Dem 57-Jährigen reicht es allmählich. Schon länger quälen ihn seine Augen, die brennen, gelegentlich tränen und gerötet sind. Im Bereich der Wimpern sind Verkrustungen sichtbar. Augentropfen hätten nichts geholfen. Er möchte seine Beschwerden nun endlich loswerden. An welche Diagnose denken Sie, was ist sonst noch abzuklären und wie kann man den Patienten behandeln?

Bei der Untersuchung fallen neben den geröteten Augenlidern und den schuppenartigen Verkrustungen eine leichte konjunktivale Injektion entlang des inneren Lidrandes sowie gelbliche Pfropfen in diesem Bereich auf, berichten Augenärzte aus Bournemouth im British Medical Journal [1]. Der Patient klagt über zeitweise verschwommenes Sehen durch das Tränen der Augen und ein Fremdkörpergefühl. Zunächst hat er frei verkäufliche Chloramphenicol-Augentropfen angewandt, dann wurden ihm Fusidin-haltige Augentropfen verordnet. Beides hat jeweils nur kurz geholfen.

Verdachtsdiagnose: Blepharitis

Die geschilderten Symptome lassen am ehesten eine Blepharitis vermuten. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Augenlider. Sie wird unterteilt in eine anteriore Blepharitis, bei der die äußeren Lidränder betroffen sind, und eine posteriore Blepharitis mit Befall der inneren Lidränder. Während die anteriore Blepharitis meist durch Staphylokokken hervorgerufen wird (häufiger bei Kindern und jungen Menschen) oder seborrhoischen Ursprungs ist (häufiger bei älteren Menschen), entwickelt sich die posteriore Blepharitis durch eine gestörte Funktion der Meibom-Drüsen mit verdicktem Sekret und verengtem Ausführungsgang. Die Folge sind Knoten am Augenlid (Meibom-Zysten, Hagelkörner) sowie trockene und gereizte Augen. Häufig ist eine gemischte Blepharitis aus anterioren und posterioren Elementen, wie sie auch im beschriebenen Fall vorlag.

Wonach muss man fragen?

Weitere Symptome einer Blepharitis, die ggf. zu erfragen sind, sind Juckreiz, Lichtempfindlichkeit und Lidknötchen. Morgens sind die Beschwerden in der Regel schlimmer, oft wachen die Patienten mit verklebten Augen auf. Außerdem sind immer beide Augen einigermaßen symmetrisch betroffen.

Typischer Befund

Nicht immer findet sich ein so ausgeprägter Befund, wie es die als sehr heftig geschilderten Beschwerden der Patienten vermuten lassen würden. Gelegentlich sind die typischen Befunde auch nur mit der Spaltlampe zu erkennen. Zu beobachten sind schuppige/verkrustete oder mit Schaum belegte Lidränder mit oberflächlich erweiterten Blutgefäßen und gelblichen Pfropfen (verstopfte Meibom-Drüsen). Manchmal findet man auch Hagelkörner (Chalazia), ausgefallene Wimpern (Madarosis) und umgestülpte Wimpern (Trichiasis).

Differenzialdiagnosen

Andere Augenerkrankungen, an die man denken muss, sind die Konjunktivitis, Hornhauterkrankungen und Augentrockenheit anderer Ursache (Keratokonjunktivitis sicca, Sjögren-Syndrom, andere Erkrankungen der Tränendrüsen). Hierbei verstärken sich die Beschwerden jedoch eher im Laufe des Tages, während sie bei Blepharitis morgens am ausgeprägtesten sind. Bei einseitiger oder asymmetrischer Entzündung der Augenlider ist an eine maligne Erkrankung (Talgdrüsenkarzinom, Plattenepithel- oder Basalzellkarzinom) zu denken.

Therapiemöglichkeiten

Die Blepharitis ist eine chronische Erkrankung, bei der die Symptomkontrolle statt der Heilung im Vordergrund steht. Das muss der Patient wissen. Die wichtigste Maßnahme ist die Augenlid-Hygiene (vgl. Kasten). Bei der Staphylokokken-Blepharitis können topische Breitspektrum-Antibiotika (Chloramphenicol oder Fusidinsäure) an den Lidrändern hilfreich sein. Bei verstopften Meibom-Drüsen kann man versuchen, das Sekret durch warme Kompressen und Lidmassage zu verflüssigen und anschließend auszudrücken. Bei chronischer Dysfunktion der Meibom-Drüsen ist eine sechswöchige systemische Therapie mit Tetrazyklin (z. B. orales Doxycyclin 100 mg, einmal täglich) indiziert.

Gegen trockene Augen helfen lubrifizierende Augentropfen und -salben, gegen Hagelkörner eventuell warme Kompressen und topische Antibiotika. Bei anhaltenden Beschwerden ist möglicherweise eine Inzision und Kürettage erforderlich, was die Überweisung zu einem Augenarzt erforderlich macht. Dies gilt auch bei Verdacht auf eine Hornhautentzündung, bei Sehminderung oder bei diagnostischer Unsicherheit.

Merkblatt für Patienten zur Augenhygiene

  • Legen Sie mindestens einmal täglich für fünf bis zehn Minuten warme, feuchte Kompressen auf die geschlossenen Augen, um die Drüsensekrete zu verflüssigen.
  • Anschließend reinigen Sie vorsichtig die Lidränder mit verdünntem Babyshampoo oder einem in Natriumbikarbonatlösung (¼ Teelöffel Natriumbikarbonat in einer Tasse mit abgekochtem, lauwarmem Wasser auflösen) getauchten Wattestäbchen oder mit einem im Handel erhältlichen Pflegeset.
  • Die Augenlid-Hygiene sollte fest in Ihre Alltagsabläufe integriert und zur Vermeidung eines Rezidivs über längere Zeit durchgeführt werden.



Autorin:
Dr. med. Vera Seifert


A. M. J. Turnbult, M. P. Mayfield, Bournemouth Eye Unit, Bournemouth (GB): 10-Minute-Consultation – Blepharitis, BMJ 2012; 344: e3328


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (16) Seite 56-57