durch bidigitale Kompression des intermetatarsalen Zwischenraums II – III bzw. III – IV.

Beim Drucküberlastungsschmerz nehmen die Schmerzen proportional zur Belastungszeit und Belastungsintensität zu und sind für den Patienten meist gut berechenbar: "Es beginnt nach zehn Minuten … nach einer halben Stunde ist Endstation." Barfuß auf hartem Boden gehen verstärkt die Druckbelastung und damit die Schmerzen. Patienten zeigen mit dem Finger meist von unten auf den Vorfuß und dort meist auf die Metatarsalköpfchen. Hornhautbildung unter dem 2. oder 3. Zehengrundgelenk verdichten die Hinweise für eine mechanische Drucküberlastung.

Spreizfüßigkeit bedeutet eine Überlastung der intermetatarsalen intrinsischen Vorfußmuskulatur. Bei der klinischen Untersuchung sind typischerweise alle interdigitalen Zwischenräume gleichermaßen druckdolent – und dies meist beidseitig.

Exquisiter Belastungsschmerz ab dem 1. Schritt lässt an eine sich anbahnende Stressfraktur oder einen sonstigen Knochenschmerz denken. Vorstadien mit Mikrofrakturen des Trabekelwerks kündigen sich regelmäßig durch belastungsabhängige Schmerzen an.

Einlagenrezept gegen Spreizfüße

Damen ab 40 mit schmerzhaften Spreizfüßen lösen beim Arzt reflexartig den Griff zum Rezeptblock aus: Meist werden Einlagen mit retrokapitaler Pelotte verschrieben. Diese führen nachweislich zu einer Druckentlastung der Mittelfußköpfe mit vorübergehender Schmerzreduktion. Pelotten entlasten allerdings nur auf Zeit. Die Druckbelastung wird nach hinten verlagert – weg von den Metatarsalköpfen hin zur intrinsischen Vorfußmuskulatur. Mit anderen Worten: Der Druck kommt jetzt auf die Muskeln statt auf die Knochen. Die Mm lumbricales und interossei werden wenig Freude daran haben, erneutes und diesmal virulentes Aufflammen der Metatarsalgie nach einer schmerzreduzierten Phase von einigen Jahren ist vorprogrammiert. Eine sinnvolle Einlagentherapie kombiniert diese immer mit einer aktiven funktionellen Therapie zur Wiederherstellung des muskulären Quergewölbes im Vorfußbereich.

Kinderfußgymnastik

Füße auf- und abwippen und mit den Zehen einen Bleistift oder ein Handtuch greifen – dies sind die beiden kaum auszurottenden und oft ärztlich empfohlenen Übungen für Kinderfüße. Gleich doppelt falsch: Das Wippen in den Zehenstand führt zu verkürzten Wadenmuskeln. Besser ist die "Turmspringerübung": Rückwärts mit beiden Vorfüßen auf der untersten Treppenstufe stehen und langsam die Fersen absinken lassen. Dies kombiniert exzentrische Muskelaktivität mit Muskellänge – genau darauf kommt es an!

Beim Greifen eines quer zum Vorfuß liegenden Bleistifts zur Kräftigung der Zehen werden die bereits hyperaktiven langen Zehenbeugemuskeln aktiviert. Den intrinsischen Vorfußmuskeln – den Mm lumbricales und Mm interossei – droht so die therapeutisch induzierte Atrophie im Kindesalter. Besser ist das Schreiben mit dem Bleistift mit entspannten Zehen (Abb. 1a bis c).

Statische Fußdeformitäten: Wirklich irreversibel?

Hallux valgus und Co. gelten als irreversibel. Sind sie das wirklich? Was durch chronische Fehlbelastung im Verlaufe der Jahre deformiert wurde, kann durch chronisch richtige Belastung, im Rahmen der biologischen Gewebeadaptation, zumindest teilweise wieder reformiert werden (Abb. 2).

Fallstricke beim Rücken

Der unspezifische Kreuzschmerz heißt so, weil sich keine strukturellen Ursachen wie zum Beispiel Bandscheibenprolaps, Listhesis oder Spinalkanalstenose finden lassen. Richtiger wäre die Bezeichnung dysfunktioneller Rückenschmerz, weil strukturell unspezifische Rückenschmerzen durchaus spezifische funktionelle Ursachen haben können.

Der quantitative Bewegungsmangel ist die vielleicht häufigste Ursache des unspezifischen Kreuzschmerzes. Seit zirka 4 Millionen Jahren läuft der Mensch aufrecht auf zwei Füßen, rund 20 Kilometer pro Tag sollen es sein. Vor 6 000 Jahren ist er – dem Ackerbau sei Dank – sesshaft geworden. Seit 20 Jahren ist er – dem PC sei Dank – "sesselhaft" geworden.

Statische Überlastung durch ewiges Sitzen bei der Arbeit, im Auto und zu Hause folgt auf Platz zwei. Permanente Sitzkyphose mit Gewebeüberdehnung und Minderdurchblutung führen zu muskulären und ligamentären Kreuzschmerzen. Vor 100 Jahren noch haben 80 % Prozent der Schweizer Bevölkerung ihre Muskeln dynamisch belastet, heute belasten 80 % der Bevölkerung ihre Muskeln bei der Arbeit statisch.

Hohlkreuz

Die Hyperlordosis lumbalis communis – die gewöhnliche und alltägliche Hohlkreuzhaltung – führt regelmäßig zu massiven Verkürzungen und Verspannungen speziell des M. quadratus lumborum und der Hüftbeuger, zur Labilisierung der lumbalen Facettengelenke, zu Periostschmerz durch ossäre Fehlkontakte – die Processi articulares inferiores wirken wie kleine scharfe Meißel auf dem direkt darunterliegenden Wirbelbogen des nächsten Wirbelkörpers.

Beckenschiefstand

Zu einem Beckenschiefstand kommt es durch mechanische Fehlkontakte in der lumbosakralen "Wetterecke", meist auf der konkaven Seite und durch muskuläre Überdehnung auf der konvexen Seite.

Hüft-Streck-Defizit

Regelmäßig kommt es bei Stehberufen und bei Laufsportarten zur Überlastung der lumbalen Segmente durch fehlendes Streckvermögen der Hüftgelenke – meist bedingt durch verkürzte Muskel- und Bandstrukturen und/oder fehlende muskuläre Rumpfstabilität. Das Becken ist zwangsweise nach ventral gekippt.

Steifer Rundrücken

Speziell bei Tennis- oder Golfspielern kommt es zur Überlastung der lumbalen Segmente durch fehlende BWS-Rotationsbeweglichkeit. Die Gelenkflächen der kleinen Wirbelgelenke stehen lumbal in der Sagittalebene (Abb. 3) – aus diesem Grund sind sie für Rotationsbewegungen der Wirbelsäule denkbar ungeeignet – die sensiblen Gelenkflächen knallen aneinander. Im Gegensatz dazu liegen die Gelenkflächen der thorakalen Wirbelgelenke in der Frontalebene – deshalb ist die Brustwirbelsäule von Natur aus drehfreudig.

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici Sonderheft: Spiraldynamik, Oktober 2012

Literatur bei der Verfasserin.



Autor:

Dr. med. Nina Kübler, Zürich

FMH Unfallchirurgin
Spital Zofingen
Spiraldynamik Med Center CH-8044 Zürich

Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (18) Seite 58-61