Bienen- und Wespenstiche stellen ein häufiges Problem in der allgemeinärztlichen Praxis dar. Oft resultieren verstärkte Lokalreaktionen, die lokal zu behandeln sind. Es kann sich jedoch auch um eine lebensgefährliche Insektengiftallergie handeln, die laut Schätzungen mindestens 50 Patienten im Jahr in Deutschland das Leben kostet.

Durch neue Methoden der molekularen Allergologie wurden im Jahr 2011 die Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Insektengiftallergie der deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie nochmals aktualisiert [1]. Darauf wird im folgenden Artikel eingegangen.

Häufigkeit von Insektengiftallergien

Laut einer Emnid-Umfrage vor mehreren Jahren wurden ca. 50 bis 60 % aller Deutschen schon einmal von einem Insekt gestochen. Davon geben 4 % an, dass sie schon einmal allergisch reagiert haben. Von Fachgesellschaften wird die Inzidenz von anaphylaktischen Reaktionen durch Insektenstiche mit ungefähr 1 : 200 angegeben.

Laut einer aktuellen Studie beträgt gerade in den Sommermonaten die Häufigkeit von Notarzteinsätzen aufgrund anaphylaktischer Reaktionen mindestens 1 %, wobei dabei vor allem bei Erwachsenen Bienen- und Wespenstiche weit vorne liegen. Bei einer hohen Dunkelziffer nimmt man an, dass mindestens 50 Patienten pro Jahr durch anaphylaktische Reaktion nach Bienen- oder Wespenstichen ums Leben kommen.

Verteilung der Insektengiftallergien

Risikofaktoren einer Insektengiftallergie sind in Übersicht 1 dargestellt. Die meisten Patienten, die von Insekten gestochen werden und anaphylaktisch reagieren, werden von einer Wespe heimgesucht. In einem großen Krankheitsgut betrug die Inzidenz von Wespenstichen knapp ¾ der Fälle, 2 % betreffen die Hornisse, 25 % die Biene (vgl. Tabelle 1).

Die Reaktion auf Insektenstiche kann nur lokal-toxisch sein (vgl. Tabelle 2). Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man z. B. in eine Luftröhre, z. B. beim Verschlucken eines Insektes, gestochen wird sowie auch, wenn mehrere hundert bis mehrere tausend Insekten gleichzeitig stechen. Dann ist der Patient durch die große Menge der biogenen Amine (meist Histamin) durch toxische Wirkungen bedroht.

Bei der Insektenallergie handelt es sich dagegen um eine sogenannte IgE-vermittelte Allergie, wobei man auch hier Antikörper im Blut- oder Hauttest finden kann.

Nach einer systemischen Reaktion sollte hier zunächst ein bis zwei Wochen mit der Diagnostik gewartet werden, da im Laufe der anaphylaktischen Reaktion die Antikörper verbraucht werden und diese deshalb möglicherweise zunächst nicht mehr nachweisbar sind. Nach ein bis zwei Wochen erfolgt normalerweise die Vorstellung beim Allergologen, welcher einen sequenziellen Hauttest durchführt sowie auch die spezifischen IgE-Antikörper (früher Rast) abnimmt. Dies kann auch beim Hausarzt geschehen. Ergibt sich trotz systemischer Reaktion kein eindeutiger Hinweis auf eine IgE-vermittelte Allergie mit diesen Methoden, kann seit neuestem auch die Bestimmung der sogenannten rekombinanten Antikörper (bei Wespengift Wesp V5 sowie bei Bienengift Api M1) erfolgen. Diese können bei sehr kleinen Allergenmengen sensitiver sein als das normale spezifische IgE sowie auch unterscheiden helfen, ob es sich hier um eine Bienen- oder Wespengiftallergie handelt.

Zur Therapie

Hat schon einmal eine anaphylaktische Reaktion (vgl. Tabelle 3) stattgefunden (z. B. Anaphylaxie I° auf die Haut bezogen, II° mit Angioödem und Engegefühl, Erbrechen, Durchfall, III° zusätzlich mit Atemnot oder IV° mit Reanimationspflichtigkeit), sollte der Patient möglichst schnell in einem Zentrum zum Einleiten einer Hyposensibilisierung vorgestellt werden.

Davor ist das Verordnen eines Notfallsets (Kasten) erforderlich. Der Patient erhält dabei ein schnellwirksames Antihistaminikum, ein orales Steroid (z. B. als flüssiges Beclometason) oder auch einen Autoinjektor zur Applizierung von Adrenalin.

