Atemnot ist einer der häufigsten Gründe für Patienten, ihren Hausarzt aufzusuchen. Ziel einer dann anstehenden diagnostischen Klärung ist es in der Regel, möglichst rasch eine Übereinstimmung zwischen geklagten Symptomen und Messbefunden zu finden, um somit eine gesicherte Diagnose stellen und eine wirksame Therapie einleiten zu können.

Leider lässt sich dieses Kausalitätsbedürfnis im Zusammenhang mit dem Symptom Atemnot jedoch nicht immer befriedigen. Vielmehr finden sich immer wieder Patienten, die eine unerklärliche Diskrepanz zwischen geschilderter Symptomatik und fassbaren Messparametern aufweisen.

Da insbesondere anfallsartig auftretende, heftige Dyspnoe von Patienten als mehr oder weniger bedrohlich erlebt wird, ist der Arzt in der Alltagspraxis mit einer eindeutigen diagnostisch/therapeutischen Erwartungshaltung konfrontiert. Führen dann beispielsweise unter Annahme eines Asthma bronchiale als Ursache für derartige Atemnot entsprechende antiobstruktive oder antientzündliche inhalative Medikamente nicht zur Besserung der Symptome, so kann es leicht passieren, dass sowohl Arzt als auch Patient in eine schwierige, verunsichernde Konstellation geraten können. Als Erklärung für klinisch unbehandelbar erscheinende Asthmaverläufe stellt nicht selten die Vocal Cord Dysfunction, die als pathologischer, intermittierend meist inspiratorisch auftretender Stimmbandschluss definiert ist, ein erklärendes Korrelat dar. Auch eine Hyperventilation kann vom Patienten trotz eines Überschusses an Atemintensität als bedrohlich und mit Atemnot einhergehend erlebt werden. Zunächst gilt es zu klären, wie überhaupt das Leitsymptom Dyspnoe zu definieren und zu erfassen ist.

Atemnot differenzieren

Messbar ist Atemnot als von einem Patienten erlebtes Gefühl nicht. In der Regel steht für den Patienten die bewusste Wahrnehmung einer unbehaglichen Atemanstrengung hinter diesem Symptom. Dabei kann Atemnot sehr unterschiedlich – teils als erhöhte Arbeit/Anstrengung, als Lufthunger sowie als beängstigendes Erstickungsgefühl – erlebt werden. Die Ausprägung dieser unterschiedlichen Atemnotqualitäten ist sowohl von der zugrunde liegenden Störung als auch vom Patienten selbst abhängig.

Wie kann der Arzt in der täglichen Allgemeinarztpraxis nun möglichst einfach und zielführend aus dieser kompliziert erscheinenden Konstellation herausfinden? Die Lösung ist in vielen Fällen relativ einfach. Es gilt, Atemnot ähnlich einer Schmerzanamnese als facettenreiches Symptom exakt zu hinterfragen. So sollte geklärt werden, ob Dyspnoe während der Ein- oder Ausatmung auftritt, ob es exogene inhalative Auslöser gibt und welche Rolle der Husten bei der Dyspnoe-Auslösung spielen kann.

Darüber hinaus sollte erfragt werden, ob die Atemprobleme nur unter körperlicher oder psychischer Belastung, in Ruhe, nachts oder lageabhängig auftreten und wie die Manifestation der Atemeinschränkung im Hinblick auf Eintrittsgeschwindigkeit, Dauer sowie auch Mechanismen der Symptomreduktion erlebt wird. Eine Orientierung zur Abgrenzung typischer Asthmabeschwerden von Symptomen einer VCD findet sich in Tabelle 1.

Vocal Cord Dysfunction als Ursache?

Bei der Überlegung, ob eine Vocal Cord Dysfunction (VCD) als Ursache unklarer, scheinbar nicht behandelbarer Atemnotanfälle zu berücksichtigen ist, spielt vor allem die Manifestationsgeschwindigkeit eine Rolle. Benötigt ein durch Allergene oder inhalative Irritationen ausgelöster Asthmaanfall doch zumindest einen Zeitraum von drei bis fünf Minuten, um sich zu manifestieren, so ist es für eine VCD typisch, dass die Atemnot von einem Atemzug zum anderen, d. h. perakut auftritt. In der Regel zeigt sich entgegen der asthmatischen Manifestation diese Dyspnoe zu über 90 % bei der Einatmung. Bei Befragung geben die Patienten typischerweise ein Engegefühl im Hals- bzw. im oberen Thoraxbereich an.

Anfall dokumentieren!

Über kurz oder lang werden Patient und Arzt realisieren, dass eine klassische Asthma-Medikation hierbei nicht weiterhilft. Eine in Ruhe, außerhalb der geschilderten Problemsituationen durchgeführte Diagnostik wird ebenfalls keine neuen Erkenntnisse bringen bzw. nur bei subtiler Betrachtung diskrete Einschränkungen der Inspiration erkennen lassen. Bei wiederholten unklaren Atemnotanfällen empfiehlt es sich, die heute überall verfügbare Technik einer Videodokumentation z. B. mittels Smartphone zu nutzen, um einen solchen Dyspnoe-Anfall zu dokumentieren. Da die Dauer dieser Anfälle in der Regel auf ein bis zwei Minuten beschränkt ist, hat der Patient meist keine Chance, sich mit einer akuten Symptomatik notfallmäßig zur Diagnostik vorzustellen.

