Drei Stadien, d. h. Schweregrade, unterscheidet man beim akuten Nierenversagen. Im schwersten Stadium, dem Stadium III, endet das Krankheitsbild in mehr als der Hälfte der Fälle tödlich. Dabei hängt die Prognose u. a. davon ab, wie schnell eine Therapie eingeleitet wird. Welche Ursachen dem akuten Nierenversagen zugrunde liegen können, mit welchen Komplikationen zu rechnen ist, welche Erstdiagnostik sinnvoll ist und welche grundsätzlichen therapeutischen Überlegungen dem Hausarzt geläufig sein sollen, wird im folgenden Beitrag dargelegt.
Gemäß der internationalen Klassifikation des Acute Kidney Injury Network (AKIN) wird das akute Nierenversagen (ANV) als eine plötzlich (innerhalb von 48 Stunden) auftretende Beeinträchtigung der Nierenfunktion mit mindestens einer der folgenden pathophysiologischen Veränderungen definiert: ein absoluter Anstieg des Serum-Kreatinins um mehr als 0,3 mg/dl (26,4 mmol/l), ein relativer Anstieg des Serum-Kreatinins um mehr als 50 % oder eine länger als sechs Stunden anhaltende Oligurie von weniger als 0,5 ml/h pro kg Körpergewicht [1]. Die Stadieneinteilung erfolgt hierbei gemäß der AKIN-Klassifikation (Tabelle 1) [2].
Epidemiologie
Einerseits ist das ANV für ca. 1 % aller stationären Notfallaufnahmen verantwortlich, andererseits verkompliziert es in ungefähr 2 – 5 % aller Fälle den stationären Aufenthalt des Patienten und bedingt hiermit ca. 95 % aller ne-phrologischen Konsilanforderungen [3, 4]. Die Mortalität des schweren ANV wurde in mehreren Studien mit mehr als 50 % beziffert [5, 8, 9].
Ätiologie
Ätiologisch lässt sich das ANV in drei Kategorien einteilen: prärenal, intrinsisch und postrenal (Tabelle 2). Hierbei sind prärenale Ursachen am weitaus häufigsten, gefolgt von intrinsischen und postrenalen Ursachen. Das prärenale ANV ist prinzipiell durch eine Minderperfusion der Nieren bedingt, welche unbehandelt zu einer akuten tubulären Nekrose mit entsprechender metabolischer Azidose führt. Beim intrinsischen Nierenversagen kommt es zu einer strukturellen Nephronschädigung im Rahmen von entzündlichen, ischämischen oder zytotoxischen Noxen. Für das postrenale Nierenversagen ist wiederum ein meist stenotisch bedingter Harnaufstau bei Erkrankungen aus dem urologischen Formenkreis ursächlich.
Diagnostik
Anamnestisch sollte auf Hinweise für eine Harnwegsinfektion, entzündliche Systemerkrankung, Schwangerschaft, Einnahme nephrotoxischer Medikamente sowie auf mögliche prärenale (z. B. Exsikkose, Hypotonie, Herzinsuffizienz) und postrenale Ursachen (z. B. Harnverhalt, Steinleiden) geachtet werden.
Die Labordiagnostik sollte neben einem Urinteststreifen (und bei positivem Befund einem Urinsediment mit Kultur) ebenfalls ein kleines Blutbild, Nierenretentionswerte (Kreatinin, Harnstoff) und Elektrolyte (Na+, K+, Cl-, Ca2+), GFR, CRP/ESR, Phosphat, Osmolarität und ggf. eine venöse Blutgasanalyse beinhalten.
An bildgebender Diagnostik empfiehlt sich eine frühzeitige Sonografie der ableitenden Harnwege (zum Ausschluss eines Nierenaufstaus und damit einer postrenalen Komponente) und der Oberbauchorgane.
Therapie
Während beim prärenalen und postrenalen ANV die ursächliche Therapie im Vordergrund steht, so ist dies für das intrinsische Nierenversagen nicht immer möglich. Der allgemeine Therapieansatz zielt daher auf eine Verbesserung der Nierendurchblutung, die Überwindung von Harnabflussstörungen und die Beseitigung von schädlichen Noxen bzw. das Absetzen nephrotoxischer Medikamente ab. Eine absolute Dialyseindikation besteht beim Vorliegen ausgeprägter Urämiezeichen, Hyperkaliämie, schwerer Azidose und Diuretika-resistenter Überwässerung (Tabelle 3).
Komplikationen
Das ANV verläuft in der Mehrzahl der Fälle kompliziert unter Beteiligung anderer Organsysteme (Tabelle 4). Pul-monale Komplikationen sind hierbei am weitaus häufigsten und gehen auch mit einer hohen Mortalität einher. Dem ANV-bedingten Herzstillstand liegt häufig eine Hyperkaliämie mit den entsprechenden EKG-Veränderungen (Abb. 1, Tabelle 5) zugunde, so dass die intravenöse Therapie mit Calciumgluconat bzw. Calciumchlorid sowie kaliumsenkenden Maßnahmen erwogen werden sollte (Tabelle 6) [12].
Gastrointestinale Komplikationen ergeben sich meist im Rahmen der immunologischen oder infektiösen Mitbeteiligung eines primär intrinsischen ANV. Eine ANV-assoziierte gastrointestinale Blutung ist mit einer Mortalität von 3 – 8 % vergesellschaftet. ANV-assoziierte Atemwegs- und Harnwegsinfektionen tragen jedoch die weitaus höchste Mortalität von bis zu 72 % [6, 7]. Neurologische Symptome wie Somnolenz, Lethargie und kognitive Funktionsstörungen sind häufig Ausdruck einer urämisch bedingten Enzephalopathie, welche ihrerseits im Rahmen der gefürchteten Urämie auftritt. Eine Korrelation zwischen der Ausprägung der Symptomatik und der Höhe der entsprechenden Harnstoff- bzw. Kreatininwerte besteht jedoch nicht.
Prognose
Die Prognose des ANV hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der Art und Ausprägung der ursächlichen Erkrankung, dem etwaigen Vorliegen einer vorbestehenden Nierenfunktionsbeeinträchtigung als auch der Dauer bis zum Einleiten der entsprechenden Therapie. Lange galt das ANV als potenziell vollständig reversibel; diese Ansicht wurde jedoch in letzter Zeit durch die Ergebnisse einer groß angelegten kanadischen Studie widerlegt, welche eine deutlich erhöhte Inzidenz einer terminalen Niereninsuffizienz beim ANV des AKIN-Stadium 3 nachwies [5]. So kommt es bei knapp 12,5 % aller ANV-Patienten zur terminalen Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht, während zwischen 20 – 30 % aller Überlebenden chronisch niereninsuffizient werden [3]. Weitere prognostisch ungünstige Faktoren beim ANV sind in Tabelle 7 dargestellt [10].
Statinprophylaxe
Interessanterweise ergab eine retrospektive Übersichtsstudie an mehr als 200 000 postoperativen Patienten über 66 Jahren, dass der Einsatz eines Statins sich prognostisch günstig auf die Ausbildung und die Ausprägung des ANV auswirkt. Je höher die Potenz des Statins, desto deutlicher die Auswirkung [11].
Interessenkonflikte: keine deklariert
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (7) Seite 16-18