Die Diagnose „Myokarditis“ ist für den Hausarzt im täglichen Alltag schwer zu stellen. Die Erkrankung kann bei Kindern und Erwachsenen auftreten. Fehldiagnosen im Sinne von Asthma oder Pneumonie sind sehr häufig. Das rechtzeitige Erkennen der Myokarditis ist für den Patienten aber oft lebenswichtig.

Bei der Myokarditis liegt eine Schädigung von Kardiomyozyten mit einer Infiltration des Herzmuskels mit Entzündungszellen vor. Es folgen Nekrosen mit mehr oder weniger ausgeprägtem Untergang der Myozyten. Die Myokarditis kann in jedem Lebensalter vorkommen, die Erkrankungsgipfel liegen jedoch im Kindes- und Jugendalter. Die Symptome sind vielfältig und reichen von nicht spezifischen grippalen Beschwerden bis hin zu fulminantem Kreislaufversagen und Tod. Myokarditiden werden am häufigsten viral ausgelöst. Aber auch autoimmunologische Prozesse können Myokarditiden begründen (z. B. eosinophile Myokarditis, Riesenzellmyokarditis). Der Genuss von Kokain oder Amphetaminen sowie Anthracyclinen (Doxorubicin) können zur Exazerbation einer Myokarditis beitragen (vgl. Übersicht 1).

Verlauf in drei Phasen

Der Herzmuskel kann bei der Virusmyokarditis auf drei Wegen geschädigt werden. Erstens schädigt das Virus durch sein Eindringen direkt die Myokardzellen. Zweitens entsteht eine antivirale Immunantwort, die zu einer Zerstörung der infizierten Zellen führt. Damit wird zwar auch das Virus eliminiert. Es kann sich jedoch in der Folge als dritte Phase eine chronische inflammatorische Kardiomyopathie entwickeln. Somit ist die Myokarditis eine triphasische Erkrankung, bei der zunächst die virale Replikation, dann die Autoimmunantwort und letztlich entweder die Ausheilung oder die dilatative Kardiomyopathie resultieren. Es ist die Kunst, in der richtigen Phase die richtige Therapie einzuleiten.

Phase der viralen Replikation

Leitsymptome: Häufig geht dem Erkrankungsbeginn der Myokarditis ein ein bis zwei Wochen zurückliegender Virusinfekt mit Fieber voraus. Die meisten Patienten klagen über unspezifische respiratorische oder gastrointestinale Beschwerden. Brustschmerz ist erst ab dem jungen Erwachsenenalter ein klassisches Symptom. Im Kindesalter sind eher unspezifische Symptome wie gastrointestinale Beschwerden, Fieber und Inappetenz im Vordergrund. Neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen können ventrikulär oder supraventrikulär sein und mit Tachyarrhythmien oder Bradyarrhythmien einhergehen. Komplette AV-Blockierungen sind ebenfalls möglich.

Diagnostik: In dieser Frühphase der Myokarditis ist in der allgemeinärztlichen Praxis die Diagnose durch die Kombination aus EKG, Röntgenaufnahme des Thorax und Labordiagnostik (pro-BNP) recht gut einzugrenzen. In dieser frühen Phase kann durch den direkten Virusnachweis in Stuhl- und Blutkulturen die Diagnose bestätigt werden. Serologische Untersuchungen sind unspezifisch und nicht sinnvoll.

EKG: Optionale Befunde: Erweiterter QRS-Komplex, Linksschenkelblock, ST-, Segment- und T-Wellen-Veränderungen, bradykarde oder tachykarde Rhythmusstörungen. 90 % der Kinder mit manifester Myokarditis zeigen Auffälligkeiten im EKG! Im Jugendlichen- und Erwachsenenalter kommen Infarktzeichen, Niedervoltage und P-Wellen-Veränderungen sowie die Zeichen einer begleitenden Perikarditis hinzu. Bei Auffälligkeiten im Standard-EKG sollte ein Langzeit-EKG nachfolgen.

Röntgen-Thorax: Dieser dient der Differenzialdiagnose zur pulmonalen Erkrankung. Bei Myokarditis ist die Kardiomegalie oftmals auch mit verstärkter Lungengefäßzeichnung bis hin zum Lungenödem zu finden.

Echokardiografie: Hier zeigt sich eine Dysfunktion oder Dilatation des linken Ventrikels. Mitralinsuffizienz ist möglich, in der Frühphase ist auch als isoliertes Zeichen eine diastolische Funktionsstörung oder ein begleitender Perikarderguss verdächtig.

Labordiagnostik: Der beste Biomarker für die myokardiale Schädigung im Rahmen der Myokarditis ist die Bestimmung des natriuretischen Peptides BNP oder NT-pro-BNP. Dieses ist sowohl zur Beurteilung der Ausgangslage als auch im Verlauf wichtig. Troponin T und die Kreatinkinase haben ebenfalls einen gewissen Stellenwert.

Kardio-MRT: Das Kardio-MRT sollte bei symptomatischen Patienten mit klinischen Hinweisen auf eine Myokarditis durchgeführt werden. Hier zeigten sich ein Ödem und eine lokale Schwellung des Myokards, welches im Falle einer Herzmuskelbiopsie die zu biopsierenden Areale kennzeichnet. Ein normaler MRT-Befund schließt allerdings eine Myokarditis nicht aus, leider ermöglicht das MRT keine ätiologische Zuordnung.

