Sicherlich auch ausgelöst durch einige medial stark verbreitete „Hygieneskandale“ trat zum 3.8.2011 eine Neufassung des Hygienerechts in Kraft. Damit erhöht sich die Kontrollintensität der Aufsichtsbehörden. Neuregelungen betreffen die Wertigkeit der Empfehlungen der am Robert-Koch-Institut angesiedelten Kommissionen mit ganz praktischen Auswirkungen. Im folgenden Beitrag sollen die Konsequenzen für den Hausarzt dargestellt werden.

Eine wichtige Neuregelung betrifft den § 23, der nunmehr die Anforderungen an alle medizinischen Einrichtungen, somit auch an Praxen niedergelassener Ärzte, vereint. In Absatz 3 heißt es, dass die Leiter der Einrichtungen - Arztpraxen sind hierbei explizit aufgeführt - sicherzustellen haben, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden:

Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert-Koch-Institut (ART) beachtet worden sind. Konkret bedeutet dies, dass jede Arztpraxis einen Hygieneplan mit Arbeitsanweisungen für alle hygienerelevanten Tätigkeiten einschließlich des Umgangs von Patienten, die mit multiresistenten Erregern besiedelt oder infiziert sind, vorhalten muss.

Viele Kolleginnen und Kollegen orientieren sich in der Therapie an den AWMF-Leitlinien. Dies können sie natürlich weiter tun. Allerdings sind diese jetzt rechtlich den Empfehlungen der KRINKO untergeordnet.

Hygieneplan aktualisieren

Zunächst wird man sich zur Gestaltung des Hygieneplans mit den verbindlichen Vorschriften auseinandersetzen, da hier die Minimalanforderungen formuliert sind. Eine Übersicht gibt Tabelle 1. Während Gesetze und Verordnungen verbindlich sind, was auch für die TRBA 250 gilt, kann von dem Inhalt von Empfehlungen abgewichen werden, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass das vorgegebene Ziel mit den selbst gewählten Maßnahmen auch erreicht wird.

Räumlichkeiten

Die Räume müssen hygienisches Arbeiten zulassen. Hierzu gehört ein Handwaschplatz nach TRBA 250, also mit Seifen-, Händedesinfektionsmittel- und Handtuchspender. Alles Inventar muss gut zu reinigen und zu desinfizieren sein, also fugendicht und intakt (keine abgeschlagenen Oberflächen, z. B. durch Wagenanfahrten). Lagerungshilfen z. B. für Extremitäten oder Kopfkeile dürfen nicht auf dem Fußboden gelagert werden, sondern müssen einigermaßen staubgeschützt in Regalen liegen. Auch die Oberflächen der Lagerungshilfen müssen intakt sein, aufgeplatzte Ecken und Nähte geeignet repariert werden. „Weißes Pflaster“ zur Kennzeichnung ist unzulässig, da es nicht sicher desinfiziert werden kann.

Hygieneplan

Der Hygieneplan regelt alle hygienerelevanten Tätigkeiten in der Einrichtung, hier konkret:

  • Personalhygiene (Arbeits- und Schutzkleidung, Schutzmittel, Händehygiene)
  • Lagerung von Sterilgut und Medizinprodukten
  • Lagerung von Arzneimitteln
  • Wundverband (Vorbereitung, Ablauf, Entsorgung)
  • Abfallkonzept (Entsorgung in den Hausmüll, zu bezeichnen als Abfallschlüsselnummer 18 01 04)
  • Aufbereitung von Medizinprodukten und ggf. Sterilisation
  • Reinigungs- und Desinfektionsplan für die Flächen

Dabei muss er genau die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln, d. h. Pläne aus dem Internet, von Verbänden, Lieferanten oder Bekannten müssen angepasst werden.

Personalhygiene

Die Arbeitskleidung ist sinnvollerweise von heller Farbe und mit mindestens 60 °C waschbar, wobei nach Ziffer 4.1.3.1 kontaminierte Arbeitskleidung nicht mehr zu Hause gewaschen werden darf. Schutzkleidung zum Schutz der Arbeitskleidung wird gebraucht bei Gefahr der Durchfeuchtung (wasserdichte Schürze bei Wundspülung) oder Kontamination mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten (z. B. bei multiresistenten Erregern - Schutzkittel). Ein Mund-Nase-Schutz und unter Umständen eine Haube ist bei längerer Behandlung von im Nasen-Rachenraum mit multiresistenten Erregern besiedelten Patienten oder Tracheostomaträgern nötig und sinnvoll [2].

