Viele Patienten sind schockiert, wenn sie erfahren, dass sie einen Typ-2-Diabetes haben. Kann man die Erkrankung wieder loswerden, wenn man seinen Lebensstil konsequent umstellt? Amerikanische Forscher analysierten kürzlich, wie hoch die Remissionschancen sind, wenn Typ-2-Diabetiker Gewicht abnehmen und sich mehr bewegen.

Diabetes gilt im Allgemeinen als progrediente, unheilbare Erkrankung. Die Vorstellung, dass Typ-2-Diabetes irreversibel ist, wird gestützt durch die starke Assoziation mit genetischen Faktoren und der Familienanamnese, die hohe Prävalenz mikrovaskulärer Komplikationen und den Verlust an Betazellmasse und -funktion, der häufig schon zum Zeitpunkt der Diagnosestellung vorliegt.

Trotz dieser Beobachtungen nehmen 16 % der erwachsenen Amerikaner, bei denen nach eigenen Angaben ein Diabetes diagnostiziert wurde, keine blutzuckersenkenden Medikamente. Zudem deuten Studien zu bariatrischen Operationen darauf hin, dass sich ein Diabetes bei vielen adipösen Patienten wieder zurückbilden kann. Welche Remissionsraten mit nichtchirurgischen Maßnahmen zu erzielen sind, wurde bis jetzt nicht untersucht.

Die Look-AHEAD (Action for Health for Diabetes)-Studie ist vermutlich die bisher größte randomisierte kontrollierte Studie, in der intensive Lebensstilinterventionen bei erwachsenen Typ-2-Diabetikern untersucht wurden. In der Studie sollte in erster Linie geprüft werden, wie sich eine Gewichtsabnahme auf die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen auswirkt. Doch lässt sich anhand dieser Untersuchung auch feststellen, welche Auswirkungen Lebensstilinterventionen auf den Diabetesverlauf haben.

Führt Intervention zur Remission?

In einer exploratorischen Analyse der Look-AHEAD-Kohorte wurde untersucht, welche Assoziation es zwischen intensiver Lebensstilintervention bzw. Gewichtsabnahme und partieller oder kompletter Remission des Typ-2-Diabetes gibt.

Zu diesem Zweck analysierten die Autoren die Vierjahresdaten von 4 503 erwachsenen Amerikanern, die einen Body-Mass-Index von 25 oder höher aufwiesen, an einem Typ-2-Diabetes erkrankt waren und an der Look-AHEAD-Studie teilgenommen hatten. Die Teilnehmer waren randomisiert folgenden Gruppen zugeteilt worden:

  • Intensive Lebensstiländerung (n = 2 241; in den ersten sechs Monaten wöchentliche Gruppen- und Einzelberatungen, in den nächsten sechs Monaten jeweils drei Sitzungen pro Monat und in den Jahren 2–4 jeweils zwei Kontakte pro Monat plus regelmäßige Auffrischtermine in der Gruppe sowie Kampagnen; Ziel war es, die tägliche Kalorienzufuhr auf 1 200–1 800 kcal zu begrenzen und die körperliche Aktivität auf 175 min pro Woche zu erhöhen)
  • Übliche Diabetesbehandlung und -edukation (n = 2 262; dreimal jährlich Gruppenschulung zu den Themen Ernährung, körperliche Aktivität und soziale Unterstützung)

Hauptzielkriterium war die partielle oder komplette Diabetesremission, definiert als Übergang von einem manifesten Diabetes auf einen Prädiabetes oder auf ein nichtdiabetisches Glykämie-Level (Nüchternblutzucker < 126 mg/dl und HbA1c < 6,5 % ohne antihyperglykämische Medikation).

