Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat zu einem besseren Verständnis der Entstehung rheumatischer Erkrankungen und damit auch zur Entwicklung neuer Medikamente geführt. Dank der modernen Substanzen, der sogenannten Biologika, kann man heute den Entzündungsprozess bei rheumatoiden Erkrankungen so blockieren, dass sich Folgeschäden verhindern lassen. Einen Überblick zu Innovationen in der Rheumatherapie und deren Potenzial gab Prof. Dr. med. Hendrik Schulze-Koops auf dem diesjährigen Internistenkongress.

Bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts hatte man überhaupt keine Vorstellung davon, wie eine Gelenkerkrankung entsteht. „Was man sich nicht erklären kann, sieht man als Rheumatismus an“, lautete das Credo, erklärte Prof. Schulze-Koops, Leiter der Rheumaeinheit des Klinikums der LMU München.

Deshalb wusste man auch nicht, wie man Rheumapatienten am besten behandelt. Heute ist man basierend auf einem besseren Verständnis der Molekularbiologie und der Immunologie in der Lage, unterschiedliche Ursachen rheumatischer Erkrankungen zu definieren. Und damit besteht die Möglichkeit, mit gezielten Therapien in diese Ursachen einzugreifen, so Schulze-Koops: „Wir haben alle Zellen identifiziert, die für die chronische Entzündungsreaktion verantwortlich sind.“

Biologika

Die sogenannten Biologika greifen an zentralen Punkten der Entzündungskaskade an. Etabliert sind heute bereits zehn verschiedene dieser speziellen Therapieverfahren, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Die TNF-Inhibitoren Infliximab, Etanercept und Adalimumab sind seit mehr als 13 Jahren im Einsatz und gelten als effektivste Therapeutika zur zuverlässigen Blockade der chronischen Entzündung. Weitere TNF-Inhibitoren, die inzwischen auf dem Markt sind, sind Golimumab und Certolizumab. Bei ca. drei Viertel der behandelten Patienten lässt sich ein klinischer Effekt nachweisen. Die Therapie bewirkt eine Verhinderung der kontinuierlichen Knochenerosion. Bei einigen Patienten lässt sich sogar eine Remission erzielen. Das Risiko der Behandlung mit TNF-Inhibitoren besteht in einer Reaktivierung einer latenten Tuberkuloseinfektion.

Der humanisierte monoklonale Antikörper Tocilizumab blockiert den Interleukin-6-Rezeptor, ein Membranprotein und Bindungspartner für IL-6 und stellt ebenfalls eine etablierte Therapie dar.

Bei der sogenannten T-Zell-Therapie wird die T-Zell-Kostimulation blockiert, die entsprechende Substanz heißt Abatacept. In einer Studie mit knapp 400 Patienten ließ sich nach 24-wöchiger Therapie bei 50 % der Patienten eine Symptomverbesserung (Gelenkschmerzen und -schwellungen) um 20 % erzielen, im Vergleich zu nur 20 % unter Plazebo. Eine 50 %ige Symptombesserung erreichten 20 und eine 70 %ige 10 % der mit Abatacept Behandelten.

Bei der B-Zell-Therapie wird eine B-Zell-Depletion erzielt. In der REFLEX-Studie erhielten 114 Rheuma-Patienten über 48 Wochen zweimal 1 000 mg des chimären monoklonalen Antikörpers Rituximab und 24 Patienten Plazebo. Ergebnis: Bei 51 % der Verumgruppe im Vergleich zu 33 % unter Plazebo hatten sich die Symptome um 20 % gebessert, bei 34 % (versus 8 % bei Plazebo) um 50 % und bei 14 % (versus 4 % unter Plazebo) um 70 %. Eine weitere Substanz, die eine B-Zell-Reifung verhindert, ist der humane monoklonale Antikörper Belimumab. Bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes betrug die Responderrate nach 52 Wochen unter 10 mg/kg Belimumab 57,6 % im Vergleich zu 43,6 % unter Plazebo.

Neue Substanzen

Ein ganz neuer Ansatz, der sich zurzeit im Stadium der Phase-III-Studien befindet, sind die sogenannten Small Molecules. Diese Substanzen haben einen ähnlichen Ansatz wie ein Biologikum, d. h. sie greifen ganz gezielt in die Signalkaskaden für die Zytokinsignalgebung ein, jedoch in der Zelle, nicht außerhalb der Zelle. Sie werden zudem nicht biotechnisch hergestellt, sondern chemisch. Getestet werden zurzeit insbesondere die Kinaseinhibitoren (vgl. Tabelle). Die erste Substanz dieser Art, ein sogenannter Januskinasehemmer, ist in den USA bereits für die Therapie der Rheumatoiden Arthritis zugelassen. Diese Substanz hätte den Vorteil, dass sie so wirksam ist wie ein Biologikum, aber nicht gespritzt werden muss, sondern als Tablette eingenommen werden kann, weil sie nicht durch die Magensäure inaktiviert wird.

Tofacitinib, einer dieser oral verfügbaren Januskinasehemmer, hat sich in einer Studie an Patienten mit Rheumatoider Arthritis als sehr gut wirksam erwiesen. Während unter Plazebo 26,7 % der Patienten auf die Therapie ansprachen, waren es unter 5 mg Tofacitinib 59,8 % und unter 10 mg Tofacitinib 65,7 %. Im November letzten Jahres hat daher die FDA dem Medikament Xeljanz® (Tofacitinib-Zitrat) die Zulassung für die Indikation „Erwachsene mit mittelgradiger bis schwerer Rheumatoider Arthritis“ erteilt, die nicht adäquat auf Methotrexat reagieren oder es nicht vertragen haben.

Früh behandeln!

Durch die Biologika und die weiteren neuen Substanzen ist also Rheuma endlich behandelbar geworden. Allerdings muss die Therapie, um Knorpel-, Knochen- und Gelenkzerstörungen zu vermeiden, schon früh einsetzen, so Schulze-Koops. Spätestens drei Monate nach Beginn der Beschwerden sollte ein Patient mit Rheuma bei einem Rheumatologen vorgestellt werden und spätestens innerhalb der ersten sechs Monate sollte eine suffiziente Therapie eingeleitet werden.

Das Problem dabei: Patienten müssen in Deutschland nicht selten ein halbes Jahr warten, bevor sie einen Termin beim Rheumatologen bekommen. Deshalb sind nun an vielen Rheumakliniken Früharthritis-Sprechstunden eingerichtet worden. Zudem haben viele niedergelassene Rheumatologen spezielle Zeiten für Akutfälle reserviert.


Dr. med. Vera Seifert

Interviews
Interviews zu o.g. Thema mit Prof. Dr. med. Matthias Schneiderhier und Prof. Dr. med. Schulze-Koopshier


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; (12) Seite 14-15