Bei der HIV-Infektion handelt es sich inzwischen um eine hervorragend diagnostizierbare und therapierbare Erkrankung. Aufgrund von Kostenüberlegungen, Budgetbelastungen, Stigmatisierung von HIV/AIDS, Ängsten bei Ärzten und Patienten, aber auch fehlender Sensibilisierung der Ärzte bei sogenannten Markererkrankungen wird ein HIV-Test zu selten angeboten und durchgeführt. Damit werden sowohl Patienten, aber auch deren Partner einem hohen Risiko ausgesetzt. Es stellt sich also die Frage: Wen, wie, wann und warum testen?

Laut Zahlen des RKI von Ende 2012 wird geschätzt, dass in Deutschland ca. 78 000 (66 000 – 91 000) Menschen mit HIV/AIDS leben. 63 000 (53 000 – 74 000) Patienten davon sind Männer. Männer, die mit Männern Sex haben (MSM), stellen davon mit über 80 % den größten Anteil. Die geschätzte Zahl von HIV-Erstdiagnosen mit fortgeschrittenem Immundefekt (Late Presenter) ist mit ca. 820 (klinisches AIDS, < 200 Helferzellen/μl) bei insgesamt ca. 3 400 Erstinfektionen sehr hoch. Die geschätzte Zahl von Personen mit noch nicht diagnostizierter HIV-Infektion in Deutschland beträgt 14 000 (13 000 – 15 000), also ca. 18 % der Personen, die in Deutschland mit HIV infiziert sind.

Frische Infektion wird selten erkannt

Da eine frische HIV-Infektion/Serokonversion häufig ohne typische klinische Symptome einhergeht, wird diese selten diagnostiziert. Häufig wird aufgrund der unspezifischen Symptomatik angenommen, dass andere häufiger vorkommende virale Infektionen (EBV, CMV, Influenza) für die Beschwerden wie Lymphadenopathie, makulopapulöser Hautausschlag oder Fieber verantwortlich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass in diesem frühen Stadium die herkömmlichen Suchtests häufig noch negativ sind und aufwendigere HIV-PCR-Untersuchungen durchgeführt werden müssten. Eine rasche Diagnose wäre allerdings von größter medizinischer Bedeutung, da vermutlich 50 % der Neuinfektionen durch frisch infizierte Personen verursacht werden. Des Weiteren mehren sich die Hinweise, dass ein Therapiebeginn in der akuten Virämie/Serokonversion zu einem besseren immunologische Outcome führt und sogar funktionelle Heilungen möglich sind.

Die Zahl von Patienten, welche mit antiviraler Therapie (ART) versorgt werden, stieg in den letzten Jahren aufgrund der verbesserten und verträglicheren Therapie auf weit über zwei Drittel der positiven Patienten an.

Unter einer funktionierenden ART mit Suppression der Viruslast unter die Nachweisgrenze ist eine sexuelle Übertragung der Infektion nach derzeitigem Wissensstand nahezu unmöglich. Die ART mit antiretroviralen Medikamenten entwickelt sich so zu einem wichtigen Baustein der Prävention. Entsprechend wurden die Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von HIV-betroffenen Paaren mit Kinderwunsch angepasst: So ist bei HIV-Diskordanz, effektiver ART mit optimaler supprimierter Viruslast des HIV-positiven Partners, ohne Vorliegen anderer sexuell übertragbarer Infektionen und bei Fertilität beider Partner Geschlechtsverkehr ohne Kondom zum optimalen Zeitpunkt eine Option.

Testverfahren

Nur wer diagnostiziert wird, kann eine Therapie erhalten und auch sein Umfeld mit weiteren Maßnahmen entsprechend schützen. Verschiedene Testverfahren stehen in der Zwischenzeit im ärztlichen Alltag zur Verfügung. Sowohl Antikörper-, kombinierte Antikörper-/Antigentests, Westernblot-Tests (üblicherweise Bestätigungstests) als auch spezielle HIV-PCR-Testverfahren kommen hierbei zum Einsatz und unterscheiden sich in ihrer Sensitivität, Spezifität und in den Kosten (Abb. 1).

