Meine 77-jährige Patientin ist immer müde und erschöpft. Es besteht ein Hypertonus und eine Osteoporose. Therapie: Losartan 50/12,5, Metoprolol 23,5, Procoralan 5, Coumadin nach INR, Bonviva 150. Auffällig ist seit längerem ein erhöhter Ferritinwert. Welche weiteren Labor- oder bildgebenden Untersuchungen sind angezeigt?

Antwort: Ferritin ist ein intrazelluläres Speicherprotein für Eisen in vielen Zellen und spielt möglicherweise auch eine Rolle im interzellulären Eisentransport. In diesem Zusammenhang kennen wir das Serum-Ferritin als guten diagnostischen Parameter für die normale Eisenspeicherung. Ein Ferritin < 12 µg/l beweist einen vollständigen Speichereisenmangel und ist deshalb der beste Parameter im Bereich Eisenmangel.

Eisenüberladung ist bei uns häufig. Ca. 10 % der Bevölkerung sind heterozygote Genträger für die C282Y-Mutation, die in homozygoter Form (ca. jeder 200. bis 300. ist betroffen) genetische Ursache für die erbliche Eisenspeicherkrankheit Typ 1 ist (mögliche Symptome: Leberzirrhose, Diabetes, Arthropathie an kleinen und großen Gelenken). Bei solchen Personen ist das empfindliche Serum-Eisen und die Transferrin-Fe-Sättigung schon im Kindesalter fast ständig erhöht, das Serum-Ferritin steigt im Erwachsenenalter stetig an und kann Werte > 5 000 µg/l erreichen.

Moderat erhöhte Ferritinwerte sind bei uns häufig aber auch sekundär erhöht, z. B. bei Leberzellschäden (z. B. Fettleber), bei metabolischem Syndrom, auch nur bei Übergewicht und bei einigen Tumorerkrankungen (Ferritin als Akut-Phase-Protein).

In diesem Fall liegt bei der älteren Dame ein Ferritinwert von ca. 300 vor (normal 35 – 240 µg/l), was nur sehr leicht erhöht ist. Serum-Fe und Transferrin wurden nicht bestimmt, die Leberenzyme sind vollkommen normal. Hier ist eine Typ-1-Hämochromatose auch ohne Genetik wohl bereits hinreichend sicher auszuschließen. Eine C282Y-Genträgerschaft wäre möglich, hätte aber keine therapeutischen Konsequenzen. Ein Zusammenhang zwischen den Symptomen Müdigkeit, Erschöpftheit und dem Serum-Ferritin ist für mich nicht erkennbar. Hier ist nach anderen Ursachen zu suchen.

Grundsätzlich könnte eine weitere Diagnostik in Richtung Eisenüberladung stufenweise erfolgen:

1. Serum-Fe, Transferrin. Transferrin ist bei Eisenüberladung häufig erniedrigt, als Zeichen der Runterregulation der Transferrinsynthese in der Leber bei gefüllten Eisenspeichern.

2. Testung auf die C282Y- und die H63D-Mutation im HFE-Gen.

Bei Homozygotie für C282Y: individuelle Charakterisierung der phänotypischen Symptome (Grad der Eisenüberladung, Leberschäden, Gelenkbeteiligung etc.) sowie Einleitung der Therapie durch Aderlässe. Eine invasive Leberbiopsie ist zur Diagnose nicht notwendig, hier sind nichtinvasive Verfahren (SQUID-Biomagnetometrie, Kernspintomographie) zur Lebereisenquantifizierung besser. Bei Genträgern, auch bei den sogenannten „Compound-Heterozygoten“ (C282Y/H63D-Mutation auf verschiedenen Allelen), findet sich fast nie eine klinisch relevante Eisenüberladung, wohl aber sind Eisenparameter im Blut (Ferritin, Serum-Fe) zeitweilig erhöht.

Bei nicht-genetisch erhöhten Ferritinwerten kann man eine moderate Aderlasstherapie anbieten (z. B. 5- bis 8-mal 400 ml im Abstand von 2 – 3 Wochen). In vielen Fällen normalisiert sich dadurch das Ferritin, was für eine leicht erhöhte Eisenspeicherung trotz normaler Regulation der Eisenaufnahme im Darm spricht.



Autor:

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Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Nielsen

Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
20246 Hamburg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (19) Seite 66