Schmuck an Händen und Unterarmen, längere künstliche oder „gegelte“ Fingernägel stören die Händehygiene. Die Händewäsche ist sinnvoll vor Arbeitsbeginn, vor Pausen, nach Pausen und nach Arbeitsende. Auch wenn eine stärkere Kontamination vorliegt, kann nach einer Entfernung des kontaminierten Materials mittels desinfektionsmittelgetränkten Einmalhandtuchs eine Händewäsche erfolgen [1a].

Die Hände werden zur Desinfektion mit einer Hohlhand voll Händedesinfektionsmittel 30 Sekunden lang eingerieben. Den Fingerspitzen und den Daumen als Hauptgreiforgan ist hier besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Einsatz von Pflegecreme rundet die gute Händehygiene ab [1a].

Medizinprodukte

Medizinprodukte müssen bei Hausbesuchen sorgfältig transportiert werden. Die Verpackungen von Sterilgut dürfen nicht beschädigt oder nass werden. Gebrauchtes Instrumentarium wird in geschlossenen, flüssigkeitsdichten und durchstichsicheren Behältern transportiert. Für jedes selbst aufbereitete Medizinprodukt braucht es eine Risikobewertung und eine entsprechende Aufbereitung [1b]. Wer einen Sterilisator betreibt, muss neben den entsprechenden Arbeitsanweisungen auch eine Chargendokumentation vorhalten. Auch in der Praxis muss das Sterilgut sorgfältig gelagert werden. Dabei beträgt die Haltbarkeit bei ungeschützter Lagerung (auf Arbeitsflächen oder in offenen Regalen im Behandlungsraum) nur 48 Stunden, bei geschützter Lagerung (in Schränken oder Schubladen) sechs Monate.

Findet eine Sterilisation der eigenen Instrumente in einer anderen Einrichtung statt, ist ein Vertrag, der die Verantwortung für die Schritte und die Übergaben genau regelt, verpflichtend.

Flächenreinigung und Desinfektion

Die entsprechenden Produkte, bei Desinfektionsmitteln auch Gebrauchskonzentration und Einwirkzeit, müssen im Reinigungs- und Desinfektionsplan aufgeführt werden. Der aktuelle Plan ist aushangpflichtig, an Waschbecken im Praxisbereich reicht der sogenannte Hautschutzplan.

Pflicht zur Asepsis

Alle mit der Wunde in Berührung kommenden Gegenstände müssen steril sein, dies gilt folglich auch für die Handschuhe, wenn eine direkte Wundberührung nicht zu vermeiden ist.

Spülen von Wunden mit Leitungswasser

Verschiedene AWMF-Leitlinien empfehlen das Spülen von Wunden mit Leitungswasser, die KRINKO fordert hier allerdings eine Filterung mit einer Porengröße von 0,2 µm, die somit vorzunehmen ist [1c].

Hautdesinfektion

Hierzu kann das alkoholische Hautdesinfektionsmittel aufgesprüht oder mit einem je nach Maßnahme keimarmen oder sterilen Tupfer eingerieben werden [1d]. Die vom Hersteller angegebene Einwirkzeit ist auf jeden Fall einzuhalten.

Mehrdosisbehälter

Jeder Mehrdosisbehälter (z. B. Durchstichflaschen, Salbentuben) muss bei Anbruch mit dem Datum, bei Haltbarkeit < zwei Tage sinnvollerweise auch mit der Uhrzeit beschriftet werden. Dies gilt auch für die Händedesinfektionsmittelflaschen, die in Spendern eingesetzt werden. In einer Arbeitsanweisung sollte geregelt sein, welche der typischerweise in der Praxis eingesetzten Mehrdosisbehälter wie lange nach Anbruch haltbar sind (Angaben der Hersteller) und wie sie zu lagern sind (Raumtemperatur oder Kühlschrank).


Literatur
1. Robert-Koch-Institut (Alle Empfehlungen im Volltext einsehbar unter www.rki.de)
1a „Händehygiene“, 2000
1b „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“,2001
1c „Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung immunsupprimierter Patienten“, 2010
1d “Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen“, 2011
2. BGR 250/TRBA 250: Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege vom Oktober 2003
3. Initiative Chronische Wunde ICW (Hrsg.:): Konsensusempfehlung „Leitlinie für Hygiene in der Wundversorgung“, www.icwunden.de – Bestellungen

Interessenkonflikte:
keine deklariert

PD Dr. med. Andreas Schwarzkopf


Kontakt:
PD Dr. med. Andreas Schwarzkopf
Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie
Ö. b. u.b. Sachverständiger für Krankenhaushygiene
Institut Schwarzkopf GbR
97708 Bad Bocklet

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (15) Seite 44-46