Eine im Rahmen eines Infektes auftretende bronchiale Obstruktion, oft als „Infektasthma“ bezeichnet, ist etwas anderes als ein Asthma bronchiale, das ja eine chronische Erkrankung darstellt. Daher sollten diese beiden Diagnosen auseinandergehalten werden. Im Säuglings- und Kleinkindesalter ist die Differenzierung zwischen Asthma als obstruktive Atemwegserkrankung und gehäuften Infekten der unteren Atemwege mit Begleitobstruktion jedoch oft gar nicht so einfach.

Im Kleinkindesalter die Diagnose „Asthma“ mittels einer Lungenfunktion objektiv stellen zu können, ist aufgrund fehlender Mitarbeit kaum möglich, obstruktive Symptome dagegen sind überaus häufig. Stattdessen ist der Arzt auf anamnestische Angaben und diagnostische Hilfskonstrukte angewiesen. In dem folgenden Artikel sollen mögliche Wege zu einer entsprechenden Entscheidungsfindung aufgezeigt und daraus resultierende Empfehlungen diskutiert werden.

Obstruktive Episoden bei Säuglingen und Kleinkindern

Bei nahezu der Hälfte aller Säuglinge und Kleinkinder werden obstruktive Episoden beobachtet. Der größte Teil ereignet sich im Rahmen von Infekten, die in der Regel viraler Genese sind. Typische Symptome sind dabei exspiratorische Dyspnoe, Giemen, Pfeifen und Brummen, also klassische Kennzeichen des Asthma bronchiale. Berücksichtigt man die statistische Häufigkeit von Asthma bei Kindern und Jugendlichen von 7 – 9 %, so wird klar, dass ein Großteil der Kinder mit obstruktiven Symptomen nicht an Asthma leidet, sondern aufgrund ihrer kleinen Atemwege eine infektgetriggerte Bronchialverengung entwickelt.

Die Verunsicherung in der Diagnosestellung spiegelt sich in der Vielzahl der benutzten Begrifflichkeiten wider: Rezidivierende obstruktive Bronchitis, asthmoide Bronchitis, spastische Bronchitis, aber auch infektgetriggertes Asthma oder Infektasthma sind nur eine kleine Auswahl der benutzten "Diagnosen".

Es gibt also auf der einen Seite einen klaren Zusammenhang zwischen diesen akuten Infekten und der rezidivierenden Bronchialobstruktion. Auf der anderen Seite sind aber auch Zusammenhänge zwischen Asthma als chronische Atemwegserkrankung und Infekten im Kleinkindalter zu erkennen. In diesem Zusammenhang gilt:

  • Infekte/Infektionen sind die häufigsten Auslöser von Exazerbationen bei Asthma.
  • Virusinfektionen im Säuglings- und Kleinkindalter sind zentrale Kofaktoren bei der Asthmaentstehung.
  • Am besten untersucht sind hier RS-Viren und Rhinoviren.

Gibt es ein reines „Infektasthma“?

Definitionsgemäß ist „Asthma“ eine chronische Erkrankung (vgl. Kasten), während die als „Infektasthma“ bezeichnete Obstruktion akut im Rahmen einer Infektion auftritt. Daher muss die obige Frage klar mit „Nein“ beantwortet werden. Aber Infekte sind:

  • Wegbereiter der Asthmaentstehung
  • Trigger der Asthmaexazerbation
  • bei häufiger Exazerbation Ausdruck eines nicht ausreichend kontrollierten Asthmas
  • Ursache bronchialer Obstruktion aufgrund kleiner Atemwege ohne Diagnose Asthma

International gültige Definition von Asthma
Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege mit Hyperreagibilität gekennzeichnet durch
  • Bronchokonstriktion
  • Schleimhautentzündung
  • vermehrte Schleimbildung
bei Kontakt mit verschiedenen Risikofaktoren

Warum ist es wichtig, Asthma möglichst früh zu erkennen und zu behandeln?

Nach den vorliegenden Daten des Kinder- und Jugendsurvey (KiGGS) und der ISAAC-Studie leiden in Deutschland zwischen 7 und 10 % der Schulkinder an Asthma. Damit ist dies die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Betrachtet man diese Schulkinder rückwirkend, so wird klar, dass sie in aller Regel schon seit dem Vorschulalter unter den typischen Asthmasymptomen leiden. Es ist evident, dass ein früher Beginn von Asthma ein Prädiktor für einen schweren Verlauf im Schulkind- und Erwachsenenalter darstellt. Wenn möglich sollte Asthma also in den ersten Lebensjahren diagnostiziert und behandelt werden.