Notfallset
H1-Rezeptor blockierendes schnell- wirksames Antihistaminikum, in der 2- bis 4-fachen Standarddosis oral

Glukokortikoid (100 mg) oral

Bei Atemnot, Schwellung im Mund-Rachenbereich oder Kreislaufproblemen: Adrenalin, bevorzugt zur Injektion (Erwachsene: 0,3 mg, ggf. 0,6 mg, Kinder 15 – 30 kg: 0,15 mg)

Ggf. Beta-2-Mimetikum:Bei nicht hyposensibilisierten Patienten immer nach Stich sofort anwenden und sofort ärztliche Hilfe holen. Nach erfolgreicher Hyposensibilisierung und vor allem vertragener Stichprovokation/Feldstich: nur bei Symptomen

Definitive Behandlung der Patienten mit einer Hyposensibilisierung

Die einzige kausale Möglichkeit, einen Patienten mit einer Insektengiftallergie zu behandeln, stellt die Hyposensibilisierung dar (vgl. Übersicht 2). Patienten mit Z. n. schwerer anaphylaktischer Reaktion nach Insektengiftallergie reagieren mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 60 % laut aktuellen Daten wieder mit einer systemischen Reaktion.

Meistens wird die Therapie in einer Klinik mit allergologischer Fachabteilung eingeleitet als sogenannte Schnell-Hyposensibilisierung über zwei bis sieben Tage, die Nachinjektionen können beim allergologisch versierten Hausarzt erfolgen, meistens beträgt die Therapiedauer ca. drei bis fünf Jahre.

Laut aktueller Leitlinie ist die beste Methode zur Überprüfung eines Therapieerfolges die sogenannte Stichprovokation. Der Patient wird hier unter notfallmedizinischer Überwachung mit dem ursächlichen Insekt gestochen.

Falls der Patient nicht mehr reagiert, braucht keine Dosissteigerung erfolgen, bei einer Reaktion kann man ca. 50 % der noch nicht geschützten Patienten mit einer Dosissteigerung und Ausweitung der Therapiedauer noch helfen.

Merkblatt für Patienten mit Bienen- und Wespengiftallergie
  1. Vermeiden Sie rasche Bewegungen, wenn eine Biene oder Wespe in der Nähe ist.
  2. Gehen Sie nicht in die Nähe von blühenden Blumen oder überreifem Fallobst.
  3. Vorsicht bei Gartenarbeiten! Bedecken Sie dabei so viel wie möglich von Ihrem Körper (Hut, Handschuhe, Bluse mit langen Ärmeln, lange Hose).
  4. Meiden Sie Parfums, Haarsprays, stark parfümierte Sonnencremes etc.
  5. Meiden Sie weite fliegende Kleider, schwarze Stoffe und farbige Blumenmuster. Besser sind weiße, grüne und hellbraune Stoffe.
  6. Lassen Sie beim Essen im Freien (Picknick) keine Süßigkeiten oder Fleisch (auch Reste) herumliegen und verwenden Sie einen Insektenrepellent,= bevor Sie sich zum Essen niedersetzen.
  7. Geben Sie speziell beim Turnen und Spielen im Freien acht, da durch Schweiß stechende Insekten angezogen werden.
  8. Gehen Sie nie barfuß, denn Bienen lieben Klee und viele Wespen leben im Boden.
  9. Halten Sie Mülltonnen stets gut verschlossen und meiden Sie diese.
  10. Meiden Sie Orte, wo Tiere (Hunde) gefüttert werden, da die verstreuten Futterreste Wespen anziehen.
  11. Bewegen Sie keine alten Äste und Baumstücke, denn Wespen haben dort oft ihr Nest.
  12. Halten Sie die Fenster in Ihrem Schlafzimmer tagsüber gut geschlossen oder bringen Sie am Fenster des Schlafzimmers ein Insektengitter an.
  13. Nehmen Sie in den Sommermonaten immer eine Notfallapotheke mit.


Besonderheit bei Kindern

Kinder mit einer Anaphylaxie I°, rein auf die Haut bezogen, reagieren in der Regel nur mit einer Anaphylaxie I° auch bei späteren Stichen, weswegen hier eine Hyposensibilisierung nicht obligat ist. Berücksichtigt werden sollte bei einer Hyposensibilisierung insbesondere auch ein hohes Risikoprofil wie z. B. Arbeiten im Freien (z. B. Dachdecker, Gärtner), Tätigkeit in Bäckereien sowie auch ein kardiovaskuläres Risikoprofil. Patienten mit einer kardiovaskulären Grunderkrankung haben meist weniger Reserven im anaphylaktischen Schock. Deswegen sollte die Hyposensibilisierung in diesen Fällen großzügig gestellt werden. Kontraindikationen sind z. B. eine Behandlung mit ACE-Hemmern oder Betablockern sowie eine Autoimmunerkrankung oder floride Tumorerkrankung.

Herrn Krankenhausdirektor Karl zum Abschied gewidmet


Literatur:
1) Leitlinie: Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie, Allergo J 2011; 20: 318 – 339



Dr. med. Wolfgang Sieber, Wörth

Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie/Allergologie/Umweltsport/NotfallmedizinInnere Abteilung
Kreisklinik Wörth
93086 Wörth

Interessenkonflikte: keine deklariert


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (10) Seite 68-73