Die Koloskopie ist als zuverlässigste Methode zur Früherkennung von Darmkrebs etabliert, doch die Beteiligung der Patienten lässt stark zu wünschen übrig: Nur ein Bruchteil der über 55-Jährigen, die als GKV-Versicherte einen Anspruch auf die Durchführung einer Koloskopie haben, nimmt diese Vorsorgemöglichkeit auch wahr. Wer als Hausarzt seine Patienten zur Koloskopie motivieren will, muss vor allem unbegründete Ängste ausräumen. Argumentationshilfe gibt ein Gesprächsleitfaden.

Darmkrebs ist eine Krebsart, die nicht nur früh erkannt, sondern überhaupt vermieden werden könnte. Er entwickelt sich in der Regel aus Darmpolypen oder Adenomen als möglichen Krebs-Vorstufen. Erkennt und beseitigt man diese rechtzeitig durch eine Koloskopie, entsteht kein Darmkrebs. Deshalb wurde in der GKV für Versicherte im Alter von 55 Jahren die sogenannte Vorsorgekoloskopie bereits im Jahre 2002 eingeführt. Bei unauffälligem Koloskopiebefund sollte eine Wiederholung der diagnostischen Maßnahme nach zehn Jahren erfolgen. Vor diesem Hintergrund sind 65 390 Neuerkrankungen mit wenn auch leicht abnehmender Tendenz und 26 662 Todesfälle wegen Darmkrebs jährlich (2008) viel zu hoch.

Der Grund liegt in der vergleichsweise geringen Akzeptanz der Früherkennungsmaßnahme. Zwar haben in den vergangenen zehn Jahren ca. vier Millionen Personen an der Untersuchung teilgenommen. Bei jedem dritten Teilnehmer wurde ein Polyp oder Adenom entdeckt. Personen mit einem fortgeschrittenen Adenom hatten den größten Nutzen von der Untersuchung, weil fortgeschrittene Adenome in der Regel über die Jahre zu Darmkrebs entarten. Berechnungen zeigen, dass durch die Teilnahme an der Vorsorgekoloskopie ca. 150 000 GKV-Versicherte aus dieser Personengruppe vor dem Eintritt von Darmkrebs bewahrt werden konnten.

Bereitschaft zur Teilnahme lässt nach

Trotz dieser ermutigenden Ergebnisse muss man aber auch feststellen, dass die Bereitschaft zur Teilnahme an der Vorsorgekoloskopie abnimmt: von ca. 600 000 Teilnehmern im Einführungsjahr 2003 auf nur noch knapp 400 000 Teilnehmer im Jahr 2012. Dieser Rückgang ist nicht nachvollziehbar, denn für kaum eine andere Gesundheitsmaßnahme wurde von unterschiedlichen Organisationen so viel geworben. Die Vorbehalte gegen diese invasive Früherkennungs-Diagnostik sind durch Aufklärung weiter abzubauen.

Das Bundesgesundheitsministerium hat deshalb im Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz vom Februar 2013 den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, bis 2016 ein Einladungsverfahren zur Darmkrebsprävention zu entwickeln. Die Ausgestaltung ist derzeit noch offen. Modellversuche von Krankenkassen zeigten, dass eine persönliche Einladung der Versicherten die Teilnahme an der Vorsorgeuntersuchung um bis zu 50 % steigern kann. Das Einladungsmodell wird initial mit einer Information über die Möglichkeiten, Chancen und Risiken der Darmkrebsvorsorge sowie über alternative diagnostische Maßnahmen zur Vorsorgekoloskopie begleitet werden müssen, damit der Versicherte eine informierte Entscheidung treffen kann.

Ein Leitfaden fürs Motivationsgespräch

Ergänzend zu der Gesetzesinitiative hat die Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs mit Sitz in Ludwigshafen einen Gesprächsleitfaden für Ärzte entwickelt, um Versicherte im Arzt-Patienten-Gespräch über die Darmkrebsvorsorge aufzuklären und zur Teilnahme zu motivieren. Der Gesprächsleitfaden ist veröffentlicht unter http://www.lebensblicke.de/uber-uns/advisory-board/ . Er ist zweigeteilt und richtet sich einerseits an die Versichertengruppe im Alter von 50 bis 54 Jahren und andererseits an die Altersgruppe der Personen ab 55 Jahren. Die Zweiteilung hat ihren Grund darin, dass die Vorsorgekoloskopie erst ab dem 55. Lebensjahr von den GKV-Krankenkassen angeboten wird. In der jüngeren Altersgruppe von 50 bis 54 Jahren wird nur der Stuhltest leistungsmäßig erstattet. Der Gesprächsleitfaden ist als Gedankenstütze für den Arzt zur persönlichen Ansprache der Zielgruppe im Rahmen eines geeigneten Termins gedacht.

