Hausärzte sind für ihre Patienten in der Regel erste Ansprechpartner bei Schmerzen. In den letzten Jahren hat sich gerade bei der analgetischen Therapie viel geändert – neue Substanzen und Therapieprinzipien sind in den Fokus gerückt, andere z. T. altbewährte Medikamente wurden mit Warnhinweisen versehen oder sind weitgehend vom Markt verschwunden. Im nachfolgenden Beitrag sollen in komprimierter Form aktuelle und für den Hausarzt relevante Informationen zum rationalen Einsatz von Analgetika dargestellt werden.

Vorsicht, Schmerz-Chronifizierung!

Chronifizierter Schmerz hat seine ursprünglich wichtige Warn- und Schutzfunktion verloren, korreliert häufig nicht mehr mit dem primären Reiz und ist somit vom Auslöser abgekoppelt. Die chronische Schmerzkrankheit wird so zu einer eigenständigen Erkrankung, deren Behandlung eine echte interdisziplinäre Herausforderung bedeutet. Hausärzte sollten schon in der Phase akuter Schmerzen bei ihren Patienten sensibel auf Hinweise achten, die auf eine Chronifizierung hindeuten (sogenannte Yellow Flags, vgl. Übersicht 1).

Schmerz ist nicht gleich Schmerz

Für die erfolgreiche Schmerztherapie ist entscheidend, zunächst den Schmerztyp genauer zu charakterisieren (vgl. Tabelle 1). Die häufigsten Schmerztypen, denen Hausärzte in der täglichen Sprechstunde begegnen, sind Nozizeptorschmerzen, neuropathische Schmerzen (Sonderform Mixed Pain als Mischform mit Elementen von beiden) und dysfunktionale Schmerzen. Neuropathische Schmerzen werden häufig als brennend („wie Feuer auf der Haut“), stechend oder einschießend beschrieben. In der Regel besteht eine Hypästhesie oder Hyperästhesie im Bereich des befallenen Segments, eine Parästhesie, eine Hyperalgesie und/oder eine Allodynie (Reize werden als schmerzhaft empfunden, obwohl sie üblicherweise zu gering sind, um einen Schmerz auszulösen).

Oft ergeben sich aus der sorgfältigen Anamnese bereits wertvolle Fingerzeige für die korrekte Einordnung eines Schmerzbilds, so dass eine adäquate Therapie möglich wird.

Lange Zeit diente das klassische Stufenschema der WHO als Grundlage jeder Schmerztherapie. Es wurde 1986 für die Tumorschmerztherapie konzipiert und berücksichtigt pathophysiologische Mechanismen unterschiedlicher Schmerzarten nicht in ausreichendem Maße, so dass nach neuen Behandlungspfaden gesucht wurde.

Jede Schmerzform bedarf einer individuellen mechanismenzentrierten Behandlung. Es hat sich gezeigt, dass ein differenziertes Vorgehen – je nach vorliegendem Schmerztyp – den Behandlungserfolg verbessern kann (vgl. Tabelle 2). Während die klassischen peripheren Analgetika (d. h. NSAR, Paracetamol, Metamizol) und ggf. Opioide beim Nozizeptorschmerz häufig gut wirken, ist das Vorgehen bei neuropathischen Schmerzen gänzlich anders. Hier zeigen Antidepressiva (wie das altbewährte Amitriptylin) und Antikonvulsiva (z. B. Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin) – ggf. in Kombination mit Opioiden – überlegene Wirkung. Patienten mit dysfunktionalen Schmerzen wie u. a. Fibromyalgie binden in erheblichem Maß hausärztliche Ressourcen und führen nicht selten zu frustrierenden Erlebnissen sowohl auf Patienten- wie auch auf ärztlicher Seite. Ein möglicher medikamentöser Ansatz besteht in der Gabe niedrig dosierter Trizyklika (z. B. 10 – 25 mg Amitriptylin zur Nacht).

Leitliniengerechte Therapie mit peripheren Analgetika

Neue Studiendaten haben die Therapie mit den klassischen NSAR etwas verkompliziert. Im Folgenden sollen einige typische Fallstricke aufgezeigt werden.

Viele der im hausärztlichen Bereich versorgten Patienten sind bereits älter, leiden an chronischen Krankheiten und sind auf Medikamente angewiesen. Häufig wird die Verordnung eines Magenschleimhaut-schützenden Präparats zum NSAR notwendig sein. Übersicht 2 listet typische Situationen auf, in denen die Gabe eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) im Fall einer längerfristigen NSAR-Therapie angezeigt ist. Zu bedenken ist, dass traditionelle Entzündungshemmer wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen o. Ä. bei Blutungsanamnese – auch in Kombination mit PPI – formal kontraindiziert sind.

