Die Basistherapie der Demenz besteht aus Antidementiva mit den Wirkungsmechanismen Cholinesterasehemmung und Glutamatrezeptorblockade. Komorbide Depressionen im Frühstadium sollten antidepressiv mit einem SSRI behandelt werden. Eine Behandlung von akzessorischen Symptomen einer Demenz (wie Agitation und Aggressionen) mit Antipsychotika sollte man regelmäßig hinterfragen und ein Absetzen der Medikation versuchen.

Aufgrund des epidemiologischen Wandels, aber auch wegen der zunehmenden Sensibilisierung für kognitive Defizite im Alter treten heute Demenzen mehr und mehr ins Blickfeld medikamentöser Therapien. Die weitere Lebenserwartung ist durch die Demenz­erkrankung reduziert und liegt je nach Lebensalter zwischen drei und sechs Jahren. In den letzten Jahren ist ein Trend zu einer früheren Diagnosestellung zu beobachten. Verfügbare Therapien konnten bisher nicht den Nachweis erbringen, über eine symptomatische Wirkung hinaus eine Progression der zugrunde liegenden Neuropathologie zu verhindern. Es sind aber vielversprechende Neuentwicklungen in der klinischen Forschung im Gange, wie zum Beispiel der Einsatz von Antikörpern gegen das Alzheimer-Peptid. Ungefähr die Hälfte der Demenzsyndrome wird allein durch eine Alzheimer-Pathologie verursacht, bei weiteren 25 % spielt die Alzheimer-Pathologie zusammen mit einer vaskulären Pathologie eine entscheidende Rolle. Speziell für die Alzheimer-Demenz wurden Antidementiva entwickelt, die entweder auf der Hemmung der Cholinesterase oder auf einer Blockade von Glutamatrezeptoren beruhen.

Cholinesteraseinhibitoren

Ein Verlust der cholinergen Innervation des Hippocampus und des Kortex ist bei der Alzheimer-Demenz und der Demenz mit Lewy-Körperchen, aber auch bei vaskulären Demenzen zu beobachten. Anticholinerg wirkende Medikamente verschlechtern regelhaft bei allen Demenzformen die Kognition, was auf die limitierende Rolle der Verfügbarkeit von Acetylcholin hinweist. Anticholinerge Substanzen sollten deshalb bei Demenzpatienten vermieden werden.

Cholinesteraseinhibitoren (ChEI) stellen nach den Leitlinien der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte die Therapie der Wahl bei der Alzheimer-Demenz dar. Eine Analyse der Ergebnisse aller längeren Studien mit ChEI konnte die Wirksamkeit der ChEI bezüglich der Kognition belegen. Die Wirkung auf andere Symptombereiche, zum Beispiel die alltagspraktischen Fähigkeiten oder akzessorische Symptome wie Agitation und Aggression, war geringer beziehungsweise nicht sicher nachweisbar. Häufige Nebenwirkungen waren aufgrund des cholinergen Wirkprinzips Übelkeit und Inappetenz, bei einigen Patienten kam es unter langfristiger Therapie im Enddosisbereich zu deutlichen Gewichtsverlusten. Magen-Darm-Ulzera stellen eine Kontraindikation dar. Das Auftreten von Synkopen wird immer wieder mit dem Einsatz von ChEI in Verbindung gebracht. Bei klinisch bereits in Erscheinung getretenen bradykarden Rhythmusstörungen ist besondere Vorsicht geboten.

Behandlungsgbeginn

Für eine wirklich differenzielle Abwägung bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen existieren zwischen den drei einzelnen Substanzen keine aussagekräftigen Vergleichsstudien. Für die niedrigen Dosen von Galantamin (unter 16 mg/Tag) sowie Rivastigmin (unter 6 mg/Tag) wurden zu geringe Effekte gefunden, so dass diese Substanzen auf mindestens 16 mg (Galantamin) beziehungsweise 6 mg (Rivastigmin) pro Tag für die Langzeittherapie aufdosiert werden müssen. Gastrointestinale Nebenwirkungen treten zumeist vorübergehend auf, insbesondere bei Beginn und bei weiterer Aufdosierung. Eine temporäre Begleitbehandlung mit Metoclopramid bei Aufdosierung kann die Übelkeit lindern, sollte allerdings nicht als Dauermedikation geführt werden und kann bei empfindlichen Personen zu motorischen Störungen führen.

Endgültige Dosierung

Die weiteren pharmakologischen Daten der drei ChEI sind in der Tabelle aufgelistet. Donepezil kann nach vier bis acht Wochen von 5 auf 10 mg aufdosiert werden, hier sorgt die längere Halbwertszeit für einen kontinuierlichen Wirkspiegelanstieg nach Behandlungsbeginn. Bei geplanten Operationen sollte entsprechend längerfristig Donepezil zuvor abgesetzt werden. Die klinische Bedeutung von zusätzlichen pharmakologischen Effekten wie der Modulation des Nikotinrezeptors oder der Hemmung der Butyryl-Cholinesterase sowohl für die Wirkung als auch die Nebenwirkung ist unklar. Donepezil kann einmal täglich gegeben werden, wobei die Einnahme sowohl morgens als auch abends möglich ist. Dasselbe gilt für Galantamin in der Retardform. Rivastigmin kann neuerdings als täglich zu wechselndes Pflaster (9,5 mg im Pflaster entsprechen 12 mg oral) appliziert werden, eine Darreichungsform, die geringere Spiegelschwankungen aufweist und gut verträglich ist.