Problem der klaren Diagnosestellung im Kleinkindalter

Auch bei Erwachsenen gibt es keinen eindeutigen Test zur Diagnosestellung „Asthma“. Objektivstes Kriterium ist der Nachweis einer reversiblen Obstruktion in der Lungenfunktion. Genau dieses Instrument versagt aber mangels Möglichkeit der Mitarbeit in dem Alter, in dem die Bronchialobstruktion am häufigsten ist, dem Säuglings- und Kleinkindalter.

Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes müssen wir auf indirekte Parameter zur ausreichenden Sicherung der Asthmadiagnose zurückgreifen.

Der Modified Asthma Predictive Index

In den letzten Jahren wurde versucht, verschiedene Kriterien zusammenzufassen, die uns mit hinreichender Evidenz die Möglichkeit geben, die Diagnose Asthma als chronische Erkrankung bei jungen Kindern zu stellen oder auszuschließen. Neben der Häufigkeit der obstruktiven Episoden wurde hier hauptsächlich die Tatsache eingebracht, dass Asthma bei Kindern in der Regel mit einer allergischen Genese oder zumindest einer genetischen atopischen Belastung einhergeht. Hieraus wurde ein für den klinischen Alltag brauchbarer Index entwickelt (Übersicht 1), der uns die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit die Diagnose zu stellen oder zu verwerfen und somit eine entzündungshemmende Dauertherapie zu empfehlen oder mit gutem Gewissen bei einer bedarfsorientierten Behandlung mit Bronchodilatatoren zu bleiben.

Basis dieser Empfehlungen sind Studien, die zeigen, dass eine frühe Sensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene (Hühnereiweiß, Weizen) und insbesondere Inhalationsallergene signifikant assoziiert ist mit der späteren Diagnose eines Asthmas. Zu betonen ist ausdrücklich, dass hier bereits eine Sensibilisierung als Marker ausreicht, es sich also nicht um eine manifeste Allergie handeln muss. Des Weiteren wurde die hohe Relevanz der Genetik in der Entwicklung atopischer Erkrankungen berücksichtigt.

Hieraus entstanden ist der sogenannte Modified Asthma Predictive Index (Übersicht 1). Dieser hilft mit recht hoher Sicherheit, die Diagnose Asthma zu stellen oder zu verwerfen:

  • > 76 % der Kinder mit positivem Index im Alter von 3 Jahren haben im Schulalter (6 – 13 Jahre) Asthma (positiver Vorhersagewert).
  • 95 % mit negativem Index haben keine Symptome im Schulalter (Spezifität).
  • Die Sensitivität ist nur gering, da ein symptomarmes Asthma nicht erfasst wird.

Die geringe Sensitivität spielt im Alltag keine Rolle, da bei einem Asthma geringen Schweregrades nicht mit einer Chronifizierung bzw. einem fibrotischen Umbau der Lunge, dem sogenannten „Remodeling“, zu rechnen ist.

Therapieoptionen

Neben der bedarfsorientierten Behandlung mit (in der Regel inhalativen) Bronchialerweiterern sollte eine frühzeitige entzündungshemmende Behandlung erfolgen. Mittel der ersten Wahl stellen hier die inhalativen Steroide (ICS) in einer altersadäquaten Applikationsform (Dosieraerosol mit Inhalierhilfe) und Dosis dar. Zwar kann hiermit eine spätere Asthmaentstehung nicht verhindert werden, aber die so behandelten Kleinkinder zeigen eine signifikante Verbesserung bezüglich beschwerdefreier Tage, akuter Exazerbationen und zusätzlicher (Bedarfs-)Medikation [Guilbert et al. 2006]. Hier muss aber die Regel „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“ beachtet werden, da bei höheren ICS-Dosen über einen längeren Zeitraum durchaus systemische Nebenwirkungen, insbesondere eine Verminderung des Längenwachstums, beobachtet wurden. Zu beachten ist auch, dass sich bei Kindern die Definition einer niedrigen, mittleren oder hohen ICS-Dosis deutlich von der Erwachsenendefinition unterscheidet (Tabelle 1).