Vor jeder Verordnung eines NSAR, das regelmäßig über einen gewissen Zeitraum einzunehmen ist, ist zu überprüfen, ob Kontraindikationen vorliegen. Dies gestaltet sich in der betriebsamen Sprechstunde und bei dem oft ausgesprochen hartnäckigen Patientenwunsch nach dem gewohnten Schmerzmittel oft schwierig. Gerade nach der Veröffentlichung des Rote- Hand-Briefs zu Diclofenac im Juli 2013 sollte sich allerdings jeder Hausarzt die Gegenanzeigen bei der Verordnung von NSAR ins Gedächtnis rufen. So ist Diclofenac nun schon bei Herzinsuffizienz ab NYHA-Stadium II, KHK, pAVK und zerebrovaskulärer Erkrankung kontraindiziert. Bei Rauchern, Hypertonikern, Diabetikern und Fettstoffwechselpatienten soll die Anwendung nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Für Diclofenac gelten folglich ähnlich starke Anwendungsbeschränkungen wie für die Coxibe (vgl. Tabelle 3).

Als sicherstes NSAR in Bezug auf Herz und Gefäße kristallisiert sich immer weiter das Naproxen heraus, das in Deutschland noch selten verordnet wird. Leider scheint es eher schlechter magenverträglich zu sein als Ibuprofen, Diclofenac oder die Coxibe, so dass die längerfristige Behandlung bei Risikopatienten von einem PPI begleitet werden sollte.

Streitfall Metamizol

Seit vielen Jahren schon wird eine kontroverse Diskussion um den Stellenwert und das Nebenwirkungspotenzial von Metamizol (z. B. Novalgin®) geführt. Das Risiko der Agranulozytose einerseits und die Gefahr anaphylaktischer Reaktionen – vor allem bei (rascher) intravenöser Verabreichung – sind der Grund, warum kritische Stimmen ein äußerst restriktives Verordnungsverhalten fordern.

Während es in vielen Ländern vom Markt genommen oder gar nicht erst zugelassen wurde, ist Metamizol in einigen Ländern auch heute noch rezeptfrei zu beziehen.

Die Inzidenz der gefürchteten Agranulozytose scheint regional sehr unterschiedlich zu sein, so dass sich einzelne Erfahrungen beim Metamizol nur schlecht auf andere Länder übertragen lassen. In Schweden wurde während einer intensiven Beobachtungsphase sehr häufig von Agranulozytosen berichtet (1 : 1 439 Verordnungen im Jahr 1999), während aus Spanien weitaus günstigere Zahlen gemeldet wurden (0,56 Fälle/1 Million Einwohner/Jahr). Deutschland liegt mit einer Inzidenz von 7 bis 10 Fällen/1 Million Einwohner/Jahr dazwischen.

Festzuhalten bleibt auf jeden Fall, dass Metamizol eher etwas restriktiver als bisher eingesetzt werden sollte:

  • Nur so kurz wie möglich
  • Parenterale Applikation nach Möglichkeit vermeiden
  • Bei längerer Anwendung gezieltes Screening nach potenziellen Nebenwirkungen (v. a. Blutbild)

Flupirtin – zunehmend kritisch beurteilt

In den letzten Monaten wurden immer mehr Negativberichte zum Flupirtin (u. a. Katadolon®) bekannt. Die European Medicines Agency (EMA) hat im Juni 2013 strenge Auflagen bei der Anwendung publiziert, die Flupirtin zu einem reinen Reservemittel herabstufen. Demnach gelten folgende Auflagen:

  • Nur für Patienten, die keine NSAR oder schwache Opioide nehmen können
  • Nur für akute Schmerzen
  • Nicht länger als zwei Wochen
  • Leberwerte jede Woche kontrollieren

Hintergrund sind neben der Lebertoxizität zunehmende Bedenken über ein nicht unerhebliches Suchtpotenzial dieser Substanz. Es hat sich zudem herausgestellt, dass die schmerzlindernde Wirkung gering zu sein scheint. Die Verordnung von Flupirtin sollte daher grundsätzlich unterbleiben bzw. auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Literatur beim Verfasser


Frederik Mader


Kontakt:
Dr. med. Frederik Mader, Facharzt für Allgemeinmedizin, 93152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (1) Seite 44-47