Nach einem akuten Koronarsyndrom – sei es eine instabile Angina pectoris oder ein Myokardinfarkt – ist eine Sekundärprophylaxe erforderlich. Diese besteht neben der Behandlung der Risikofaktoren vor allem in einer dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung und in der Akutphase des Infarkts auch aus einer antithrombotischen Therapie. Welche Substanzen sich dabei im Einzelnen in Studien bewährt haben und bei welchen die Datenlage (noch) nicht ausreicht, soll im folgenden Beitrag dargestellt werden.
Das klinische Spektrum des akuten Koronarsyndroms (ACR) umfasst die instabile Angina pectoris (IAP), den Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI) und den ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI). Pathophysiologisch ist das akute Koronarsyndrom auf die Ruptur von Koronarplaques zurückzuführen, wobei der NSTEMI durch eine Minderperfusion des entsprechenden Versorgungsgebietes verursacht wird und der STEMI Folge eines akuten Verschlusses einer entsprechenden Koronararterie ist [1, 2].
Duale Thrombozyten-Aggregationshemmung
Neben Lebensstiländerungen und Optimierung und Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren nimmt die duale Thrombozyten-Aggregationshemmung (DAPT) eine zentrale Rolle in der Sekundärprävention beim ACS ein. Durch die DAPT wird die Rate von kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt oder ischämischen Schlaganfällen bei Patienten mit ACS gesenkt [3].
Clopidogrel
Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zum ACS empfehlen nach erfolgter primärer perkutaner Koronarintervention (PCI) mit Stentimplantation eine langfristige DAPT-Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) und einem ADP-Rezeptorantagonisten [1, 2]. Diese Empfehlung basiert im Wesentlichen auf den Daten der CURE-Studie. Hierbei konnte vorwiegend bei Patienten mit stabiler KHK gezeigt werden, dass durch eine DAPT mit ASS und Clopidogrel für die Dauer von zwölf Monaten nach PCI im Vergleich zur ASS-Monotherapie die Rate des kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulärer Mortalität, nicht tödlichen Myokardinfarkten und Schlaganfällen signifikant gesenkt werden konnte (9,3 % vs. 11,4 %) [3].
Prasugrel
Zusätzlich zum Clopidogrel wurden Prasugrel und Ticagrelor als zwei weitere ADP-Rezeptorantagonisten im klinischen Alltag etabliert [1, 2, 3, 5]. Prasugrel wirkt wie Clopidogrel auch über eine Hemmung des ADP-Rezeptors an der Oberfläche der Thrombozyten. Hierbei wird Prasugrel ebenfalls über das Cytochrom-P450 metabolisiert, im Vergleich zu Clopidogrel ist bei Prasugrel jedoch nur ein einziger Metabolisierungsschritt zur Verstoffwechselung und Umwandlung in die aktive Substanzform erforderlich [5]. Hierdurch werden ein vergleichsweise schnellerer Wirkeintritt und eine höhere maximale Plättchenhemmung möglich [5].
Die Überlegenheit der DAPT mit Prasugrel gegenüber Clopidogrel beim ACS konnte in der TRITON TIMI-38-Studie nachgewiesen werden [4]. Die Behandlung mit Prasugrel führte zu einer Risikoreduktion des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall) sowie zu einer Senkung der Inzidenz von frühen wie auch späten Stentthrombosen (1,13 % vs. 2,35 %) [4]. Dieser Vorteil konnte allerdings in einer Subgruppenanalyse nicht bestätigt werden. Hierzu gehörten Patienten mit einem Lebensalter ≥ 75 Jahre, einem niedrigen Körpergewicht (< 60 kg) und bereits stattgehabter transitorischer ischämischer Attacke oder Schlaganfall. Basierend auf den Daten der TRITON TIMI-38-Studie wurde die DAPT mit ASS und Prasugrel für die Dauer von zwölf Monaten in die aktuellen ESC- wie auch DGK-Leitlinien zum STEMI und NSTEMI aufgenommen (Empfehlungsgrad 1B) [1, 2].
Ticagrelor
Im Gegensatz zu Prasugrel und Clopidogrelist Ticagrelor ein reversibler P2Y12-Rezeptorhemmer. Hierbei erfolgt die Metabolisierung unabhängig von Cytochrom P450, was einen rascheren Wirkungseintritt zur Folge hat. In der PLATO-Studie (PLATelet inhibition and patient Outcomes) konnte bei Patienten mit ACS eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall (9,8 % vs. 11,7 %) nachgewiesen werden [5]. Basierend auf diesen Daten wird in den DGK- und ESC-Leitlinien zum STEMI die DAPT mit ASS und Ticagrelor empfohlen (Empfehlungsgrad 1B) [1, 2]. Die Leitlinien zum NSTEMI sehen zusätzlich eine Empfehlung für Ticagrelor bei Patienten mit moderatem bis hohem Risiko (z. B. Troponin-Erhöhung) sowie einer Vorbehandlung mit Clopidogrel vor (Empfehlungsgrad 1B) [1].
Aufgrund der Überlegenheit von Prasugrel (TRITON TIMI-38) und Ticagrelor (PLATO) gegenüber Clopidogrel beim ACS ist die DAPT mit ASS und Clopidogrel nur noch bei Kontraindikationen gegen den Einsatz der o. g. ADP-Rezeptor-Antagonisten vorgesehen (Empfehlungsgrad 1c) [1, 2].
