Zeitmangel, volle Sprechstunde, viele vorhergehende Therapieversuche („Nichts hilft!“), fehlende Ressourcen beim Patienten, aber auch auf Arztseite – und dann noch ein „schwieriger“ Patient! Im folgenden Artikel werden einige Gesprächshilfen vorgestellt, mit denen Sie Ihre sowieso schon gute Kommunikation mit Ihren Patienten noch ein wenig verbessern können.

Viele Kollegen betrachten es als Ausdruck von Expertentum, möglichst viele und natürlich schlaue Fragen zu stellen: Fragen, die darauf aus sind, Wissenslücken zu schließen. Ich frage, um mehr zu wissen, um eine genaue Symptomschilderung zu bekommen, um einen Krankheitsverlauf einschätzen zu können usw. Dies hat seinen Stellenwert im klinischen Alltag in der Akutsituation. Wir Allgemeinärzte aber betreuen viele Patienten über Jahre mit den immer gleichen Symptomkomplexen. Wie kann man – kann man überhaupt noch? – diesen Patienten helfen? Wer lösungsorientiert arbeitet, der respektiert und würdigt, wie ein Patient teils über Jahre mit seinem Problem umgeht. Aus den Fragen müssen dann Interesse, Neugierde und Spannung sprechen. Andererseits muss die Frage auch verdeutlichen, dass der Patient aktiv an der Gestaltung seines Problems beteiligt ist. Denn ein Problem kommt in den seltensten Fällen aus heiterem Himmel.

Patienten wenden sehr viel Energie auf, um zu begründen, warum eine Therapie oder Lebensstiländerungen NICHT möglich sind. Oder sie haben die Zuversicht verloren, dass irgendetwas – wenn auch nur ein wenig – besser werden könnte. Andere haben schon viele Therapieversuche hinter sich. Manche wissen es auch einfach besser – diesen Typus kennt man hinlänglich:

„Ich habe schon alles versucht.“

„Ich muss das Essen nur anschauen, und schon nehme ich zu.“

„Ich esse doch schon gar nichts mehr.“

„Ich habe IMMER Schmerzen.“

„Ich kann NIE schlafen.“

Diese Patienten haben den Bezug zu sich und den eigenen Lösungsmöglichkeiten verloren. Sie wissen nicht mehr weiter und sehen nur noch das Problem, die Beschwerden – sie sind nur noch krank. Die hier vorgestellten „kleinen Schätze“ sollen Ihnen helfen, Ihre Patienten zu der Einsicht zu bringen, dass man nicht immer und nur noch krank ist, sondern dass da auch noch gute Seiten sind. Dass es in der Vergangenheit schon mal gute Erfahrungen gegeben hat, dass es in einzelnen Bereichen doch Strategien und Wege gab, mit dem Problem bzw. der Erkrankung umzugehen.

Nicht „4“ geht nicht

Wenn ich Sie jetzt bitten würde, die Zahl „4“ nicht zu lesen, dann wäre es schon zu spät. So sind wir Menschen, so arbeitet unser Gehirn. Alles, was wir sehen, wahrnehmen, hören, ordnen wir ein in unsere gewohnten Muster und Raster. Das klappt auch, wenn wir etwas NICHT tun sollen. Es ist der „Rosa-Elefant-Effekt“: „Stellen Sie sich jetzt keinen rosa Elefanten vor!“ Ups, schon ist es passiert.

Im Folgenden werden vier Formulierungshilfen vorgestellt, die Sie direkt morgen in Ihrer Praxis umsetzen können, damit Sie Ihre eh schon gute Kommunikation mit Ihren Patienten noch weiter verbessern können. Es sind Tipps aus der Praxis für die Praxis. Tipps, die Ihren Patienten helfen, selbst auf die Suche nach Lösungen zu gehen und Wege zu finden, die ein Patient für sich gehen und umsetzen kann. Was der Patient eigentlich machen muss, das weiß er selbst am besten, z. B. durch die Apotheken-Umschau und die vielen Gesundheitsseiten in allen möglichen Tageszeitungen und Zeitschriften. Aber er weiß oft nicht, wie und wo er anfangen kann.