Ergebnisse

Patienten, die an der intensiven Therapie teilnahmen, verloren im ersten Jahr signifikant mehr Gewicht als die Patienten unter Standardtherapie (Nettodifferenz: -7,9 %); auch im vierten Jahr traf dies zu (-3,9 %). Zudem besserte sich die Fitness der Patienten durch die intensive Lebensstiländerung nach einem und nach vier Jahren deutlicher. In der Gruppe mit der intensiven Therapie war die Wahrscheinlichkeit einer partiellen oder kompletten Remission signifikant größer als in der Gruppe mit der Standardtherapie, die Prävalenz lag bei 11,5 % im ersten Jahr und bei 7,3 % im vierten Jahr, während die Prävalenz in der Standardtherapiegruppe zu beiden Zeitpunkten 2,0 % betrug.

Teilnehmer, die sich intensiven Lebensstilinterventionen unterzogen, wiesen zu 9,2 % (nach ≥ 2 Jahren), zu 6,4 % (nach ≥ 3 Jahren) beziehungsweise zu 3,5 % (nach ≥ 4 Jahren) eine anhaltende Remission auf. Die Vergleichszahlen lagen in der Gruppe mit der Standardversorgung bei 1,7, 1,3 respektive 0,5 % (anhaltende Remission nach ≥ 2, nach ≥ 3 bzw. nach ≥ 4 Jahren).Die absolute Prävalenz einer kompletten Remission (Glukosenormalisierung ohne Medikation) war gering; sie betrug in der Gruppe mit der intensiven Therapie nach einem Jahr 1,3 % und in der Gruppe mit der Standardtherapie 0,1 %.

Partielle Remissionen sind möglich

Die vorliegende Studie mit über 4 500 übergewichtigen Typ-2-Diabetikern bestätigt, dass unter einer intensiven Lebensstiländerung nur selten komplette Remissionen – definiert als Normalisierung der Blutzuckerwerte ohne Notwendigkeit der medikamentösen Behandlung – zu erreichen sind. Dagegen sind partielle Remissionen (definiert als Übergang auf prädiabetische oder normale Glukosewerte ohne medikamentöse Behandlung für einen spezifischen Zeitraum) für einige Patienten mit Typ-2-Diabetes ein erreichbares Ziel. Immerhin erreichten 11,5 % der Teilnehmer aus der Gruppe mit der intensiven Therapie innerhalb des ersten Jahres eine partielle oder komplette Remission, und 7,3 % wiesen nach vier Jahren eine partielle oder komplette Remission auf. Diese Raten waren drei- bis sechsmal höher als in der Gruppe mit der Standardtherapie. Interessanterweise waren die Remissionsraten bei Teilnehmern mit größerem Gewichtsverlust, deutlicherer Besserung der Fitness, kürzerer Diabetesdauer, niedrigeren HbA1c-Werten zu Beginn der Studie und bei denjenigen, die kein Insulin verwendeten, erheblich höher (15–20 %). Die Autoren werten dies als Hinweis, dass Interventionen, die früher im Krankheitsverlauf einsetzen, zu besseren Ergebnissen führen – vielleicht, indem sie die Betazellfunktion und -masse erhalten.

In Studien zu bariatrischen Operationen bei adipösen Diabetikern wurde über wesentlich größere Gewichtsverluste und Remissionsraten berichtet als in der Look-AHEAD-Studie; je nach Studie, chirurgischem Verfahren und Nachbeobachtungszeit wurden Raten zwischen 27 und 97 % berichtet. Doch ist nach wie vor unklar, wie sich bariatrische Operationen auf Komorbiditäten auswirken. Darüber hinaus handelt es sich bei bariatrischen Eingriffen um invasivere Verfahren, und es ist eher unwahrscheinlich, dass sie für die Mehrheit der Typ-2-Diabetiker eine Behandlungsoption erster Wahl darstellen.

