Vermutet der Hausarzt bei einem Kind eine Nahrungsmittelallergie, ist einmal mehr eine differenzierte Anamnese und Diagnostik gefragt, um unnötige Diäten zu vermeiden und potenziell lebensbedrohlichen Situationen vorzubeugen. Die gute Nachricht dabei: Die Liste der vorrangig infrage kommenden Lebensmittel ist durchaus überschaubar.

Welche Nahrungsmittel häufig Allergien auslösen, hängt von den örtlichen Ernährungsgewohnheiten ab, betont Dr. med. Lars Lange vom St.-Marien-Hospital Bonn [1]. Während beispielsweise in Singapur Vogelnestersuppe die Liste der Auslöser anführt, seien für Kinder und Jugendliche in Mitteleuropa vor allem folgende zehn Substanzen relevant:

Kuhmilch: Häufigste Allergie, gute Prognose

Kuhmilch ist das erste Allergen, mit dem ein Säugling in Kontakt kommt, und bis ins Kleinkindalter nach wie vor das am häufigsten zu Allergien führende Nahrungsmittel. Sensibilisierungen entstehen nicht nur, wenn die Kinder die Milch zu trinken bekommen - möglicherweise vor allem bei nur kurzfristiger oder intermittierender Gabe -, sondern beispielsweise auch durch Proteinübertragung über die Muttermilch, berichtet Lange.

Eine Kuhmilchallergie gilt als wesentlicher Aggravationsfaktor bei Säuglingen mit atopischem Ekzem, kann aber auch Sofortreaktionen in Form IgE-vermittelter oder nicht-IgE-vermittelter gastrointestinaler Reaktionen hervorrufen, z. B. eine allergische Enterokolitis. Sie führt in erster Linie bei Säuglingen zu blutiger Diarrhoe und Dystrophie. Zudem ist eine hohe Rate an klinisch relevanten Kreuzreaktionen zwischen Kuhmilch und der Milch anderer Tiere wie von Schafen oder Ziegen bekannt.

Allerdings sind von den Hauptallergenen der Kuhmilch - Kasein, Alpha-Lactalbumin und Beta-Lactoglobulin - die beiden letzteren weitgehend hitzelabil, so dass einige Patienten gekochte bzw. gebackene Milch vertragen. Auch die Prognose ist gut: Bis zum fünften Lebensjahr entwickeln bis zu 80 % der Kinder eine Toleranz.

Hühnereiweiß: Kinder meist ohne bewussten Kontakt sensibilisiert

Auf Rang zwei der häufigsten allergieauslösenden Lebensmittel in den ersten Lebensjahren steht Hühnereiweiß. Studien zufolge sind bis zu 40 % der Kinder mit atopischem Ekzem sensibilisiert. Dies erfolgt häufig durch versteckte Kontakte über die Muttermilch oder eihaltigen Küchenstaub. Klinisch treten meist typische IgE-vermittelte Sofortreaktionen mit Urtikaria und Erbrechen auf, auch eine Verstärkung des atopischen Ekzems ist möglich, berichtet Lange.

Hauptallergene sind das hitzestabile Ovomucoid und das hitzelabile Ovalbumin, so dass manche Betroffene gebackenes Ei durchaus vertragen. Auch bei Hühnereiweißallergie ist die Prognose gut: Bis zum Schuleintritt entwickeln rund 70 % der Kinder eine Toleranz.

Erdnuss: Höchstes Anaphylaxierisiko!

Rund 10 % der Kinder und Jugendlichen sind hierzulande gegen Erdnuss allergisch, zweijährige Kinder mit atopischem Ekzem sogar häufiger als gegen Kuhmilch, schreibt Lange. Sensibilisierungen gegenüber Erdnuss entstehen meist ebenfalls durch versteckte Kontakte über die Muttermilch oder durch Exposition über die Haut, vor allem bei gestörter Hautbarriere.

Besonders gefährlich ist eine Erdnuss­allergie deshalb, da bereits eine Exposition gegenüber kleinen Mengen lebensbedrohliche Sofortreaktionen auslösen kann, warnt der Autor. Als belegt gilt, dass bei einer Sensibilisierung gegen das Speicherprotein Ara h 2, eines der Hauptallergene der Erdnuss, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit anaphylaktischen Reaktionen zu rechnen ist. Zu beachten sind zudem Kreuzreaktionen zu anderen Hülsenfrüchten wie Soja und Lupine und häufige Ko-Sensibilisierungen gegenüber Baumnüssen. In ca. 20 - 30 % der Fälle besteht eine Nussallergie, so Lange. Serologische Kreuzreaktionen bei Gräser- und Birkenpollenallergien seien dagegen klinisch oft irrelevant.

Anders als bei Hühnereiweiß oder Kuhmilch lässt sich die Verträglichkeit von Erdnüssen nicht durch Erhitzen erhöhen: Die Hauptallergene sind hitzestabil, ihre Allergenität wird durch Rösten noch gesteigert. Auch die Prognose ist eher ungünstig: Nur 20 % der Kinder entwickeln eine Toleranz.

Schalenfrüchte: Haselnussallergie verbreitet

Allergien gegen Schalenfrüchte kommen als primäre Nahrungsmittelallergien und auch infolge einer Kreuzreaktion zu einem Aeroallergen (Hasel-/Birkenpollen) vor. In Deutschland ist wohl die Haselnuss das relevanteste Allergen aus dieser Gruppe, zu der auch Walnüsse, Paranüsse, Pistazien, Cashewkerne, Macadamianüsse, Pekannüsse und Mandeln zählen. Kreuzreaktionen zwischen Schalenfrüchten sind serologisch die Regel und oft auch klinisch relevant, weist Lange hin.