In Negationen verpackte Vorschläge
Und Sie brauchen sich jetzt noch nicht zu erlauben, dass …Und es ist jetzt nicht nötig …Und es muss jetzt noch nicht so sein, dass …Und Sie müssen jetzt noch nicht …

„Sondern“

Wenn Patienten von ihrem Arzt nach ihren Therapiezielen gefragt werden, wissen sie in der Regel sehr gut, was und wohin sie nicht wollen. Positiv zu sagen, was und wohin man will, ist dagegen oft sehr schwer. Ziele, die man kennt und benennen kann, sind aber sehr viel leichter zu erreichen als unbekannte, unbenannte Ziele. Für einen Arzt ist es allerdings eine große Versuchung, dem Patienten die oft schwierige Arbeit des positiven Formulierens seiner Ziele zu sehr zu erleichtern.

Wenn der Arzt vorschnell (nämlich schon dann, wenn der Patient nur gesagt hat, was er nicht will) meint, verstanden zu haben, was und wohin sein Patient will, dann findet er sich nicht selten unversehens wieder in dem Gefühl, dass er mit ihm nicht mehr an einem Strang zieht. Dies lässt sich zum Teil vermeiden, indem man dem Patienten vermittelt, dass man dessen Ziele in seinen eigenen Worten formuliert hören will. Am einfachsten lässt sich dies mit dem Wörtchen „sondern“ ausdrücken. „Sie wollen also nicht mehr …, sondern ...?“

Man lässt den Satz offen und schaut den Patienten freundlich interessiert und fragend an. Wenn daraufhin der Patient eine weitere Variation dessen artikuliert, was er nicht will, so lohnt es sich, erneut freundlich und interessiert zu fragen: „Hm, ja, Sie wollen also nicht mehr ..., sondern ...?“

Die zweite Einsatzmöglichkeit benutzt das Wörtchen „sondern“ als positive Ausnahme von der Regel. Patient: „Seit unserem letzten Treffen war es mir gar nicht mehr so schlecht gegangen, ich war irgendwie gar nicht mehr so antriebslos …“ Arzt: „Es ging Ihnen also in der letzten Woche gar nicht so schlecht, sondern wie ging es Ihnen?“ „Sie wollen keine Tabletten gegen den Bluthochdruck nehmen? Sondern was wollen Sie dagegen tun?“ Dass Bluthochdruck nicht gut ist, wissen die Patienten selber – sonst wären sie ja auch nicht in die Praxis gekommen.

„Immer“

Die Aussage „immer“ stimmt in Verbindung mit Symptomen nie: „Ich habe immer solche Kopfschmerzen“, „Ich bin immer so depressiv.“ Helfen Sie Ihrem Patienten präzisieren: „In der Vergangenheit hatten Sie oft schreckliche Kopfschmerzen. Wann hatten Sie die Kopfschmerzen und wann nicht?“

Beschreibungen von Problemen mit Hilfe des Wörtchens „immer“ können für den Patienten durchaus sinnvoll sein, wenn dieser einen Eindruck vermitteln oder einen ersten groben Überblick über das Problem geben will. Sie haben allerdings den Nachteil, dass durch sie das Problem vergrößert erscheint. Kopfschmerzen, die man „immer“ hat, erlebt man als gravierender, und sie sind schwieriger zu therapieren als Kopfschmerzen, die in Abständen von vier bis sechs Wochen bevorzugt an Wochenenden für ein bis zwei Tage auftreten. Das kleine Wörtchen „immer“ macht das Problem also schlimmer, als es in Wirklichkeit ist. Darüber hinaus bedeutet, ein Problem „immer“ zu haben, dass man es nicht nur in der Vergangenheit „immer“ gehabt hat, sondern es auch gegenwärtig hat und in Zukunft „immer“ haben wird. Da ein schlimmes großes Problem schwieriger zu lösen ist als ein weniger schlimmes und kleines, sollte der Arzt alles versuchen, damit ein Problem möglichst klein oder zumindest ein wenig kleiner erlebt wird. Das Wort „immer“ wird also durch „in der Vergangenheit“ und „oft“ ersetzt und die objektive Leidenszeit durch Fragen weiter eingegrenzt. Das macht Probleme kleiner und damit leichter lösbar.

