Es ist manchmal nicht leicht, die Polymyalgia rheumatica von anderen entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises abzugrenzen. Neue, validierte Klassifikationskriterien sollen dabei helfen, einheitliche Standards zu schaffen.

Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist eine chronische, entzündliche Erkrankung, die in der Regel erst nach dem 50. Lebensjahr auftritt. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Alter und schwankt je nach geographischer Lage. Hohe Zahlen werden vor allem in skandinavischen Ländern und bei Menschen mit nordeuropäischen Wurzeln verzeichnet.

Es gibt zwar viele Erklärungsansätze, doch die genauen Ursachen der PMR sind unbekannt. Aufgrund epidemiologischer Studien wird vermutet, dass sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse von Bedeutung sind. Zudem wird diskutiert, ob infektiöse Auslöser bei der Pathogenese einen Einfluss haben. Eine andere Hypothese schlägt vor, dass eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse im Zusammenhang mit einer Nebenniereninsuffizienz eine Rolle spielt.

Symptome

Zu den klassischen Symptomen zählen Schmerzen und eine morgendliche Steifheit des Nackens, der Schultern, der Hüften sowie der Oberarme und -schenkel. Typischerweise treten die Beschwerden beidseitig auf. Rund 40 bis 50 % der Patienten klagen zudem über Müdigkeit, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Fieber. Es gibt andere Erkrankungen, deren Erscheinungsbilder der PMR sehr ähnlich sind. Daher ist es manchmal schwer, sofort die richtige Diagnose zu stellen; insbesondere die Spondyloarthritis und die rheumatoide Arthritis sind solche Beispiele.

Daneben besteht ein enger Zusammenhang zwischen einer PMR und der Arteriitis temporalis. Es handelt sich dabei um eine Gefäßwandentzündung großer Arterien. Charakteristisch sind pochende Kopfschmerzen in der Schläfengegend bis hin zu Sehstörungen. Die beiden Erkrankungen teilen viele Gemeinsamkeiten: das Alter beim Einsetzen der Störungen, einen höheren Frauenanteil und ein ähnliches geographisches Muster. Daher wird gemutmaßt, dass sie unterschiedliche Formen ein und derselben Erkrankung sind. Dafür sprechen auch die folgenden Zahlen: 40 bis 60 % der Patienten mit einer Arteriitis temporalis haben bei der Diagnose Anzeichen einer PMR, und umgekehrt tritt bei etwa 16 bis 21 % der Personen mit einer PMR eine Arteriitis temporalis auf.

Diagnosestellung

Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Symptomatik gestellt. Denn bisher gibt es keinen spezifischen Labortest, obwohl oft erhöhte Werte von Entzündungsmarkern nachgewiesen werden. Die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) wird im Vergleich zur Erythrozytensedimentationsrate (ESR) als aussagekräftiger angesehen. Die Messung anderer Laborparameter kann zudem dabei helfen, die PMR von ähnlichen Erkrankungen abzugrenzen. Bildgebende Verfahren werden für die Diagnosestellung zwar nicht routinemäßig benötigt, doch vor allem eine Ultraschalluntersuchung kann weiteren Aufschluss verschaffen. Mit ihr wird häufig eine Bursitis, Tenosynovitis oder Synovitis im Bereich der Schultern und Hüften nachgewiesen.

Mehrere Arbeitskreise legten Diagnosekriterien fest. Die European League Against Rheumatism (EULAR) und das American College of Rheumatology (ACR) veröffentlichten kürzlich ihre Klassifikationskriterien. Sie entwickelten einen Score, der sich bei über 50-jährigen Patienten eignet, bei denen die Entzündungsmarker ESR und/oder CRP erhöht sind und die beidseitigen Schulterschmerzen keinem anderen Leiden zugeschrieben werden können (vgl. Tabelle 1). Bei der Abgrenzung einer PMR von ähnlichen Erkrankungen entspricht ein Wert von 4 oder größer einer Empfindlichkeit von 65 % und einer Genauigkeit von 78 %. Wird auch eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, beträgt die Empfindlichkeit 66 % und die Genauigkeit sogar 81 % bei einer Punktzahl von 5 oder größer. Diese Kriterien sind allerdings nur übergangsweise gültig, bis noch mehr Validierungsdaten vorliegen.

