Eine inadäquate Ernährung gilt neben metabolischen, genetischen und konstitutionellen Faktoren als Hauptrisikofaktor für eine Harnsteinbildung, da verschiedene Nahrungskomponenten die Harnzusammensetzung erheblich beeinflussen. Individuell auf das biochemische Risikoprofil abgestimmte ernährungsmedizinische Maßnahmen können die Rezidivrate reduzieren und die Intervalle bis zur erneuten Steinbildung verlängern.
Nach einer repräsentativen Erhebung liegt die Prävalenz der Urolithiasis in Deutschland bei 4,7 %. Die Inzidenz beträgt 1,47 % bzw. rund 1,2 Mio. Steinerkrankungen pro Jahr [1].
Klassifikation des Patienten
Der Umfang der notwendigen diagnostischen Maßnahmen bei Urolithiasis richtet sich nach dem Risikoprofil des Patienten. Nach der Steinepisode ist die Harnsteinanalyse die wichtigste diagnostische Maßnahme und Voraussetzung für eine adäquate Rezidivprävention. Als Methoden stehen die Infrarotspektroskopie und die Röntgendiffraktion zur Verfügung. Die Steinzusammensetzung liefert erste Hinweise auf potenzielle Stoffwechselstörungen und bildet die Grundlage zur Abklärung der für den einzelnen Patienten pathogenetisch relevanten endogenen und exogenen Risikofaktoren der Steinbildung. Die Zuordnung zur Hoch- oder Niedrigrisikogruppe erfordert zudem eine Basisuntersuchung. Dazu gehören Anamnese, klinische Untersuchung sowie einige Laborwerte (Übersicht 1).
Zur Niedrigrisikogruppe zählen Erststeinbildner, die keines der in Übersicht 2 genannten Risikokriterien aufweisen. Für diese Patienten reicht eine allgemeine Harnsteinmetaphylaxe aus (Übersicht 3). Die Hochrisikogruppe umfasst Patienten, die durch häufig rezidivierende Harnsteinepisoden oder definierte Risikofaktoren charakterisiert sind (Übersicht 2). Diese Patienten benötigen frühzeitig eine erweiterte metabolische Diagnostik als Voraussetzung für alle steinartspezifischen ernährungsmedizinischen und gegebenenfalls pharmakologischen Maßnahmen der Rezidivprävention.
Kalziumoxalatsteine
Etwa 75 % aller Harnsteine bestehen aus Kalziumoxalat. Risikofaktoren sind eine erhöhte Ausscheidung von Oxalsäure, Kalzium und Harnsäure, eine verminderte Exkretion von Magnesium und Zitrat, ein niedriger Urin-pH-Wert sowie ein geringes Harnvolumen. Kalziumoxalatsteine gehören zu den diätetisch besonders gut therapierbaren Steinarten.
Die wichtigste Maßnahme zur Rezidivprophylaxe der Urolithiasis ist eine ausreichende Harndilution. Ein inadäquates Harnvolumen resultiert vor allem aus einer unzureichenden Aufnahme oder einem erhöhten extrarenalen Verlust von Flüssigkeit, beispielsweise durch körperliche Aktivität, Klima oder Diarrhoe [2]. Die Konzentration lithogener Substanzen im Urin und damit das Steinbildungsrisiko kann durch eine Steigerung des Harnvolumens auf mindestens 2,0 l/24 h deutlich reduziert werden. Die dafür erforderliche Trinkmenge sollte gleichmäßig über den Tag verteilt werden. Für Kalziumoxalatsteinpatienten sind insbesondere harnalkalisierende Getränke empfehlenswert (Übersicht 4) [3].
