Die Dysphagie ist eine Störung des Schluckaktes in jeglicher Form, die sowohl ohne als auch mit Schmerzen (Odynophagie) einhergehen kann. Sie ist Leitsymptom für zahlreiche Erkrankungen des Oropharyngealraums und des oberen Gastrointestinaltrakts. Eine neu aufgetretene Dysphagie erfordert zwingend eine umfassende diagnostische Abklärung.

Definition Dysphagie

Jede Störung des Bolusübertritts vom Mund-Rachenraum über den Pharynx in den Ösophagus und des weiteren Transports durch den Ösophagus in den Magen bezeichnet man als Dysphagie. Dabei wird zwischen der oralen/pharyngealen und der ösophagealen Phase des Schluckaktes und damit der Dysphagie unterschieden.

Treten beim Schlucken zudem Schmerzen auf, liegt zusätzlich eine Odynophagie vor.

Die Ursachen der Dysphagie können überaus vielfältig sein. Besonders komplex sind die auslösenden Ursachen bei der oropharyngealen Dysphagie, da hier auch viele neurologische Ursachen eine Rolle spielen (Übersicht 1). Demgegenüber sind die Ursachen für die ösophageale Dysphagie insgesamt etwas besser abzugrenzen (Übersicht 2). Die Vielfalt der Differenzialdiagnosen macht deutlich, dass das Leitsymptom Dysphagie fast immer ein interdisziplinäres Problem darstellt. Bei der Abklärung und Behandlung sind somit Neurologen ebenso gefragt wie der HNO-Arzt, der Gastroenterologe, der Chirurg, der Radiologe und der Schlucktherapeut.

Anamnese

Bei kaum einem anderen Leitsymptom gastrointestinaler Funktionsstörungen lässt sich bereits durch die Anamnese die Ursache zielgerichteter eingrenzen als bei der Dysphagie. Patienten mit oropharyngealer Dysphagie berichten in der Regel über häufiges Verschlucken, Aspirationen gefolgt von Hustenattacken und/oder nasalen Regurgitationen. Bronchopulmonale Infekte zusammen mit Hustenattacken bei der Nahrungsaufnahme können Hinweis für rezidivierende Aspirationen bei oropharyngealer Dysphagie sein. Demgegenüber weisen Missempfindungen oder Schmerzen während des Schluckaktes sowie die Regurgitation verdauter oder unverdauter Nahrungsreste auf eine ösophageale Genese der Dysphagie hin. Für die häufig in der Frühphase nur schwer diagnostizierbare Achalasie sind neben den Schluckstörungen auch starke retrosternale Beschwerden, ggf. mit der Regurgitation von unverdautem Speisebrei, charakteristisch. Schluckstörungen treten bei Refluxbeschwerden erst nach langen, schweren Verläufen bei Ausbildung einer (heute seltenen) peptischen Stenose oder eines Barrettkarzinoms auf. Sie dürfen praktisch nie als Zeichen einer nicht entzündlichen Refluxkrankheit gedeutet werden, wie es heute leider immer wieder vorkommt. Dysphagische Patienten mit Gewichtsverlust bei maligner Grunderkrankung geben häufig Appetitlosigkeit an, während der Patient mit einer benignen Ursache seiner Schluckstörung das Defizit in der Kalorienzufuhr sehr wohl wahrnimmt.

Bei der Anamnese sollte außerdem berücksichtigt werden, ob die Schluckstörungen akut oder chronisch progredient auftraten und ob eventuelle Begleiterkrankungen wie z. B. Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumata oder Operationen im Kopf-Hals-Bereich vorliegen. Auch die Medikamentenanamnese ist von entscheidender Bedeutung. Zentralnervös wirksame Medikamente in Dauermedikation können z. B. die Reflexabfolge während des Anschluckvorgangs beeinträchtigen (oropharyngealer Transit). Steroide oder Antibiotika begünstigen eine Pilzbesiedelung des Ösophagus, die eine Dysphagie auslösen kann.

Körperliche Untersuchung

Der Gesamt-, Allgemein- und Ernährungszustand des Patienten gibt bereits wichtige Hinweise auf die Genese der Schluckstörung. Die Zeichen des Alkoholismus in Verbindung mit einer relativ rasch aufgetretenen Dysphagie müssen immer an ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus denken lassen. Demgegenüber liegt bei einem „Wohlstandsbürger“ in reichlichem (oder vorher reichlichem) Ernährungszustand mit der Anamnese einer früheren Refluxkrankheit, aber danach subjektiver Besserung und aktueller Dysphagie eher der Verdacht eines Adenokarzinoms der distalen Speiseröhre nahe. Die typischen klinischen Zeichen einer Kollagenose (Dermatomyositis, CREST, Sklerodermie, usw.) erleichtern es, den Zusammenhang mit der Schluckstörung zu erkennen. Die orientierende, neurologische Untersuchung lässt eine zentrale Ursache der Schluckstörung erkennen.

