Die Häufigkeit allergischer Erkrankungen der Atemwege und der Haut hat in den letzten Jahrzehnten insbesondere bei Kindern und Jugendlichen dramatisch zugenommen. Bei zwei Drittel der Betroffenen liegt eine atopische Diathese vor. Um schwere progrediente Krankheitsverläufe zu vermeiden, können primäre präventive und therapeutische Maßnahmen bald nach der Geburt oder noch während der Schwangerschaft weichenstellend sein.

Die Prävalenz für allergische Rhinokonjunktivitis und atopisches Ekzem bei Kindern und Jugendlichen liegt bei eindrücklichen 20 %. Auch das Asthma bronchiale ist mit einer regional und altersabhängigen Häufigkeit von 8 bis 12 % eine der weitest verbreiteten und wichtigsten chronischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters.

Bei zwei Drittel der Asthmapatienten liegt eine genetisch fixierte Disposition, eine atopische Diathese, vor und bereits während der ersten Lebensjahre wird der spätere Krankheitsverlauf entscheidend geprägt: Beim atopischen Kind kann die „Allergiekarriere“ in der Regel vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter nachvollzogen werden. Sie beginnt mit den Symptomen einer Nahrungsmittelallergie und tritt häufig gleichzeitig oder nach kurzem Intervall assoziiert mit Symptomen eines Säuglingsekzems oder einer Neurodermitis auf. 50 bis 60 % der Kinder mit atopischem Ekzem erleiden zwischen drei und sechs Jahren einen Wechsel des betroffenen Organsystems in Richtung Atemwege. Durch Frühdiagnostik, geeignete Maßnahmen zu Prävention und Prophylaxe sowie rechtzeitig einsetzende therapeutische Interventionen können heute in der Regel schwere progrediente Verläufe vermieden und eine häufig lang anhaltende Symptomfreiheit erzielt werden.

Primäre Allergieprävention

Empfehlungen zur primären Allergieprävention gelten für Risikokinder bezüglich Allergieentwicklung aus Familien mit allergischer Manifestation bei Verwandten ersten Grades. Die Maßnahmen beruhen vor allem auf Stillen während der ersten vier bis sechs Monate bzw. hypoallergener Ernährung sowie auf Vermeidung von Passivrauchen und Innenraum-Allergenexposition (vgl. Übersicht 1).

Während eine präventive Wirkung der Allergenkarenz gegen Hausstaubmilben für die klinische Symptomatik gesichert ist, bestehen hinsichtlich Haustierhaltung kontroverse Ansichten. Während durch frühe Hundehaltung kein höheres Allergierisiko besteht, gilt Katzenhaltung als Risikofaktor. Als Präventionsmaßnahme ist der Verzicht auf behaarte oder gefiederte Haustiere zu empfehlen.

Für nicht gestillte Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat ist die Ernährung mit Hydrolysatnahrung (EHF oder PHF) zu empfehlen. Die Stärke der Hydrolyse ist unwichtig. Falls Beikost bereits ab dem vierten Monat eingeführt werden muss, ist solche mit geringem Sensibilisierungspotenzial (z. B. Reis, Karotte, Kartoffel, Birne, Apfel) zu verwenden. Im ersten Lebensjahr sollte auf Nahrungsmittel mit hohem Allergenpotenzial (z. B. Ei, Fisch, Nüsse, Zitrusfrüchte, Soja) verzichtet werden.

Günstige Effekte diätetischer Maßnahmen bei Müttern, welche selbst keine Nahrungsmittelallergie aufweisen, sind weder für Schwangerschaft noch für Stillzeit nachgewiesen. Eine Ausnahme stellt die allergische pneumologisch-dermatologische Erkrankung des Kindes während der Stillzeit dar.

Sekundäre/tertiäre Allergieprävention

Das Ziel sekundärer Allergieprävention ist die Verhinderung einer weiteren Ausdehnung des Allergenspektrums beziehungsweise weiterer allergischer Organmanifestationen im Sinne eines „Etagenwechsels“ (Übersicht 2). Eine wesentliche Maßnahme in diesem Rahmen stellt die spezifische Immuntherapie dar. Sie ist die einzige Behandlung, die den Krankheitsverlauf kausal beeinflussen kann. Als tertiäre Allergieprävention gelten die aktuell möglichen und evidenzbasierten medikamentösen Therapiemöglichkeiten. Das Ziel ihres Einsatzes ist eine langfristig gesicherte Krankheitskontrolle.

Differenzialdiagnostisch von erheblicher Bedeutung ist die prognostisch und therapeutisch außerordentlich wichtige Unterscheidung zwischen der im Kleinstkindesalter häufigen rezidivierenden obstruktiven Bronchitis und dem mit ähnlicher Symptomatik aufwartenden frühkindlichen Asthma bronchiale. Denn Asthma bronchiale beginnt zwar mit Husten und Dyspnoe im Kindesalter, aber nicht jedes hustende und giemende Kind hat beziehungsweise bekommt Asthma. Bei rezidivierender obstruktiver Bronchitis kann die lediglich bedarfsorientierte Applikation von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) infektinduzierte Episoden in Intensität, Dauer und Obstruktion günstig beeinflussen. Eine regelmäßig langfristige Therapie mit ICS bei ausschließlich virusinduzierter Obstruktion ist hingegen nicht effizient.

Anders kann bei frühkindlichem leichtem bis mäßigem Asthma bronchiale die frühe therapeutische Intervention mit ICS die Entwicklung von Lungenfunktionsverlusten verhindern, die bronchiale Hyperreagibilität reduzieren und eine bessere Asthmakontrolle mit längeren symptomfreien Phasen und somit höherer Lebensqualität vermitteln.

Als gesicherte langfristig verlaufsrelevante Faktoren zur ganzheitlichen Beeinflussung allergischer Erkrankungen bei Kleinkindern erweisen sich zum einen die Frühdiagnostik einschließlich Schulung und Beratung, zum anderen die Risikominimierung durch das Vermeiden von Exposition gegenüber Allergenen und Irritanzien (Tabakrauch, Feinstaub, Autoabgase usw.) sowie eine Infektprophylaxe und weitere Aspekte wie eine rechtzeitige Immuntherapie. Bei Asthmapatienten ist die therapeutische Frühintervention mit ICS wichtig.

Ein wesentlicher Faktor zur Rezidivprophylaxe bei Neurodermitispatienten ist die regelmäßige und adäquate Basistherapie mit rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Produkten. Weiter spielen die ärztliche Führung bei der Verlaufskontrolle und dem Erstellen flexibler und bedarfsorientierter Therapieschemata und schließlich familiäre sowie psychosoziale Rahmenbedingungen für den Verlauf eine wichtige Rolle.


Genehmigter und bearbeiteter Nachdruck aus Ars medici Pädiatrie 2/09


Interessenkonflikte:
keine deklariert

Dr. med. Hans-Joachim Mansfeld


Kontakt:
Dr. med. Hans-Joachim Mansfeld
Allergieklinik - Zentrum für Kinder und Jugendliche an der Hochgebirgsklinik Davos

CH-7265 Davos


Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (3) Seite 20-21