Mehrere hunderttausend Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus leben in Deutschland. Einen Arzt suchen sie meist erst auf, wenn es nicht mehr anders geht. Die Schweigepflicht schützt Arzt und Patient – aber die Abrechnung kann zum Problem werden.

Auf 200 000 bis 600 000 Personen wird die Zahl der Menschen geschätzt, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben. Aus Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden, vermeiden sie auch Arztbesuche, so lange es irgend geht. Wenn sie aber doch medizinische Hilfe benötigen, kommt es immer wieder zu Fragen, wie dabei zu verfahren ist. Die Bundesärztekammer hat in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Berlin und unter Mitwirkung des Büros für medizinische Flüchtlingshilfe Berlin ein Faltblatt erstellt, das Ärzten für die Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus bezüglich der rechtlichen Situation und bei Fragen der Kostenerstattung eine Orientierungshilfe geben soll (1). Zunächst ist es wichtig, den Patienten zu sagen, dass auch bei ihnen die ärztliche Schweigepflicht gilt und sie nicht befürchten müssen, der Polizei oder Ausländerbehörde gemeldet zu werden. Ärzte haben die Pflicht, medizinische Hilfe zu leisten und machen sich nicht strafbar, wenn sich ihre Handlungen objektiv auf die Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten beschränken. Neben Ärzten und ihren Mitarbeitern unterliegen auch ihre „berufsmäßig tätigen Gehilfen“ – etwa das Verwaltungspersonal von Krankenhäusern – der Schweigepflicht. Selbst öffentliche Stellen dürfen Patientendaten, die sie von einem Schweigepflichtigen erhalten, grundsätzlich nicht an die Ausländerbehörde übermitteln. Diesen „verlängerten Geheimnisschutz“ stellte die Bundesregierung mit einer Verwaltungsvorschrift vom 18. September 2009 klar, eine Ausnahme gibt es nur bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Konsum harter Drogen.

Knackpunkt Honorarabrechnung

Auch bei Behandlung von „Illegalen“ steht Ärzten ein Honorar zu: „Je nach der persönlichen Situation der Patienten ist die Höhe des Honorars mit der ärztlichen Verpflichtung, zu helfen, in Einklang zu bringen“, formuliert es die Broschüre. Kann ein Patient seine Behandlung nicht selbst bezahlen, wird es kompliziert. Bei einer geplanten Behandlung müssten Betroffene vorab einen Krankenschein beim Sozialamt beantragen. Weil es hier der Patient selbst ist, der den Antrag stellt, gilt der „verlängerte Geheimnisschutz“ nicht. Also wird er das tunlichst unterlassen – und als Notfall beim Arzt auftauchen. Dann greift wieder der verlängerte Geheimnisschutz, aber der Schwarze Peter ist nun beim Arzt.

Cave Kassenrezept

Konkret: Die Abrechnung ohne Krankenschein ist zwar möglich, stellt aber selbst für die Profis in einer Krankenhausverwaltung eine echte Herausforderung dar: „Die praktische Durchsetzung der Ansprüche auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist … auch bei der Notfallbehandlung im Krankenhaus oft problematisch. Die Bedürftigkeit muss von der Krankenhausverwaltung gegenüber dem Sozialamt meist analog zum Antrag auf Sozialhilfe nachgewiesen werden“, formuliert es die BÄK-Broschüre. Viele Anträge werden zunächst abgelehnt, es muss Widerspruch eingelegt werden. „Dazu ist es erforderlich, dass sich das Verwaltungspersonal der Krankenhäuser und der Sozialdienst in die Einzelheiten der sozialrechtlichen Regelungen einarbeiten“, warnt die Bundesärztekammer. Für die Hausarztpraxis dürfte das kaum ein gangbarer Weg sein. Während der Arzt bei mittellosen Patienten notfalls auf sein Honorar verzichten kann, sollte er bei Verordnungen Vorsicht walten lassen. Auf der sicheren Seite ist, wer den Patienten mit einem Privatrezept oder – so vorhanden – Medikamentenmustern versorgt. Ein Kassenrezept kann sich als Bumerang erweisen. Als weitere Möglichkeit, medizinische Hilfe zu bekommen, gibt es neben den Notfallambulanzen von Krankenhäusern in einigen größeren Städten auch die „Medibüros“ und die „Migranten-Medizin“ der Malteser (siehe Kasten), wo Patienten ohne Papiere auf Wunsch auch anonym beraten und behandelt werden.▪

Werner Enzmann

Medizinische Hilfe für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis

Die Malteser bieten in elf deutschen Großstädten (Augsburg, Berlin, Darmstadt, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, München, Münster, Osnabrück und Stuttgart) Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis und ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe an, die auch anonym gewährt wird ( http://www.malteser-migranten-medizin.de ). Hilfe vermitteln auch die „Medibüros“ in vielen größeren deutschen Städten ( http://www.medibueros.org ).



Literatur
1) „Patienten und Patientinnen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis“, Download unter http://www.bundesaerztekammer.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (5) Seite 22-23