Mögliche Ursachen

Als ursächlich für eine VCD werden heute entzündliche Veränderungen im Bereich der Nase und Nasennebenhöhle z. B. im Sinne eines Post Nasal Drip diskutiert. Als noch bedeutender wird von Experten inzwischen eine Refluxproblematik angesehen, wobei hier weniger der gastro-ösophageale, als vielmehr der laryngo-pharyngeale Reflux (LPR) von Bedeutung zu sein scheint, der über repetierende Irritationen zur Auslösung von VCD-Atemnotanfällen führen kann. Zudem können akute Pharyngitiden wie auch Recurrensparesen z. B. nach Struma-Op. typische Erstauslöser einer VCD darstellen. Nicht selten trägt die Kombination der genannten pathophysiologischen Mechanismen zur Erstmanifestation einer VCD bei.

Ein bewiesenes pathophysiologisches Konzept der VCD existiert noch nicht. Die früher im Vordergrund stehende Sicht, dass es sich bei der VCD ausschließlich um ein psychosomatisches Krankheitsbild handelt, sollte allerdings mit größter Vorsicht betrachtet werden. Vielmehr führen in vielen Fällen wiederholte, als lebensbedrohlich erlebte Erstickungsanfälle mit Angst- und Panikattacken über die Zeit eher dazu, einen zuvor psychisch unauffälligen Menschen zu destabilisieren, so dass eine psychosomatische Irritation anmuten mag. Diese ist jedoch in den meisten Fällen eher im Sinne einer somatopsychischen Reaktion zu sehen. In einigen Fällen hingegen lassen sich deutliche psychische Überforderungssituationen mit Neigung zu Angst und Hyperventilation als ursächlich detektieren.

Therapieoptionen

Die nachhaltige Behandlung entzündlicher Affektionen der Nase und Nasennebenhöhlen sowie die konsequente Beseitigung eines vorliegenden LPR können bereits zur Besserung der Symptomatik führen. Ansonsten gilt es, dem Patienten unter Erläuterung der Symptomatik entsprechende Informationen zukommen zu lassen, die zunächst dazu beitragen sollen, die in der Regel erhebliche Angstkomponente zu reduzieren oder zu eliminieren. Erst dann sind die Patienten in der Lage, konsekutiv erleichternde Atemstrategien zu erlernen, die generell im Sinne von bauchbetonter Atmung oder einer entspannten, vorsichtigen nasalen Inspiration zu beschreiben sind (throat relaxed breathing).

In chronifizierten, heftiger ausgeprägten Fällen empfiehlt es sich, die Symptomatik differenzialdiagnostisch möglichst beweisend aufzuarbeiten und dann durch bezüglich VCD erfahrene Atem-Physiotherapeuten entsprechende Strategien vermitteln zu lassen.

Dass die VCD in ca. 75 % das weibliche Geschlecht betrifft, ist ebenso bekannt wie unerklärt. Insgesamt werden prospektive Studien benötigt, die weitere Aufschlüsse zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der VCD geben können. Sichere Angaben zur Häufigkeit einer VCD-Erkrankung fehlen noch, jedoch gehen Experten aktuell für Deutschland von einer Gesamtzahl von ca. 250 000 – 300 000 aus, d. h. dass dieses Problem in jeder Hausarztpraxis anzutreffen sein müsste.

Fazit

Zusammenfassend handelt es sich bei einer VCD um ein klinisch durchaus asthmaähnliches Krankheitsbild, was durch plötzlich auftretende, inspiratorische Atemnotattacken von meist sehr kurzer Dauer charakterisiert ist und selbst auf eine hochdosierte antiasthmatische Therapie nicht anspricht.

Die exakte Atemnotanamnese und subtile Deskription der Atemnotzustände kann auch ohne apparative Diagnostik bereits wegweisend sein. Die frühzeitige Diagnosestellung ist enorm wichtig, da eine Chronifizierung sowie Eskalation einer antiasthmatischen Therapie auf Dauer zu erheblicher und vermeidbarer Invalidisierung führen kann.


Komplizierend weisen mehr als die Hälfte der Patienten neben der VCD ein koinzidentes Asthma bronchiale auf, so dass es für die Betroffenen zu erlernen gilt, die obere, halsbetonte, inspiratorische Atemnot von der unteren, thorakalen, exspiratorischen Atemnot zu unterscheiden und dann jeweils die richtigen therapeutischen Maßnahmen zu ergreifen.


Literatur
1) K. Kenn, M. M. Hess: Vocal Cord Dysfunction, Deutsches Ärzteblatt Int. 2008, Jg. 105 (41): 699 704
2) K. Kenn und I. Heinzelmann: Anstrengungsatemnot – immer nur Asthma?, Atemwegs- und Lungenkrankheiten, Jahrgang 37, September: 374 378
3) R. Balkissoon, K. Kenn: Asthma: Vocal Cord Dysfunction (VCD) and otherDysfunctional Breathing Disorders, Semin Respir Crit Care Med 2012;33 (6): 595–605
4) K. Kenn, R. Balkissoon: Vocal cord dysfunction: what do we know?, Eur Respir J 2011; 37 (1): 194 200

Autor

Dr. med. Klaus Kenn

Schön Klinik Berchtesgadener Land GmbH & Co. KG
83471 Schönau am Königssee


Interessenkonflikte:
Der Autor hat keine deklariert.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (12) Seite 64-66