„Noch nicht“

Welcher Kollege kennt das nicht: Da weiß man schon mal einen guten Rat, macht einen wirklich guten, sinnvollen Vorschlag, begründet alles auch sehr stichhaltig und belegt es mit Studien – und dann wird dieser Vorschlag vom Patienten abgelehnt. Oder der Patient „ja-abert“, indem er sagt: „Ja, das ist wirklich ein guter Vorschlag, aber er geht aus den und den Gründen nicht!“ Manchmal beteuert der Patient auch, dass er wirklich alles versuchen werde, diesen Vorschlag umzusetzen. Als engagierter Arzt drängt man den Patienten sehr, das auch wirklich zu versuchen – und weiß insgeheim schon, dass außer wortreichen Entschuldigungen am Ende nichts dabei herauskommen wird.

Warum? Weil wir als Ärzte zu oft über Mortalitäten reden, der Patient aber eher über Lebensqualitäten und nicht über Gesundheit und Prävention, sei diese primär oder sekundär. Der Ärger über diese offene oder versteckte Ablehnung guter Vorschläge bestätigt die unerfreuliche Erkenntnis: Direkte Vorschläge können viele Menschen nicht annehmen, auch wenn die Vorschläge noch so gut sind. Diese ärgerliche Enttäuschung kann man sich künftig ersparen.

Die Annahmequote der therapeutischen Vorschläge steigt bei manchen Menschen erheblich, wenn der Arzt seine Vorschläge in Negationen verpackt und „Nicht-Vorschläge“ macht. Dabei nutzt man die Erkenntnis, dass alles, was hinter einer Negation steht, unweigerlich für kurze Zeit innerlich aktiviert wird („Stellen Sie sich jetzt keinen rosa Elefanten vor!“).

Wenn wir als Arzt unsere Vorschläge in eine solche durch die vorangestellte Negation relativierte Form bringen, hat der Patient immer auch die Freiheit, zu sagen: „Nein, das ging auch aus folgenden Gründen nicht.“ Oder der Patient reagiert mit: „Hm, das hätte ich eigentlich machen können. Ist eigentlich keine so schlechte Idee.“ Und oft kommt es dem Patienten hinterher so vor, als sei diese gute Idee von ihm selbst gewesen. Der Patient hat also alle Freiheiten, die für ihn passenden Anregungen aufzugreifen und die unpassenden zu ignorieren.

„Nur mal angenommen“

Im Folgenden soll nun eine Frageform vorgestellt werden, die noch zusätzlich helfen kann, den Gang des Gesprächs und damit die Aufmerksamkeit des Patienten in eine konstruktive Richtung zu lenken: die verführerischen Fragen nach zwei oder mehr wünschenswerten Alternativen. Ein Beispiel für diese Frageform ist: „Nur mal angenommen, Sie wollten, um Ihren Diabetes selber noch ein wenig besser zu kontrollieren, sich mehr bewegen – nur mal angenommen! Sind Sie dann jemand, der sich feste Zeiten vornimmt oder sich gar einen Verein sucht?

Oder sind Sie jemand, der sich lieber ohne feste Struktur vornimmt, mehr körperliche Aktivität in sein Leben einzubauen?“ Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass es dem so Fragenden vor allem darum geht,

  • den Patienten auf neue Gedanken zu bringen,
  • Anregungen und Vorschläge „verbraucherfreundlich“ und ansprechend zu verpacken,
  • die Aufmerksamkeit in nützliche Richtungen zu lenken,
  • den Patienten in lösungs- und besserungsträchtige Suchprozesse zu involvieren.

Das Ganze können Sie noch verstärken, indem Sie dem Ganzen eine allgemeingültige Formulierung vorausschicken, in diesem Beispiel etwa „Bewegung tut gut“. Das klingt banal, bringt aber den Patienten unbewusst in eine positive „Ja, stimmt“-Haltung.

Sie müssen sich jetzt noch nicht vorstellen, was Sie mit all diesen Tipps anfangen werden. Es genügt, wenn Sie sich eine kleine Formulierung zum Üben herauspicken. In der Vergangenheit hatten Sie nicht immer Schwierigkeiten mit den „schwierigen Patienten“. Nur mal angenommen, Sie würden sich für eine der Gesprächshilfen entscheiden, sind Sie dann jemand, der sich für eine konkrete entscheidet, oder sind Sie jemand, der sich alle vier Varianten bereithält, um sie in der jeweiligen Konsultation je nach Anlass einzusetzen?

Viel Spaß bei Ihrer Arbeit!

Literatur beim Autor


Markus Quintela Schneider


Kontakt:
Dr. med. Markus Quintela Schneider
Facharzt für Allgemeinmedizin
74076 Heilbronn

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (1) Seite 14-16