Glutamatrezeptormodulatoren, Memantin

Memantin ist ein reversibler Antagonist am Glutamatrezeptor vom NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat-)Typ. Diese Modulation wird mit einer Reduktion des glutamatinduzierten Zelltods in Verbindung gebracht. Verlaufsmodifizierende Eigenschaften beziehungsweise ein Einfluss auf die Alzheimer-typische Neuropathologie konnten für Memantine nicht nachgewiesen werden. Der glutamatinduzierte Zelltod spielt in größerem Maße bei ischämischen Läsionen eine Rolle und ist nicht spezifisch für eine bestimmte Form von Neuropathologie.

Memantin wird insbesondere bei mittelschweren bis schweren (Mini-Mental-Status-Examination [MMSE] > 20) Demenzerkrankungen eingesetzt. Aufgrund der Verwandtschaft mit Amantadin und der Wirkung am NMDA-Rezeptor besteht klinisch häufig der Eindruck einer Besserung der motorischen Funktionen. Eine eingeschränkte Nierenfunktion führt zu höheren Blutspiegeln. Eine unerwünschte Unruhe kann auftreten. Weitere pharmakologische Informationen sind in der Tabelle aufgelistet.

Depression

Apathie und Antriebsstörungen können Symptome der demenziellen Erkrankung oder aber einer Depression sein. Etwa ein Drittel aller Demenzpatienten entwickelt in der frühen Phase der Erkrankung eine behandlungsbedürftige depressive Symptomatik, insbesondere Patienten mit einer Einsicht in die krankheitsbedingt zunehmenden Behinderungen.

Eine antidepressive Behandlung hat hier Vorrang vor dem Einsatz von Antidementiva, zumal für cholinerg-stimulierende Substanzen eine Verstärkung einer depressiven Symptomatik vermutet wird.

Zur Depressionsbehandlung bei beginnender Demenz können sowohl psychotherapeutische als auch pharmakologische Behandlungsansätze verfolgt werden. Aufgrund der fehlenden Sedierung sind Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI) geeignet. Der SSRI Paroxetin muss jedoch aufgrund seiner anticholinergen Eigenschaften vermieden werden. Natriumwerte sollten aufgrund des im Alter erhöhten Risikos für eine Hyponatriämie und damit verbundener motorischer Schwäche bei SSRI-Behandlung kontrolliert werden.

Apathie

Apathie als isoliertes Symptom einer Demenz in Abgrenzung zu einer komorbiden Depression findet zunehmend in Studien zum Krankheitsverlauf Beachtung. Ein apathisches Syndrom lässt sich mit demenztypischen hirnorganischen Veränderungen in Verbindung bringen, eine depressive Herabgestimmtheit findet sich dabei im Regelfall nicht.

Eine Apathie kann auf ChEI oder Memantin ansprechen. Die Behandlung einer Apathie als Zielsymptom ist insbesondere sinnvoll, falls nahe Angehörige, zum Beispiel Ehepartner, einen wieder zunehmenden Antrieb zu gemeinsamen Aktivitäten nutzen können. Apathie ist eine Hauptnebenwirkung von Antipsychotika.

Antipsychotika

Nur schwere Agitation und Aggression sollten vorübergehend mit Antipsychotika behandelt werden. Patienten mit diesen Symptomen haben per se eine schlechtere Lebenserwartung, eine Behandlung mit Antipsychotika erhöht bei ihnen noch das Risiko zerebrovaskulärer Insulte. In Deutschland ist von den atypischen Antipsychotika Risperidon in dieser Indikation zugelassen. Eine Dosierung von 0,5 mg ist oft ausreichend, bei Dosierungen über 1,5 mg überwiegen meist die unerwünschten Wirkungen. Insbesondere Patienten mit einer zusätzlichen Lewy-Körperchen-Pathologie können unter Risperidon ein deutliches Parkinsonoid entwickeln. Bei längerem Einsatz bei älteren Patienten sind Beinödeme häufig. Ein Ausschleichversuch sollte ca. alle drei Monate erfolgen.


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars Medici Dossier I und II/2010


Literatur
1. Staehelin HB. Epidemiologie der Demenzerkrankungen. Schweiz Med Forum 2004; 4: 247—250.
2. Monsch AU, Hermelink M, Kressig RW, Fisch HP, Grob D, Hiltbrunner B, Martensson B, Rüegger-Frey B, von Gunten A. Konsensus zur Diagnostik und Betreuung von Demenzkranken in der Schweiz. Swiss Med Forum 2008; 8: 144—149.
3. www.medicalforum.ch (Archiv) Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, www.akdae.de/ 35/70_Demenz_2004_3Auflage.pdf
4. Hüll M, Berger M, Heneka M. Disease-modifying therapies in Alzheimer’s disease: how far have we come Drugs 2006; 66: 2075—2093.

Interessenkonflikte:
keine deklariert

Prof. Dr. med. Michael Hüll


Kontakt:
Prof. Dr. med. Michael Hüll
Sektionsleiter Gerontopsychiatrie und Neuropsychologie
Universitätsklinikum Freiburg
79098 Freiburg i. Br.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (12) Seite 38-40