Myokardbiopsie: Die Myokardbiopsie ist Goldstandard für die Diagnostik der Myokarditis. Sie sollte erfolgen, wenn im Erwachsenenalter innerhalb von 14 Tagen nach Therapiebeginn keine eindeutige Besserung zu verzeichnen ist. In Einzelfällen sollte die Indikation auch früher gestellt werden. Wenn sich vier bis sechs Wochen nach Therapiebeginn der echokardiografische Befund nicht normalisiert hat, sollte ebenfalls biopsiert werden.

Therapie: In der Phase der viralen Replikation ist eine unspezifische Herzinsuffizienztherapie, ggf. Bettruhe, auf jeden Fall aber striktes Sportverbot wichtig. Bei eindeutig gesicherter Virämie kann in der Frühphase eine antivirale Therapie mit Immunglobulinen (1 - 2 mg/kg Körpergewicht über 48 Stunden) erfolgen. Eine routinemäßige immunsuppressive Therapie mit Steroiden ist nicht indiziert, da hierdurch die Virusreplikation unterstützt werden kann. Grundsätzlich ist es potenziell gefährlich, eine Immunsuppression in diesem Stadium durchzuführen.

Autoimmunverlauf der Myokarditis

In dieser Phase, die ab der 2. - 4. Krankheitswoche auftritt, ist die Virussuche aus Stuhl und Blut nicht mehr sinnvoll. Die klinischen Subtypen der Myokarditis reichen von akuter Myokarditis bis hin zur fulminanten Myokarditis, in welcher innerhalb weniger Tage nach Krankheitsbeginn die Patienten in einen schweren kardiogenen Schock geraten und akut an der Herzinsuffizienz versterben können. Die größere Gruppe der akuten Myokarditis hat eine unterschiedlich lange Latenzzeit und eine sehr unterschiedliche, von inapparent bis deutlicher klinischer Beeinträchtigung reichende Symptomatik.

Fulminante Myokarditis: Diese Form der Myokarditis ist noch besonders wichtig, denn es gilt: „The worst are the best.“ Diese Patienten, die innerhalb von Stunden aus vollständigem Wohlbefinden in einen kardiogenen Schock rutschen, können von einer sehr aggressiven Intensivmedizin mit Katecholamingaben, Intubation, Beatmung und bis hin zu Kreislaufersatzverfahren wie ECMO und ventrikulärem Assist Device sehr profitieren. Sie sind, wenn sie denn die Phase der fulminanten Herzinsuffizienz überstehen, in der Regel langfristig gesund. In diesen Fällen erholt sich das Myokard meist vollständig. Übergänge in die chronische Form der dilatativen Kardiomyopathie sind in dieser Subgruppe seltener als in der weniger dramatisch verlaufenden akuten Form.

Therapie: Es gibt bislang keine ausreichenden klinischen Studien zur spezifischen Therapie der Myokarditis. Die Herzinsuffizienzbehandlung mit initialer Bettruhe, kontinuierlicher Monitorüberwachung und anschließender körperlicher Schonung für mehrere Monate ist nach wie vor notwendig. Die Herzinsuffizienztherapie sollte in den verschiedenen Altersgruppen leitliniengerecht mit ACE-Hemmern bzw. AT-1-Antagonisten und Betablockern, Diuretika sowie Aldosteron-Antagonisten erfolgen. Die Therapie von bradykarden als auch tachykarden Herzrhythmusstörungen sollte ebenfalls entsprechend den aktuellen Leitlinien durchgeführt werden. Bei malignen Tachyarrhythmien kann sogar ein Defibrillator (LifeVest oder ambulanter externer Defibrillator) temporär notwendig werden.

Fazit

Die Myokarditis hat verschiedene Stadien: Virusreplikation, Immunantwort, Ausheilung oder Übergang in Kardiomyopathie.

  • Die Diagnose der Myokarditis ist in der allgemeinärztlichen Praxis durch die Kombination aus EKG, Röntgenaufnahme des Thorax und Labordiagnostik (pro-BNP) recht gut einzugrenzen.
  • Ausreichende Studiendaten zur Wirksamkeit von Immunglobulinen, Steroiden, Azathioprin, Plasmapherese und anderen Immunmodulatoren fehlen.
  • Die fulminante Myokarditis ist in der initialen Präsentation die schlimmste Form, hat aber die beste Langzeitprognose. Deswegen benötigen diese Patienten eine besonders schnelle und kompetente Intensivmedizin, die alle Eskalationsstufen bis hin zum extrakorporalen Kreislaufersatz im Kindes- wie auch im Erwachsenenalter einschließt.
  • Bei der eosinophilen Myokarditis ist ebenso wie bei der Riesenzellmyokarditis die Indikation zur immunsuppressiven Therapie gegeben.
  • Nach der abgelaufenen Myokarditis kann entweder eine komplette Ausheilung oder der Übergang in eine dilatative Kardiomyopathie möglich sein.


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Dr. med. Brigitte Stiller


Kontakt:
Prof. Dr. med. Brigitte Stiller
Angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie
Universitäts-Herzzentrum Freiburg/Bad Krozingen
79106 Freiburg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (20) Seite 32-34