Apparative Diagnostik

Endoskopie

Abgesehen von Störungen in der oralen und pharyngealen Phase des Schluckaktes stellt die flexible Öso-
phagogastroduodenoskopie bei Verdacht auf ösophageale Genese der Schluckstörungen heute meist die primäre diagnostische Maßnahme dar. Mit der flexiblen Ösophagoskopie lassen sich nicht nur (ausgeprägte) anatomische Auffälligkeiten wie z. B. fortgeschrittene Zenker-Divertikel (Abb. 1), sondern auch entzündliche (z. B. Soor-Ösophagitis, eosinophile Ösophagitis) oder tumorbedingte (Plattenepithel- und Adenokarzinome) Ursachen der Dysphagie aufdecken. Allerdings sollte sich gerade auch der Allgemeinarzt der methodenbedingten Schwächen der Endoskopie bewusst sein. Gerade bei frühen (oder nur wenig ausgeprägten) pathologischen Veränderungen kann die Endoskopie versagen. So werden z. B. Frühformen der Achalasie oder Zenker-Divertikel häufig übersehen. Eine häufige, aber irreführende Verlegenheitsdiagnose ist die Annahme einer atypischen bzw. nicht-entzündlichen Refluxerkrankung. Bei persistierenden Beschwerden ist deshalb immer eine komplementäre Diagnostik erforderlich.

Dynamische Radiografie

Auch heute noch sind funktionelle radiologische Untersuchungen bei der Dysphagie unerlässlich. Dazu zählen der Ösophagusbreischluck, die dynamische Ösophagografie (Kinematografie) und auch die radiologische Feinschichtdarstellung mittels der Computertomografie. Die dynamische Fluoroskopie ist heute zugunsten der Schnittbilddiagnostik „aus der Mode“ gekommen, sodass viele frühe, pathologische Befunde an der Speiseröhre übersehen werden. Die Anfangsstadien des Zenker-Divertikels, Netze (Webs), subklinische Stenosen und Motilitätsstörungen wie der diffuse Ösophagusspasmus oder Frühformen der Achalasie können weder endoskopisch noch mittels radiologischer Schnittbildverfahren (CT, MR) entdeckt werden, sondern werden nur in der dynamischen Fluoroskopie offenkundig (Abb. 2). Da seitens der Gastroenterologen häufig wenig Interesse an radiologischen Untersuchungen besteht und auch seitens der Radiologen die bei weitem einträglicheren Schnittbildverfahren favorisiert werden, gerät die dynamische Röntgenuntersuchung immer mehr in Vergessenheit. Hier kommt dem Allgemeinarzt die wichtige Aufgabe zu, diese Untersuchung in unklaren Fällen dennoch durchzusetzen.

Ösophagusmanometrie

Den besten Aufschluss über die Funktionsleistung der Speiseröhre liefert die Ösophagusdruckmessung. Motilitätsstörungen wie die verschiedenen Formen der Achalasie, des diffusen Ösophagusspasmus oder auch hypomotile Störungen können zuverlässig erkannt werden. Das Verfahren der Druckmessung wurde in den letzten Jahren erheblich verbessert und schonender für den Patienten gestaltet (hochauflösende Manometrie), sodass es bei allen begründeten Verdachtsfällen einer Motilitätsstörung großzügig eingesetzt werden sollte. So ist die Diagnose beispielsweise einer psychogenen Ursache einer Schluckstörung ohne eine vorherige manometrische Untersuchung absolut unzulässig.

Fazit

Eine echte Dysphagie verlangt stets eine konsequente diagnostische und je nach klinischer Manifestation interdisziplinäre Abklärung. Im Gegensatz zu anderen mehr oder weniger unspezifischen Beschwerden im Kopf-/Hals- oder Brustbereich (Zungenbrennen, Globus-, Druck-, Völlegefühl, sonstige Missempfindungen, Reflux, Übelkeit usw.) sind Schluckstörungen (Speichel, Flüssigkeiten, Speisen) praktisch immer somatisch bedingt und müssen wirksam behandelt werden.

Interessenkonflikte: keine deklariert


Literatur:
Feussner H. et al. (2013) Gutartige Erkrankungen der Speiseröhre. 1. Aufl., Falk Foundation e.V., Freiburg
Feussner H. et al. (2010) Chirurgische Interventionen bei Schluckstörungen; in: Schluckstörungen, 4. Aufl., Hrsg. G. Bartolome, H. Schröter-Morasch, Urban & Fischer Verlag, München.
Feussner H., Wilhelm D. (2003) Chirurgische Optionen in der Therapie von Schluckstörungen. Endoskopie heute 16: 208-215

Hubertus Feußner


Kontakt:
Prof. Dr. med. Hubertus Feußner, Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
81675 München

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (3) Seite 38-40