Zu beachten ist immer, dass die Durchführung des Tests nur nach informierter Einwilligung, Beratung und Zustimmung des betroffenen Patienten erfolgen darf. Ein positiver HIV-Test ist nach § 7 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig. Der (anonyme) Erhebungsbogen wird hierfür vom beauftragten Labor zugesendet und muss dann an das Robert Koch-Institut weitergeleitet werden.

Ein positives Ergebnis im Suchtest muss immer durch eine zweite Probe im Bestätigungstest bestätigt werden. Die Befundmitteilung sollte wenn möglich immer persönlich erfolgen, insbesondere bei einem positiven Testergebnis. Darüber hinaus sollte eine Hilfestellung bei der Suche nach einer HIV-Schwerpunktpraxis (z. B. über http://www.dagnae.de/mitglieder/) und ggf. einer AIDS-Beratungsstelle gegeben werden.

Reine Antikörpertests (kombinierter HIV 1- und HIV 2-Test) kommen derzeit fast nur noch in den Schnelltestangeboten zum Einsatz, da diese Testverfahren das größte diagnostische Fenster haben und erst nach frühestens vier Wochen positiv werden und ein aussagekräftiges Ergebnis erst nach drei Monaten feststeht. Für ein niedrigschwelliges Angebot (auch anonyme Testung) sind diese Tests aber bestens geeignet.

HIV-Schnelltests dürfen nur von Ärzten durchgeführt bzw. bewertet werden. Im Internet angebotene "Heimtests" zur "Selbstdiagnose" haben meist keine CE-Kennzeichnung und sind, wie sich in verschiedenen Studien gezeigt hat, den zugelassenen Schnelltestverfahren in Sensitivität und Spezifität unterlegen.

Der klassische HIV-Suchtest im Labor (4. Generation) testet neben HIV 1- und HIV 2-Antikörpern auch das sogenannte p24-Antigen, welches bei einer frischen Infektion schon nach drei Wochen positiv sein kann, wodurch sich das diagnostische Fenster verkleinert. Eine Testung kann hier schon nach sechs Wochen als zuverlässig gelten, wenngleich auch hier nach drei Monaten eine Kontrolltestung erfolgen sollte.

Ein HIV-Westernblot (Immunoblot) kommt letztlich nur noch als Bestätigungstest zum Einsatz und basiert ebenfalls auf dem Nachweis von Antikörpern gegen HIV 1 und 2 (Elektrophorese). Hierbei muss jedoch unbedingt beachtet werden, dass ein negativer Westernblot eine sehr frühe HIV-Infektion nicht ausschließt. Hier muss nach zwei bis drei Wochen eine erneute Kontrolle durchgeführt werden.

HIV-PCR-Tests sind die Methode der Wahl bei dem V. a. eine Serokonversion, also eine frische HIV-Infektion (bereits etwa zwei Wochen nach Infektion positiv), wobei eine HIV 1-PCR eine HIV 2-Infektion nicht ausschließen kann. Eine HIV 2-Infektion stellt in Deutschland allerdings eine extreme Rarität dar. Der Test eignet sich allerdings nicht als Suchtest, da er sowohl bei Patienten unter effektiver ART als auch bei sogenannten Elite-Controllern (Patienten, denen es gelingt, die Viruslast durch ihr eigenes Immunsystem zu supprimieren) negativ ausfallen würde. Die Einsatzgebiete des Tests sind die Therapiekontrolle der ART und die möglichst frühzeitige Erfassung einer Virämie nach einem potenziellen Infektionszeitpunkt.

Wer sollte getestet werden?

Seit Beginn der HIV/AIDS-Epidemie in den achtziger Jahren besteht eine rege Diskussion, welche Personen sich auf HIV testen lassen sollten. In den frühen Jahren waren Bedenken durchaus berechtigt, da keine therapeutischen Optionen bestanden und die Diagnose mit ausgeprägter Stigmatisierung und Diskriminierung verbunden war. Nach Einführung der ART und der ständigen Verbesserung der medikamentösen Therapie ist nun eine normale Lebenserwartung bei frühzeitiger Testung und rechtzeitigem Beginn der ART erreichbar. Die Therapie schützt nicht nur vor einer Krankheitsprogression zu AIDS, sondern reduziert auch die Infektiosität der betroffenen Patienten auf ein Minimum. So wurde zuletzt das Berufsverbot für HIV-positive Chirurgen in Großbritannien abgeschafft, solange die Ärzte nachhaltig unter der Virusnachweisgrenze sind.

