Insbesondere ältere Menschen leiden häufig unter Schlafstörungen. Die Naturheilkunde bietet hier vielfältige Behandlungsmöglichkeiten von der Ordnungs-, Bewegungs- und Ernährungstherapie über Phytopharmaka und Hydrotherapie bis zur Homöopathie oder Akupunktur.

Etwa ein Viertel aller über 60-Jährigen klagt über Schlafstörungen, schreibt Prof. Dr. med. Peter W. Gündling in der Zeitschrift Erfahrungsheilkunde1. Allerdings sollte man beachten, dass ältere Menschen einen geringeren Schlafbedarf haben – oft sind es nur noch fünf bis sechs Stunden. Geht der Betroffene dann noch früh ins Bett und hat er vielleicht schon ein Mittagsschläfchen gemacht, ist er um 3 oder 4 Uhr morgens ausgeschlafen. Das irritiert ihn dann womöglich, ist aber eigentlich physiologisch und nicht krankhaft.

Ursachen von Schlafstörungen

Echte Schlafstörungen teilt man in Einschlafstörungen, die oft durch innere Unruhe, Überforderung oder Angst verursacht werden, und Durchschlafstörungen ein, hinter denen oft Krankheiten innerer Organe (Herz, Schilddrüse, Leber, Prostata, Atemwege) oder psychiatrische Störungen (Demenz, Depression) stecken. Um derartige Ursachen aufzudecken, helfen eine ausführliche Anamnese, die körperliche Untersuchung, ggf. apparative Diagnostik sowie Laboruntersuchungen (großes Blutbild, Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte) weiter.

Der Einsatz von chemischen Schlaf- und Beruhigungsmitteln kann bei älteren Patienten insofern problematisch sein, als oft bereits eine Multimedikation vorliegt mit der Gefahr von unerwünschten Wechselwirkungen mit den Schlafmitteln. Zudem können diese Substanzen die Schlafarchitektur verändern, warnt Gündling, d. h. Tiefschlafphasen nehmen zu und REM-Phasen ab. Infolgedessen schläft der Patient zwar rasch ein, fühlt sich aber dennoch am nächsten Morgen nicht ausgeruht. Auch die Sturzgefahr bei nächtlichen Toilettengängen nimmt aufgrund der Sedation zu. Bei Schlafmitteln mit langer Halbwertszeit kommt noch ein mögliches Hangover hinzu mit verminderter Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Daher kann der Einsatz „natürlicher Schlafhilfen“ beim alten Patienten durchaus sinnvoll sein.

Ordnungstherapie

Hierbei geht es darum, Faktoren auszuschalten, welche die Schlafstörung auslösen oder verstärken. Dazu gehören z. B. ein schnarchender Schlafpartner oder Stress bzw. größere Mahlzeiten am Abend. Auch unregelmäßige Schlafenszeiten oder spätes Zubettgehen können den Schlaf stören. Schlaffördernd wirken dagegen regelmäßige Schlafrituale wie ein Abendspaziergang oder eine Tasse Kräutertee, so Gündling, indem sie helfen, den zirkadianen Rhythmus zu stabilisieren. Weitere rhythmusstabilisierende Maßnahmen sind Entspannungsverfahren (progressive Muskelentspannung, autogenes Training) und frische Luft im Schlafzimmer. Abends im Bett sollte nicht mehr gelesen werden.

Bewegungstherapie

Körperliche Aktivität wirkt sich schlaffördernd aus. Deshalb sollten auch Senioren motiviert werden, sich regelmäßig zu bewegen. Schon kleine Spaziergänge im Hof oder einmal um den Häuserblock mit dem Rollator können hilfreich sein, so Gündling. Daher sollte man auch Patienten, die stark in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, zu einfachen Bewegungs- oder Atemübungen motivieren.

Ernährungstherapie

Bei späteren reichhaltigen Mahlzeiten kann es zu Verdauungsproblemen kommen, weil ab 18 Uhr die Enzymproduktion deutlich verringert ist. Es kommt dann vermehrt zu Gärungs- und Fäulnisprozessen. Die Folgen: Die Darmschleimhaut kann geschädigt und die Leber belastet werden. Zudem kann der durch Gärgase verursachte Zwerchfellhochstand Atem- und Herzbeschwerden auslösen. Unverdaute Nahrung im Magen kann zu Reflux und nächtlichem Sodbrennen führen.

Auch auf die Art des Abendessens kommt es an. Obst und Salat gelten zwar als besonders gesund, können aber Gärprozesse auslösen. Kohlenhydrate führen zu einer vermehrten Insulinausschüttung, und Insulin gilt als direkter Gegenspieler des „Schlafhormons“ Melatonin, schreibt Gündling. Er empfiehlt, am Abend früh, wenig und kein Obst, stattdessen leicht verdauliche Eiweiße wie gedünstetes Gemüse oder gedünsteten Fisch zu essen. Einen noch größeren Erholungs- und Regenerationseffekt erziele man, indem man das Abendessen ganz ausfallen lässt.

