Kongressbericht: Die Behandlung und Rezidivprophylaxe von Patienten mit venösen Thromboembolien und Lungenembolien hat sich in den vergangenen Jahren durch die Einführung der neuen oralen Antikoagulantien (NOAK/DOAK) verändert, nachdem sich in den 60 Jahren zuvor keine grundlegende Neuentwicklung in der Therapie ergeben hatte. Trotzdem sollte initial nicht auf Heparin verzichtet werden.

Die jetzt häufig nicht mehr als „NOAK“, sondern als „DOAK“ (für „direkte orale Antikoagulantien“) bezeichneten Substanzen haben sich in Studien als genauso effektiv wie Warfarin herausgestellt. Daran hat Professor Dr. Harry R. Büller aus Amsterdam Ende April beim 23. biennalen International Congress on Thrombosis (ICT) in Valencia, Spanien, erinnert.

„Die DOAK sind bei gleicher Effektivität sicherer als Heparin – sowohl bei tiefer Beinvenenthrombose als auch bei Lungenembolie – , weil sie das Blutungsrisiko verringern“, sagte Büller. Der Kardiologe hatte dies als Leiter in der 2013 beim ESC in Amsterdam vorgestellten und inzwischen publizierten Hokusai-VTE-Studie nachgewiesen. Darin war Edoxaban gegen Warfarin zur Behandlung von Patienten mit symptomatischen Beinvenenthrombosen geprüft worden.

Vor allem ältere Patienten würden von den DOAK profitieren, so Büller, außerdem Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate zwischen 30 und 50 mg/dl sowie übergewichtige Patienten. Aus den ebenfalls beim Kongress erstmals vorgestellten PREFER-VTE-Registerdaten ergab sich für die Behandlungsrealität allerdings, dass derzeit vor allem jüngere Patienten mit DOAC therapiert werden.

Büller erläuterte, dass es noch viele ungelöste Fragen in der Therapie gebe: So besteht zum Beispiel noch Unklarheit, ob auch bei Krebspatienten ein Vorteil durch DOAK erwartet werden kann. Außerdem steht ein direkter Vergleich zwischen DOAK und niedermolekularem Heparin in einer klinischen, kontrollierten Studie noch aus.

Möglichst initial nicht auf Heparin verzichten

Einen Hinweis, möglichst initial nicht auf Heparin zu verzichten, haben die van-Gogh-Studien bei tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie erbracht. In den Studien wurde mit einem Polysaccharid ohne initiales Heparin vs. Heparin plus Vitamin-K-Antagonist behandelt. Es zeigte sich, dass die Patienten, die ohne Heparin ausgekommen waren, bei Endpunkten wie Mortalität und Rezidiven schlechter abschnitten als solche, die initial Heparin erhielten. Die van-Gogh-DVT- und -PE-Studien wurden deshalb vorzeitig abgebrochen.

Schließlich sei zu berücksichtigen, so Büller, dass alle Zulassungsstudien der DOAK initial niedermolekulares Heparin im Studiendesign hatten. Deshalb sollte in der akuten Phase einer tiefen Beinvenenthrombose derzeit nicht auf Heparin verzichtet werden.

Eine mögliche Erklärung von Büller: Heparin hat zusätzliche Effekte, die über die reine Gerinnungshemmung hinausgehen: „Bei ­Patienten mit Lungenembolie kommen vasodilatierende Effekte hinzu, die durch gesteigerte NO-Spiegel zustande kommen.“ Auch scheint Heparin nach einem ischämischen Schaden die vasodilatatorische Funktion aufrechtzuerhalten. Es inhibiert Thrombin und reduziert die Thrombinbildung unter gleichzeitiger Reduktion der Plättchenaktivität und der plättchenabhängigen Vasokonstriktion – weitere Eigenschaften, die sich möglicherweise auch klinisch auswirken, so Büller in Valencia.



Autor:
Rainer Klawki

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (13) Seite 50