Das Spektrum der klinischen Reaktionen reicht von mildem oralen Allergiesyndrom (z. B. Gaumenjucken, Zungenkribbeln) bis zum anaphylaktischen Schock. Die Prognose bei einer Haselnussallergie scheint kaum günstiger als bei der Erdnussallergie zu sein. Ebenso bleibt die Haselnuss auch nach dem Erhitzen allergen wirksam.

Fisch: Schon geringe Mengen reichen

Allergien gegen Fischproteine können bereits im Säuglingsalter auftreten und sich als klassische IgE-vermittelte Sofortreaktionen oder als nicht-IgE-vermittelte gastrointestinale Reaktionen manifestieren. Gelegentlich kommt es schon beim ersten Kontakt und bei Exposition gegenüber kleinen Mengen, z. B. als Küchenaerosol, zu Beschwerden. Entsprechend hoch ist das Anaphylaxierisiko bei unbewusstem Kontakt, warnt Lange. Hauptallergen ist Parvalbumin, ein hitzestabiles Protein aus der weißen Muskulatur des Fisches, das lediglich durch Eindosen zerstört wird. Monosensibilisierungen gegen andere Fischproteine und damit speziesspezifische Allergien sind seltener.

Klinisch relevante Kreuzreaktionen treten häufig zwischen Fischen auf, die viel Parvalbumin enthalten (z. B. Dorsch, Lachs, Seelachs, Hering und Scholle), selten zu Thunfisch oder Schwertfisch. Eine Kreuzreaktion zu Schalentieren besteht nicht. Die Bestimmung des IgE gegen Parvalbumin kann den Grad der Kreuzreaktionen zu anderen Fischen vorhersagen, fügt Lange hinzu. Über die Prognose der Fischallergie sei wenig bekannt.

Weizen: Kreuzreaktionen zu anderen Getreidesorten möglich

Eine Weizenallergie ist häufig bei Säuglingen mit atopischem Ekzem und gilt als relevanter Triggerfaktor. IgE-vermittelte Sofortreaktionen sind selten. Bei Jugendlichen kann eine Weizenallergie eine „Exercise-induced-Anaphylaxis“ auslösen, also eine Anaphylaxie, die in unmittelbarem Zusammenhang mit körperlicher Aktivität auftritt. In diesen Fällen lässt sich häufig eine Sensibilisierung gegen das Weizenprotein Omega-5-Gliadin nachweisen, weiß Lange.

Klinisch relevante Kreuzreaktionen zu Dinkel sind belegt, zu anderen glutenhaltigen Getreidesorten möglich und im Einzelfall zu prüfen. Irrelevant ist dagegen eine mögliche serologische Kreuzreaktion bei Gräserpollenallergie.

Soja: Keine Alternative zur Kuhmilch

Etwa 15 % der Kinder mit einer Kuhmilchallergie entwickeln bei Umstellung auf Sojamilch eine entsprechende Allergie. Daher wird auch bei Säuglingen mit gesicherter Kuhmilchallergie eine Ernährung mit sojabasierten Formulanahrungen nicht mehr empfohlen, betont Lange. Darüber hinaus spielt die Sojaallergie, die IgE- wie nicht-IgE-vermittelte Reaktionen auslösen kann, in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich bei Birkenpollenallergikern, die gegenüber einem bestimmten Protein (PR-10-Protein Gly m 4) sensibilisiert sind, kann ein rascher Konsum großer Mengen zu anaphylaktischen Reaktionen führen. Oft liegt zudem eine klinisch irrelevante Kreuzreaktion mit Erdnuss vor.

Apfel: Eng mit Birkenpollenallergie verknüpft

Bei Birkenpollenallergikern tritt mit zunehmendem Lebensalter häufig eine Apfelallergie auf (sekundäre Nahrungsmittelallergie). In der Regel kommt es zu einem oralen Allergiesyndrom, anaphylaktische Reaktionen sind selten, wurden jedoch gehäuft bei Patienten in Mittelmeerländern beobachtet, so Lange. Da die meisten pollenassoziierten Apfelallergene hitzelabil sind, kann gekochter Apfel problemlos verzehrt werden. Auch einzelne Sorten werden unterschiedlich gut vertragen.

Karotte: Reaktion bei rohem Verzehr

Eine primäre Allergie gegen Karotten ist selten, sie tritt erst infolge einer Birkenpollenallergie auf. Meist entwickeln die Betroffenen nach dem Verzehr roher Karotten ein mildes orales Allergiesyndrom. Vermutungen von Eltern, dass bei Babys mit atopischem Ekzem eine Karottenallergie bestehe, lassen sich diagnostisch in der Regel nicht bestätigen. Lange rät daher, Säuglinge sollten weiterhin im Rahmen der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Mahlzeit früh Karotte erhalten.

Schalentiere: Erst bei Jugendlichen relevant

Eine Sensibilisierung gegenüber Garnelen, Muscheln etc. ist im Kindesalter selten und tritt verstärkt erst in der Jugend auf. Das relevante Allergen Tropomyosin kommt zwar auch in Hausstaubmilben vor, doch Lange beruhigt: Klinisch relevante Reaktionen nach dem Konsum von Schalentieren seien bei Kindern mit Hausstaubmilbenallergie die Ausnahme.

Stefanie Lindl-Fischer


Literatur
1) Lange L. Pädiatrische Allergologie 2012; 15 (Sonderheft Nahrungsmittelallergie): 8 - 10

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (18) Seite 48-50