Die Ergebnisse dieser exploratorischen Analyse deuten darauf hin, dass intensive Lebensstilinterventionen bei einem Teil der Typ-2-Diabetiker mit einer partiellen Diabetesremission assoziiert sein können, insbesondere bei Patienten mit kurzer Diabetesdauer, niedrigeren HbA1c-Ausgangswerten sowie bei Diabetikern, die noch nicht auf Insulin angewiesen sind. Andrea Wülker

Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars Medici 6/2013
Quelle: Gregg EW et al.: Association of an intensive lifestyle intervention with remission of type 2 diabetes. JAMA 2012; 308(23): 2489–2496.
Interessenkonflikte: Zwei der Autoren waren als Berater für verschiedene Unternehmen tätig. Die Studie wurde vom US-amerikanischen Department of Health and Human Services unterstützt.

Lösen bariatrische Operationen das Diabetes-Problem?

Die Look-AHEAD-Studie konnte zwar zeigen, dass sich intensive Lebensstilinterventionen – Ernährungsumstellung, mehr körperliche Aktivität – positiv auf verschiedene Parameter wie Gewicht, Blutdruck, Lipide und glykämische Kontrolle auswirken. Doch das verbesserte Risikoprofil führte nicht zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse, weshalb die National Institutes of Health die Studie kürzlich abbrachen. Auch andere Studien, in denen die intensive medizinische Behandlung des Diabetes untersucht wurde, kamen zu ähnlich enttäuschenden Ergebnissen, heißt es in einem Editorial zur aktuellen Look-AHEAD-Analyse. Vielleicht können in zukünftigen Analysen dieser Studien doch noch Patientensubgruppen identifiziert werden, bei denen intensive Lebensstil- oder medikamentöse Interventionen zu einer Senkung des kardiovaskulären Risikos führen.

Bariatrische Operationen scheinen dagegen erfolgreicher zu sein. Studien belegen, dass die bariatrische Chirurgie bei Typ-2-Diabetikern mit schwerer Adipositas zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse führt und die Mortalität senkt. Auch lassen sich auf chirurgischem Weg offensichtlich bessere Diabetesremissionsraten und Gewichtsabnahmen erzielen als durch medikamentöse Maßnahmen und Lebensstilinterventionen. In einer kürzlich erschienenen Studie mit schwer adipösen Diabetikern war die adjustierte Wahrscheinlichkeit einer initialen Remission nach einer bariatrischen Operation im Vergleich zu einer konservativen Behandlung um den Faktor 12 bis 24 höher.

Allerdings sind weitere Studien erforderlich, in denen die langfristige Kosteneffektivität bariatrischer Operationen und die langfristigen Effekte der bariatrischen Chirurgie auf mikro- und makrovaskuläre Ereignisse und die Mortalität von Diabetikern untersucht werden, die eine optimale medikamentöse Behandlung erhalten und ihren Lebensstil optimiert haben.

Die eher enttäuschenden Ergebnisse aktueller Studien zu Lebensstil- und medikamentösen Interventionen bei Typ-2-Diabetes sollten Anlass sein, eine intensivere Diabetesprimärprävention zu betreiben, schreiben die Editorialisten. Das Diabetes Prevention Program konnte die Manifestation eines Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes durch Lebensstilmaßnahmen (Abnahme um 58 %) oder Metformin (Abnahme um 31 %) im Vergleich zu Plazebo erfolgreich reduzieren. Die bariatrische Chirurgie stellt möglicherweise eine noch wirksamere Präventionsmaßnahme dar. Die Swedish Obese Subjects Study ergab, dass die Inzidenz eines Typ-2-Diabetes bei Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen, im Vergleich zu Adipösen, welche die übliche Behandlung erhielten, um 83 % geringer war.

Diese evidenzbasierten und kosteneffektiven Präventionsstrategien sollten nach Ansicht der Editorialisten breiter eingesetzt werden. Aber das reicht nicht. Prävention muss noch früher ansetzen und die Entwicklung einer Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen möglichst verhindern – insbesondere bei denjenigen mit einer positiven Familienanamnese für Adipositas oder Diabetes.

Quelle: Arterburn DE et al.: A look ahead at the future of diabetes prevention and treatment. JAMA 2012; 308(23): 2517–2518



Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (13) Seite 29-32