Hydrotherapie

Wasseranwendungen können effektiv den Schlaf fördern. Es gilt jedoch dabei, einiges zu beachten. Körper und Haut des Patienten müssen warm sein. Er darf nach der Anwendung nicht frieren bzw. muss die Möglichkeit haben, sich wieder zu erwärmen. Nach Kneipp ist der mildeste, eben noch wirksame Reiz der beste.

Bei kalten Abwaschungen wird der ganze Körper (Ganzkörperwaschung) oder auch nur der Unterkörper mit einem Leinenhandtuch und kaltem Wasser abgerieben. Danach sollte sich der Patient nicht abtrocknen, sondern sich mit Schlafanzug ins Bett legen. Die reaktive Hyperämie zieht das Blut und die Hitze aus dem Kopf, so Gündling, und durch den Parasympathikusreiz wird der Patient ruhig.

Weitere Wasseranwendungen sind Wassertreten, Knieguss, Dreiviertelbad oder kaltes Halbbad. Während sich beim Dreiviertelbad der Patient ca. 20 Minuten in eine Wanne mit 36 bis 38 oC warmem Wasser legt, ist das Wasser beim kalten Halbbad nur 15 bis 18 oC warm, muss dafür aber nur 30 Sekunden angewendet werden. Letzteres ist sehr wirksam und gilt als "Valium der Naturheilkunde", ist aber nur für abgehärtete und belastbare Personen geeignet.

Phytotherapie

Baldrian ist wohl das bekannteste pflanzliche Sedativum. Gegen Schlafstörungen sollte er in einer Dosis von 500 – 600 mg angewendet werden, ca. 2 h vor dem Schlafengehen. Als Wirkmechanismus nimmt man eine Wiederaufnahmehemmung der Gamma-Aminobuttersäure (GABA) an. Aus Geschmacksgründen empfiehlt Gündling feste Darreichungsformen (z. B. Sedonium® 300, Euvegal® Balance 500, Baldrivit® 600). Auch Kombinationen mit Hopfen (z. B. Ardeysedon®, Luvased®) sind möglich. Die schlaffördernden weiblichen Fruchtstände des Hopfens werden zudem meist mit Melisse und Baldrian (z. B. Pascosedon) oder Passionsblume und Baldrian (z. B. Kytta-Sedativum) kombiniert.

Lavendel wurde bisher nur als Duftschale oder als Einreibung verwendet. Inzwischen gibt es aber auch Kapseln zum Einnehmen (z. B. Lasea®), die gegen Unruhe und Einschlafstörungen, aber auch gegen Angstzustände wirken. Lavendel greift an den Synapsen an und vermindert dort die Neurotransmitterausschüttung über eine Regulation des Kalziumeinstroms und beruhigt so die übererregte Nervenzelle. Auch als Tee kann Lavendel verwendet werden, auch in Kombination mit Melisse.

Melisse eignet sich als Schlaftee besonders bei nervös bedingten Einschlafstörungen.

Homöopathie

Coffea, die homöopathisch aufbereitete Form von Kaffee, wirkt besonders bei Unruhe und Einschlafstörungen. Bei älteren Menschen mit Einschlafstörungen sind zudem Avena sativa, Passiflora incarnata (D1, D4) und Zincum valerianicum (D4, D6, D30) zu empfehlen, auch in Kombination, so Gündling. Kommt Unruhe hinzu, sind Rhus toxicodendron D30 oder Argentum nitricum D12 geeignet. Bei Durchschlafstörungen älterer Menschen hat sich Cypripedium pubescens D4 bewährt.

Auch der Einsatz homöopathischer Komplexmittel ist möglich. Gündling nennt hier Regenaplex 27a, Regenaplex 33/5, Neurexan®, Infinerval® und Avena sativa Nestmann.

Akupunktur

Sollten die bisher genannten Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben, können auch Akupunktur oder Neuraltherapie gute Dienste leisten. Gündling empfiehlt die Nadelung der Punkte He 7, LG 20, MP 6, PaM 134 (ggf. KS 6). Man sollte diese Punkte über einige Tage jeweils einmal täglich nadeln, dann einige Tage pausieren, so lange, bis der Patient zufriedenstellend schläft. ▪

Dr. med. Vera Seifert


Literatur
1) Peter W. Gündling: Natürliche Hilfen bei Schlafstörungen in der Geriatrie, EHK 2012; 61: 294 – 299

Interessenkonflikte:
Prof. Gündling erklärt, dass er wiederholt Vorträge für verschiedene Hersteller homöopathischer und pflanzlicher Arzneimittel gehalten hat.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; (10) Seite 54-56