Behandlung mit Glukokortikoiden

Standardmäßig wird mit Glukokortikoiden behandelt, wohingegen nichtsteroidale Entzündungshemmer in der Regel nicht eingesetzt werden. Spricht der Patient schnell auf eine niedrige Dosis an, wird dies oft als Bestätigung der Diagnose angesehen. Studien zeigten jedoch, dass diese Annahme nicht immer zutrifft. Daneben treten auch häufig Rückfälle auf.

Zu Beginn wird üblicherweise mit einer täglichen Dosis von 15 bis 20 mg Prednison oder Prednisolon gestartet. Höhere Mengen werden eher selten benötigt, außer es besteht der Verdacht auf eine Arteriitis temporalis. Die anfängliche Dosis wird ungefähr zwei bis vier Wochen lang beibehalten und schließlich allmählich zurückgefahren. Dafür gibt es kein standardmäßiges Verfahren, doch häufig erfolgt alle zwei bis vier Wochen eine Reduktion um 2,5 mg. Nimmt der Patient schließlich nur noch 10 mg pro Tag ein, kann nach jedem Monat 1 mg weggelassen werden. Bei milderen Verlaufsformen oder bei Personen mit mehreren Komorbiditäten können stattdessen im Abstand von drei bis vier Wochen 120 mg Methylprednisolon i.m. verabreicht werden. Nach drei Monaten kann die Dosis alle zwei bis drei Monate um 20 mg herabgesetzt werden.

Nicht vergessen: Die Langzeiteinnahme von Glukokortikoiden geht nicht spurlos am Körper vorbei. Ganz oben steht die Gefahr einer Osteoporose. Vorbeugend kann die regelmäßige Gabe von Kalzium und Vitamin D helfen, und bei Menschen mit einem hohen Risiko können vorsorglich Bisphosphonate verschrieben werden.

Andere Immunsuppressiva

Um die Kortikoiddosis niedrig zu halten, werden mitunter auch andere Immunsuppressiva verordnet. Drei randomisierte, klinische Studien untersuchten die Wirksamkeit von Methotrexat bei der anfänglichen Behandlung der PMR. Die Ergebnisse mit dem Folsäureantagonisten waren jedoch nicht eindeutig: Zwei Studien bestätigten eine Wirksamkeit, wohingegen bei einer Studie nicht viel Kortikoid eingespart wurde. Der Wirkstoff Azathioprin wurde ebenfalls in einer kleinen randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Studie evaluiert. Daran nahmen 31 Patienten mit einer PMR, einer Arteriitis temporalis oder mit beiden Erkrankungsformen teil. Der primäre Endpunkt war die Prednisolondosis nach 52 Wochen. Am Ende dieses Zeitraums betrug sie 1,9 mg in der Azathiopringruppe versus 4,2 mg in der Plazebogruppe. Die Einnahme von Azathioprin war jedoch mit einer erhöhten Anzahl unerwünschter Wirkungen verbunden. Zudem handelte es sich um ein kleines Kollektiv, und nur 65 % der Teilnehmer beendeten die Studie. Im Hinblick auf die Prednisolondosis lag zudem erst nach 52 Wochen ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen vor. Des Weiteren prüften erste Studien den Nutzen des TNF-alpha-Inhibitors Infliximab (Remicade®). Vielleicht ist dies ein möglicher Ansatz, vor allem bei Patienten mit Rezidiven. Das langfristige Ziel ist eine maßgeschneiderte Immuntherapie, doch dies setzt ein besseres Verständnis der Pathogenese der Krankheit voraus.

Monika Lenzer

Quelle: Kermani TA, Warrington KJ: Polymyalgia rheumatica. Lancet 2013; 381: 63–72.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici 5/2013


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (20) Seite 50-52