Oxalsäure
Eine Hyperoxalurie, d. h. eine Oxalsäureausscheidung ≥ 0,5 mmol/24 h, gilt als einer der Hauptrisikofaktoren der Kalziumoxalatsteinbildung. Mit einer normalen Mischkost werden durchschnittlich ca. 50 - 200 mg Oxalsäure pro Tag aufgenommen (Abb. 1). Die im Harn ausgeschiedene Oxalsäure resultiert aus der intestinalen Absorption des Nahrungsoxalats und aus der endogenen Biosynthese des Oxalats aus verschiedenen metabolischen Vorläufern. Der Anteil des Nahrungsoxalats an der Oxalatausscheidung im Harn kann bereits bei Gesunden bis zu 50 % betragen [4]. Einige pflanzliche Lebensmittel, wie z. B. Spinat, Mangold, Rhabarber und Sauerampfer, enthalten besonders hohe Oxalsäurekonzentrationen (Übersicht 5) [3, 5, 6]. Der Verzehr bereits geringer Mengen dieser Lebensmittel kann zu einem erheblichen Anstieg der Oxalsäureausscheidung im Harn führen. Außerdem wurde bei rund der Hälfte der Kalziumoxalatsteinpatienten eine Hyperabsorption von Oxalat nachgewiesen [7].
Kalzium
Eine häufige biochemische Störung beim Kalziumoxalatsteinleiden ist die Hyperkalziurie. Im Hinblick auf eine ausreichende Kalziumversorgung sollten entsprechend den Empfehlungen der D-A-CH (2000) 1 000 mg Kalzium pro Tag aufgenommen, jedoch nicht wesentlich unter- bzw. überschritten werden [8]. Eine Einschränkung der Kalziumzufuhr unter diesen Wert kann zu einer vermehrten Absorption von Oxalsäure führen.
Die renale Kalziumausscheidung wird darüber hinaus durch eine Reihe weiterer Nahrungskomponenten beeinflusst. Eine hohe Proteinzufuhr führt über eine milde metabolische Azidose zu einer erhöhten Mobilisation von Kalzium aus dem Knochen und einer vermehrten Kalziumausscheidung im Harn [9]. Aber auch eine erhöhte Aufnahme von Natrium bzw. Kochsalz kann einen Anstieg der Kalziumausscheidung begünstigen.
Harnsäure
Eine hohe Purinaufnahme führt im Organismus zu einer vermehrten endogenen Produktion von Harnsäure und folglich zu einer Steigerung der Harnsäureausscheidung. Patienten mit Hyperurikosurie sollten daher den Verzehr von purinreichen Lebensmitteln einschränken. Der Puringehalt ist besonders hoch in Muskelfleisch und Geweben mit hohem Zellkernanteil, wie z. B. Innereien und Hülsenfrüchten.
Zitrat
Zitrat gilt als Inhibitor der Kalziumoxalatsteinbildung. Im Harn bildet Zitrat leicht lösliche Komplexe mit Kalzium und reduziert dadurch die Konzentration an freien, zur Bindung mit Oxalat verfügbaren Kalziumionen. Ursachen einer Hypozitraturie sind vor allem eine hohe Proteinzufuhr sowie eine distale renal tubuläre Azidose. Die Ernährungstherapie der Hypozitraturie besteht in einer Steigerung der Zufuhr pflanzlicher Lebensmittel bei adäquater Proteinzufuhr.
Medikamentöse Therapie
Zur Rezidivprävention der Kalziumoxalatsteinbildung kann, zusätzlich zur Ernährungs- und Trinktherapie, eine pharmakologische Intervention erforderlich sein. In Abhängigkeit von den jeweiligen Risikofaktoren kann der Einsatz von Alkalizitraten bzw. Natriumbicarbonat, Thiaziden sowie eine Kalzium- und Magnesiumsupplementation indiziert sein. Die Auswahl der Medikation sollte sich dabei am Ergebnis der quantitativen Analysen im Serum und 24 h-Harn orientieren (Übersicht 6).
Übergewicht
Übergewicht bzw. Adipositas und assoziierte Ernährungsmuster gelten als allgemeine Risikofaktoren einer rezidivierenden Harnsteinerkrankung. Eine Untersuchung an 527 idiopathischen Kalziumoxalatsteinpatienten ergab ein höheres Steinbildungsrisiko, eine größere mediane Zahl an Steinepisoden sowie ein vermehrtes Auftreten ernährungsbedingter Begleiterkrankungen bei übergewichtigen und adipösen Kalziumoxalat-steinpatienten (Abb. 2) [10].
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (7) Seite 14-16