Somit erscheint ein großzügiges (breit angelegtes) HIV-Screening sinnvoll. In den amerikanischen USPSTF-Leitlinien wird inzwischen empfohlen, bei allen US-Amerikanern zwischen 15 und 65 Jahren unabhängig von Risikofaktoren einen HIV-Test durchzuführen.

Ein indizierter Test ist immer auch zulasten der Krankenkasse abrechenbar (Laborausnahmeziffer 32006, EBM-Ziffer Z20.6: Kontakt und Exposition gegenüber HIV). Ein Schnelltestangebot dagegen ist immer als IGe-Leistung abzurechnen.

Konsens besteht, dass bei entsprechenden Markererkrankungen (vgl. Tabelle 1) und entsprechenden Risikokonstellationen (MSM, Drogengebrauch, Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern, Patienten aus Hochprävalenzregionen wie ehemalige Sowjetunion, Afrika, Südostasien und deren Partner, Fernreiserückkehrer) ein HIV-Test, unter Berücksichtigung des diagnostischen Fensters, dringend empfohlen werden sollte.

Fazit

Die positive Entwicklung der Therapiemöglichkeiten der HIV-Erkrankung und das Wissen um eine massiv reduzierte Infektiosität von Patienten unter einer antiretroviralen Therapie sollten auch zu einer Erweiterung der Indikation der HIV-Testung führen. Unterschiedliche Testverfahren ermöglichen eine unkomplizierte, kosteneffektive und situationsangepasste Diagnostik. Diese kann bei entsprechender Risikokonstellation und entsprechendem Test auch schon in der frühen Phase der Virämie durchgeführt werden.

Häufigere HIV-Tests können dazu beitragen, die hohe Zahl an Patienten, welche erst im Stadium AIDS bzw. mit fortgeschrittenem Immundefekt diagnostiziert werden, zu verringern und gleichzeitig durch eine frühzeitig eingeleitete Therapie Neuinfektionen zu vermeiden (therapy as prevention).


Literatur
1. Priv. Doz. Dr. med. Christian Hoffmann und Professor Dr. med. Jürgen Rockstroh, HIV 2013/2014, http://hivbuch.de/
2. RKI, Epidemiologisches Bulletin, 11. November 2013 / Nr. 45 http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2013/Ausgaben/45_13.pdf?__blob=publicationFile
3. RKI, HIV/AIDS – Ratgeber für Ärzte http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HIV_AIDS.html#doc2374480bodyText8
4.U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement, Screening for HIVRelease Date: April 201 3http://www.uspreventiveservicestaskforce.org/uspstf13/hiv/hivfinalrs.htm
5. Karen Klaue, Schweizer Ärztezeitung 2007;88:27/281207-1209
6. Sullivan AK, Raben D, Reekie J, et al. Feasibility and effectiveness of indicator condition-guided testing for HIV: results from HIDES I (HIV indicator diseases across Europe study). PloS one 2013;8:e52845. http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0052845
7. Der Nationale AIDS-Beirat positioniert sich zur Prävention von HIV mit antiretroviralen Medikamenten http://www.bmg.bund.de/praevention/nationaler-aids-beirat/nationaler-aids-beirat/votumantiretroviralenmedikamenten.html
8. HIV- und STI-Tests, Informationen und Standards 2012/2013 Deutsche AIDS-Hilfe http://www.aidshilfe.de/sites/default/files/STI_HIV_Test_2012.pdf



Autor:

Dr. med. Franz Audebert, Regensburg

Internist, Infektiologe
Praxiszentrum Alte Mälzerei
93051 Regensburg

Interessenkonflikte: Bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat für Abbott, ViiV, Boehringer Ingelheim und BMS. Bezahlte Vortragstätigkeiten für Gilead, BMS, Janssen-Cillag und Abbott.


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (4) Seite 46-48