Die Verordnung „potenziell inadäquater Medikamente“ an ältere Menschen ist in den letzten Jahren in Deutschland insgesamt leicht zurückgegangen. Dies geht aus einer Analyse von Verordnungszahlen der Techniker Krankenkasse hervor. Ärzte verschreiben die Mittel jedoch noch immer in den höheren Altersgruppen, in denen sie besonders riskant sind.

Einige Medikamente sind für ältere Menschen schlecht verträglich, andere sind riskant, weil beispielsweise die Leber sie im Alter schlechter abbaut oder die Nieren sie langsamer ausscheiden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat deshalb eine Liste potenziell inadäquater Medikamente (PIM) aufstellen lassen. Diese wurde 2010 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht, das allen Ärzten in Deutschland zugeschickt wird. Die PRISCUS-Liste ( http://www.priscus.net ) umfasst 83 problematische Wirkstoffe, die die Ärzte bei älteren Menschen nach Möglichkeit nicht verordnen sollen. Sie nennt in allen Fällen therapeutische Alternativen. Die Anwendung der Liste ist allerdings für die Ärzte nicht verbindlich.

Professor Roland Linder vom Wissenschaftlichen Institut der Techniker Krankenkasse in Hamburg hat nun untersucht, inwieweit Ärzte die PRISCUS-Liste umsetzen. Dazu verglich er die Verordnung von PIM im Zeitraum 2008 bis 2012, also in den Jahren vor und nach Veröffentlichung der Liste. Im Zeitraum 2008 bis 2012 hat sich demnach der Anteil der Älteren mit mindestens einer PRISCUS-Verordnung von fast 22 % auf rund 19 % vermindert. Der Rückgang habe allerdings bereits vor der Veröffentlichung der PRISCUS-Liste begonnen und sich danach unverändert fortgesetzt. Ein günstiger Einfluss der PRISCUS-Liste auf das Verordnungsverhalten sei deshalb nicht erkennbar.

Je älter, umso mehr inadäquate Arzneimittel

Die Verordnungen von PIM hat in allen Altersgruppen abgenommen. Nach wie vor würden sie jedoch über 80-jährigen Patienten häufiger verordnet als unter 50-jährigen, stellt Professor Linder fest. Bei einigen Wirkstoffen seien sich die Ärzte offenbar der Risiken bewusst. So würden Antipsychotika bei älteren Patienten gemieden, weil sie anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung auslösen können. Bei den Mitteln gegen Depressionen würden jedoch weiterhin Wirkstoffe aus der Gruppe der nichtselektiven Monoamin-Wiederaufnahmehemmer eingesetzt, obwohl sie bei älteren Patienten Nebenwirkungen verursachen. Eine häufige Verordnung von PIM stellte Professor Linder auch bei gefäßerweiternden Mitteln fest, die bei Durchblutungsstörungen in den Beinen eingesetzt wurden. Hier wurden PIM bei Menschen über 65 Jahre dreimal häufiger verordnet als bei jüngeren Patienten.

Eine Verordnung von PIM sei trotz der PRISCUS-Liste im Alter nicht immer zu vermeiden, meint der Experte. Es gebe Einzelfälle ohne Therapiealternativen. Der Vergleich mit anderen Studien zeige jedoch, dass sich Deutschland im internationalen Vergleich bei den PIM-Verordnungen im oberen Mittelfeld befände. In Italien liege der Anteil bei gut 26 %, in Dänemark seien es jedoch nur knapp 6 %.

Für Professor Linder stellte sich die Frage, wie der PIM-Anteil weiter gesenkt werden könnte. Die Techniker Krankenkasse teile ihren Versicherten auf Wunsch mit, welche Arzneimittel auf der PRISCUS-Liste geführt werden. Sie empfehle den Patienten in solchen Situationen die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.


Literatur:
Linder R et al. (2014) DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 139 (19): 983-989


Dr. Ingolf Dürr


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (11) Seite 88