Antithrombotische Therapie
In der Akutphase des STEMI ist eine antithrombotische Therapie indiziert. Hierbei steht neben dem Heparin die Therapie mit Bivalirudin, einem direkten Thrombininhibitor, zur Verfügung. In der HORIZONS-AMI-Studie wurde die antithrombotische Therapie mit Bivalirudin mit einer Kombination aus unfraktioniertem Heparin plus einem Glycoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten bei STEMI nach primärer PCI verglichen [6]. Hierbei konnte durch den Einsatz von Bivalirudin bereits nach einem Beobachtungszeitraum von 30 Tagen die Gesamtmortalität wie auch die Rate an tödlichem Myokardinfarkt signifikant gesenkt werden (1,8 % vs. 2,9 %) [6]. In diesem Zusammenhang wurde eine signifikante Reduktion von "ernsthaften Blutungen" (Major Bleedings) durch die Therapie mit Bivalirudin beim STEMI nachgewiesen (5,1 % vs. 8,8 %) [6]. Dem Vorteil durch Bivalirudin gegenüber Heparin (plus GPIIb/III-Antagonisten) steht jedoch eine erhöhte Rate an frühen akuten Stentthrombosen gegenüber (5,1 % vs. 4,5 %).
Seit der Veröffentlichung der HORIZONS-AMI-Studie im Jahr 2009 wurde die Therapie des STEMI zum einen um die "neuen" Thrombozyten-Aggregationshemmer (Ticagrelor und Prasugrel) erweitert. Zum anderen wird die PCI seither zunehmend über einen radialen Zugang (Gefäßzugang über die Armarterie) durchgeführt, was mit einem geringeren Blutungsrisiko assoziiert ist.
Die EUROMAX (European Ambulance Acute Coronary Syndrome Angiography)-Studie untersuchte die Behandlung des STEMI, angepasst an diese erweiterten Bedingungen, und sollte die Überlegenheit durch den Einsatz von Bivalirudin gegenüber Heparin bestätigen [8]. In der Bivalirudin-Gruppe war nach einem Beobachtungszeitraum von 30 Tagen eine signifikante Reduktion der Häufigkeiten an Blutungen (2,6 % vs. 6,0 %) wie auch des primären Endpunkts (Tod oder schwere Blutungen: 5,1 % vs. 8,4 %) zu beobachten [8]. Allerdings war die Rate an akuten Stentthrombosen (1,1 % vs. 0,2 %) in der Bivalirudin-Gruppe wie auch in der Vorgängerstudie (HORIZONS-AMI) weiterhin deutlich erhöht [7, 8].
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
Im Rahmen eines ACS kommt es neben der Thrombozytenaggregation zu einer Aktivierung der plasmatischen Gerinnungskaskade. In diversen Studien wurde die Kombination von DAPT (mit Clopidogrel) und einem Vitamin-K-Antagonisten untersucht, wobei eine nicht-signifikante Tendenz zur Abnahme der akut-ischämischen Ereignisse beobachtet werden konnte [9, 10]. Diesem Nutzen stand jedoch im Vergleich zur Plazebogruppe ein signifikant höheres Blutungsrisiko gegenüber, so dass sich die Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten als Sekundärprävention beim ACS nicht durchsetzte [9, 10].
Inzwischen stehen zur oralen Antikoagulation weitere "direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)" zur Verfügung, die sich durch eine einfachere Handhabung auszeichnen. In der plazebokontrollierten ATLAS-ACS-2-Studie wurde die Therapie mit Rivaroxaban, einem direkten Faktor-Xa-Inhibitor, in Kombination mit einer DAPT bei Patienten mit ACS untersucht [11]. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigten einen signifikanten Vorteil für den kombinierten Endpunkt kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall. Allerdings war die Häufigkeit ernsthafter Blutungen (Major Bleedings) unter Rivaroxaban deutlich erhöht (2 x 2,5 mg: 1,8 % vs. 2 x 5 mg: 2,4 % vs. Plazebo: 0,6 %) [11].
In der APPRAISE-Studie wurde die sekundärprophylaktische orale Antikoagulation (OAK) mit Apixaban, einem weiteren direkten Faktor-Xa-Inhibitor, bei Patienten mit ACS untersucht [12]. Hierbei zeigte sich ein nicht-signifikanter Trend zur Reduktion an ischämischen Ereignissen bei gleichzeitigem dosisabhängigen Anstieg von Blutungskomplikationen. Die folgende APPRAISE-II-Studie (2 x 5 mg Apixaban) wurde aufgrund von erhöhten Blutungskomplikationen frühzeitig beendet [12].
Bei speziellen Indikationen ist allerdings zusätzlich zur DAPT eine dauerhafte antithrombotische Therapie erforderlich (z. B. Vorhofflimmern). Allerdings liegen derzeit keine randomisierten prospektiven Studien zu OAK und DAPT bei ACS vor, so dass ein erhöhtes Risiko an Blutungskomplikationen individuell berücksichtigt und die Therapie an das Blutungsrisiko angepasst werden sollte.
Co-Autoren: Christian Hamm, Holger M. Nef
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (16) Seite 36-38