Das Thema und das Problem werden einleitend angesprochen, gefolgt von einer Aufklärung über die Kassenleistung von Stuhltest und Vorsorgekoloskopie. Bei der Koloskopie werden der Ablauf der Untersuchung sowie die vorbereitende Darmreinigung erklärt. Die äußerst geringen Risiken (Perforation und Blutungen) werden thematisiert. Insgesamt wird ein positives Bild gezeichnet, weil der Nutzen die Nachteile des Verfahrens deutlich überwiegt. Die diagnostischen Alternativen zur Koloskopie auf dem Laborsektor werden angesprochen, sowohl bei der jüngeren wie der älteren Zielgruppe. Es werden auch neuere Labormethoden wie immunologische Stuhltests oder Bluttests angesprochen, auch wenn diese (noch) keine Kassenleistungen und daher vom Versicherten selbst zu bezahlen sind. Darauf muss der Arzt seine Patienten ausdrücklich hinweisen. Die kürzlich veröffentlichte S3-Leitlinie zum kolorektalen Karzinom bewertet die neueren immunologischen Stuhltests wegen ihrer deutlich höheren Sensitivität als geeignete Alternative zu dem bisher nur als Kassenleistung erstatteten sogenannten Stuhltest auf Guajak-Basis unter der Voraussetzung, dass sie eine Spezifität von mindestens 90 % nachweisen können.

Dem Versicherten sollte in dem Gespräch deutlich werden, dass die Koloskopie die zuverlässigste Methode ist, um Darmkrebs zu vermeiden. Wenn der Versicherte sich dennoch dagegen entscheiden sollte, was zu respektieren ist, sind die Labor-Alternativen, auch wenn sie eine geringere Wertigkeit haben, in Betracht zu ziehen. Das Informationsgespräch hat einen zeitlichen Rahmen von etwa zehn Minuten. Im gegenwärtigen EBM (4. Quartal 2013) wird mit der Leistungsziffer 01 740 (103 Punkte, 10,30 Euro) dem Vertragsarzt die Abrechnung der Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms bei der Zielgruppe der gesetzlich Versicherten im Alter ab 55 Jahren ermöglicht. Es ist zu empfehlen, dass Hausärzte sich die beiden Gesprächsleitfäden herunterladen und die Darmkrebsvorsorge mit ihren Patienten in einem geeigneten Termin besprechen. Ziel ist es, durch eine bundesweit ausgerichtete Aktion, gestützt durch die Motivation in Hausarztpraxen, die Erkrankungsraten an Darmkrebs deutlich zu reduzieren.

Kernpunkte des Patientengesprächs

Problemdarstellung: Darmkrebs ist die häufigste Krebserkrankung. Er entsteht in den meisten Fällen ohne Warnhinweise oder Symptome. Daher kann nur die Früherkennung Sicherheit bieten.

Kosten: Ab 55 Jahren ist die Kolo-skopie eine Kassenleistung – auch die Entfernung dabei entdeckter Polypen als mögliche Darmkrebs-Vorstufen.

Ablauf: Mit einem flexiblen Schlauch (Endoskop), an dem eine kleine Kamera befestigt ist, inspiziert der Arzt, der immer ein erfahrener Spezialist ist, die gesamte Länge des Dickdarms und beseitigt Wucherungen. Von der etwa 20-minütigen Untersuchung bekommt der Patient in der Regel nichts mit, sondern "verschläft" sie. Zu erwähnen ist die vorher nötige Darmreinigung mit einer Trinklösung, da der Darm für die Untersuchung leer sein muss. Die Trinklösung muss am Vortag und am Tag der Darmspiegelung getrunken werden. In dieser Zeit darf der Patient nichts essen, nach der Koloskopie sollte er nicht selbst Auto fahren.

Risiken und Nutzen: Blutungen sind selten, Perforationen der Darmwand sehr selten (2 Fälle pro 10 000 Untersuchungen). Der Nutzen überwiegt die Risiken bei weitem. Wenn nichts entdeckt wurde, wird erst in zehn Jahren zu einer erneuten Darmspiegelung geraten.

Alternativen: Als Kassenleistung gibt es auch einen Stuhltest (Guajak-Test). Er registriert Blut im Stuhl. Ein positiver Test heißt aber nicht, dass der Patient Darmkrebs hat. Das Ergebnis muss erst durch eine Darmspiegelung abgeklärt werden – meist stecken Polypen dahinter. Als kostenpflichtige Alternative gibt es modernere und deutlich genauere Stuhltests sowie einen Bluttest als bequeme Alternative zur Krebserkennung. Hier ist keine Diät einzuhalten, für den Bluttest kann der Arzt sofort Blut abnehmen. Die Tests sollten jährlich wiederholt werden.

Quelle: Leitfaden für Versicherte über 55 Jahre



Autor:

Dr. Gerhard Brenner
53639 Königswinter

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (18) Seite 38-41