Als weitere Therapieoption bieten sich Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA, Montelukast) an. Deren entzündungshemmende Wirksamkeit wurde in zahlreichen Studien belegt. Eine randomisierte Doppelblindstudie an 1000 Kindern [Mosaic-Studie 2005] von Montelukast gegen eine niedrige Tagesdosis Fluticason zeigte eine gleiche Wirksamkeit bzgl. Verringerung der „Notfalltage“. Für beide Wirkstoffe wurde auch eine Verbesserung des FEV1, eine verbesserte Lebensqualität sowie eine Reduktion der Notfallmedikation nachgewiesen. In den letzten Punkten zeigten sich die ICS aber gegenüber den LTRAs überlegen, sodass die niedrigdosierte ICS-Therapie insgesamt eine signifikant bessere Wirksamkeit aufwies.

Die Wirksamkeit der LTRAs scheint insbesondere bei jüngeren Kindern mit hoher atopischer Belastung gegeben zu sein [Szefler 2005].

Bei instabilem Verlauf können auch bei Kleinkindern (evtl. Off-label!!) zusätzlich langwirksame Betamimetika zum Einsatz kommen. Aufgrund der fehlenden entzündungshemmenden Wirksamkeit dieser Medikamentengruppe sollte dies allerdings nur über einen befristeten Zeitraum erfolgen.

Mindestens so wichtig: nichtmedikamentöse Behandlungsoptionen

Diese sind den medikamentösen Möglichkeiten zumindest ebenbürtig und werden leider häufig im klinischen Alltag und Praxisstress „vergessen“. In Anbetracht der Tatsache, dass dies aber die einzigen nebenwirkungsfreien Therapieoptionen sind, sollten sie viel weiter im Vordergrund stehen. Insbesondere zu erwähnen sind hier die Vermeidung relevanter Auslöser (Nikotin, Passivrauchen, Tierhaare, Hausstaubmilben etc.) sowie die strukturierte Schulung unserer Patienten und Familien nach anerkannten und evaluierten Schulungsprogrammen (www.asthmaschulung.de).

Entscheidend: die richtige Applikationsform der Medikamente

Besonderes Augenmerk ist auch auf die Applikationsform der inhalativen Medikamente zu richten. Im Säuglings- und Kleinkindalter bietet sich hier die Inhalation mittels Dosieraerosol und Inhalierhilfe an. Diese zeigen im Vergleich zu Kompressionsverneblern eine mindestens so gute Wirkstoffdeposition bei zeitlich kürzerer und einfacherer Anwendung. Voraussetzung ist auch hier eine suffiziente Instruktion in die Inhalationstechnik.

Stationäre Rehabilitation über die Deutsche Rentenversicherung (DRV)

Sollten alle ambulanten therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, besteht die Chance, durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme eine Stabilisierung zu erreichen. Diese bietet die einzigartige Struktur einer

  • interdisziplinären
  • zeitlich befristeten
  • indikationsspezifischen
  • qualitätsgesicherten
  • ggf. mit Schulunterricht kombinierten

„integrierten“ Versorgung der betroffenen Kinder und ihrer Familien. Anträge hierzu sollten keinesfalls über die Krankenkassen oder "Beratungsstellen" des Müttergenesungswerkes oder anderer karitativer Einrichtungen erfolgen, da diese in aller Regel keine qualifizierten Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder, sondern für diese Indikation nicht sinnvolle sogenannte Kurmaßnahmen oder Mutter-Kind-Kuren vermitteln.

Fazit

Therapieoptionen obstruktiver Episoden beim Kleinkind sind:

  • wait and see
  • Beratung: Auslöservermeidung (Nikotin, Allergene)
  • Instruktion der korrekten Applikationsform (Dosieraerosol + Inhalierhilfe)
  • qualifizierte Schulung (www.asthmaschulung.de)
  • inhalative Steroide
  • Leukotrienantagonisten
  • ggf. langwirksame Betamimetika.

Literatur beim Verfasser

Interessenkonflikte: keine deklariert


Literatur:
Guilbert, Atopic characteristics of children with recurrent wheezing at high risk for the development of childhood asthma J Allergy Clin Immunol 2004
Nationale Versorgungsleitlinie "Asthma bronchiale, AWMF 2009

Thomas Spindler


Kontakt:
Dr. med. Thomas Spindler, Fachkliniken Wangen, Waldburg-Zeil Kliniken, 88239 Wangen i. Allgäu

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (3) Seite 18-22